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Jehoschua Ahrens: Mit der Tora durch das Jahr
Bereits in der Einleitung legt der Autor dar, dass die jüdische Auslegung der Tora äußerst flexibel und vielfältig sei und es deshalb kein „richtig oder falsch“ gebe. Auch werde sie niemals als alleinstehender Text gelesen, sondern immer im „Spiegel“ der rabbinischen Literatur. Das Buch macht zudem deutlich, dass die Tora auch heute noch in die Gegenwart hineinwirkt und den Menschen Orientierung geben kann. Die Tora, die fünf Bücher Mose, wird im Laufe eines Jahres gelesen. Sie ist in 54 Parschiot (Wochenabschnitte) eingeteilt. Jeder Parascha (Sg.) wird eine Kurzzusammenfassung vorausgestellt, an die sich die Exegese anschließt.
In der ersten Parascha „Bereschit“ (Gen 1,1–6,8) behandelt der Autor gleich ein sehr diffiziles Thema, um das sich schon viele Religionsphilosophen bemüht haben, nämlich, dass der Mensch als Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Hier bezieht er sich auf Maimonides‘ „Führer der Verirrten“ und erklärt, dass der Mensch Gott niemals gleich sein kann, aber durch die „Imitatio Dei“, d.h. durch die Nachahmung von Gottes Taten, wie Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, zu einer Art „Stellvertreter Gottes auf Erden“ werden kann. Er weist deutlich darauf hin, dass viele Stellen der Tora nicht wortwörtlich zu verstehen sind, wie z.B. die Tage der Schöpfung. Es ginge hier nicht um Tage im eigentlichen Sinne, sondern um Phasen der Erschaffung, die viele Millionen bzw. Milliarden Tage gedauert haben können. Hierbei bezieht er sich wieder auf Maimonides (Rambam), der erklärte, dass nicht nur die Schöpfungsgeschichte, sondern alle frühen Geschichten der Tora bis hin zu Abraham allegorisch zu verstehen seien.
In der zweiten Parascha „Noach“ (Gen 6,9-11,32) stellt er einen besonderen Bezug zur Gegenwart wie den Umweltsünden her, indem er die Flutgeschichte als Metapher für die Auswirkung menschlichen Fehlverhaltens deutet. Aber auch ein Beispiel für gelungene Integration findet sich in der Tora, und zwar in der 10. Parascha, „Mikez“, (Am Ende, Gen 41,1-44,17). Es ist die Geschichte von Josef in Ägypten, der sich integrierte und trotzdem seine jüdische Identität neben der ägyptischen beibehielt.
In der 18. Parascha „Mischpatim“ – die Rechtsordnungen (Ex 21,1-24,18) erörtert er das falsche Verständnis von „Auge um Auge, Zahn um Zahn (Ex 21, 22-27; Lev 24, 17-22; Dtn 19, 15-21). Dieser in der säkularen Welt negativ besetzte Satz wird immer in Verbindung mit Rache gesehen – und der „Rachegott“ des „Alten Testaments“ wird dem Gott der Liebe des „Neuen Testaments“ entgegengesetzt. Es handelt sich hier aber um eine Talionsformel, einen Rechtssatz, der nach rabbinischer Auslegung eine adäquate Strafe für eine Tat fordert, um unverhältnismäßig hohe Strafen zu verhindern.
Am Ende des Buches geht der Autor auf die biblischen Feiertage ein und bespricht deren Symbolik. An Pessach gedenken alle Juden des Auszugs aus Ägypten. Dies bedeute aber nicht nur die Flucht aus Ägypten, sondern auch die aus den „engen Gassen unserer Existenz.“ Ferner erklärt er die Bedeutung des Schofarblasens an Rosch Haschana (Neujahrsfest) und Jom Kippur (Versöhnungstag) und warum man an diesen Tagen in der Synagoge weiße Kleidung trägt. Der Leser erfährt, dass Sukkot (Laubhüttenfest) die Unterschiede zwischen den Menschen aufhebt, denn in den sieben Festtagen sollen alle Juden, egal ob arm oder reich, in einer Hütte leben. Schawuot ist das Fest der Erinnerung für „Matan Tora“ (das Geben der Tora) am Sinai. Hier zieht der Autor Belegstellen aus einem Midrasch heran (Schemot Rabba 28,6), in dem es heißt, dass die Seele jedes einzelnen Juden am Berg Sinai war. Das Fest der Tora ist allerdings Simchat Tora (Tora-Freude). An diesem Tag liest man den Abschluss der letzten Parascha „Wesot Habracha“ (Und dies ist der Segen, Dtn 33-34) und beginnt sofort wieder mit der ersten Parascha „Bereschit“ (Im Anfang, Gen 1,1-6,8). Dies bedeutet, so der Autor, dass man im Judentum nicht wirklich mit der Tora aufhören kann: Sie ist nämlich „zeitlos und muss immer wieder neu interpretiert und in unseren Lebensalltag implementiert werden.“
Jehoschua Ahrens hat mit dieser Publikation den Versuch unternommen, die Inhalte und die Bedeutung der Tora unter Zuhilfenahme von jüdischen Quellen für die Gegenwart begreiflich zu machen. Dies ist ihm gelungen. Das Buch ist eine sehr gute Vorbereitung für die wöchentlichen Lesungen am Schabbat, in der Synagoge oder zu Hause. Es ist aber auch eine exzellente Informationsquelle für Nichtjuden: Indem der Autor immer wieder Belege aus Talmud, Midrasch und rabbinischen Kommentaren, wie Raschi und Maimonides, heranzieht, wird der Leser mit der jüdischen Art der Bibelauslegung bekannt gemacht.
Eine lebensnahe Auslegung der PARSCHIOT
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2023
287 Seiten
25,00 €
ISBN 978-3-579-07193-0