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Jens-Fietje Dwars: Ateliergespräche. Porträts ostdeutscher Bildermacher
Wer als Westdeutscher an „ostdeutsche Bildermacher“ denkt, dem werden zuerst die Vertreter der „Leipziger Schule“ wie Neo Rauch und Michael Triegel in den Sinn kommen. Aber um diese Zelebritäten geht es in den „Ateliergespräche(n)“, die der Verfasser mit 6 Künstlerinnen und 22 Künstlern geführt hat, nicht. Aus welchem Anlass sind diese Porträts entstanden?
Erschienen sind alle im „Palmbaum“, dem, so der Untertitel, „Literarischen Journal aus Thüringen“. Diese 1993 begründete Literaturzeitschrift erscheint zweimal im Jahr unter einem Hauptthema und verbindet neuere Prosa, Lyrik und Essays mit der reichen Geschichte Thüringens; hinzu kommt ein umfangreicher Rezensionsteil. Mit der Übernahme der Chefredaktion durch Jens-Fietje Dwars 2005 kam die bildende Kunst hinzu, denn nun wurden die Einbände des „Palmbaums“ zunächst von bildenden Künstlern aus Thüringen, seit 2015 auch aus Ostdeutschland und darüber hinaus gestaltet. Und diese werden in der jeweiligen Ausgabe vorgestellt – durch einen Aufsatz wie etwa im Fall des bereits verstorbenen Gerhard Altenbourg (1926-1989) oder meistens durch einen Bericht über den Atelierbesuch samt Gespräch anlässlich der erbetenen Vorlage für den Umschlag. Die für das vorliegende Buch ausgewählten, 6- bis 8-seitigen „Porträts“ werden durch ein Schwarz-Weiß Foto der Künstlerin bzw. des Künstlers eröffnet und enthalten selbstverständlich das entsprechende Cover; die zahlreichen, den Text ergänzenden Abbildungen geben einen ersten Eindruck in das Werk der Porträtierten.
Die „Ateliergespräche“ überraschen durch die Vielzahl eigenständiger künstlerischer Positionen. So sind manche Palmbaum-Einbände ungegenständlich, andere sind gegenständlich und orientieren sich an der menschlichen Gestalt. Etliche der vorgestellten Künstler sind im fortgeschrittenen Alter – und leider ist der auf dem Cover abgebildete Gerd Mackensen, ein Meister erotischer Darstellungen, jüngst gestorben (1949-2023). Bei aller Unterschiedlichkeit dürften die Porträtierten Rüdiger Gieblers (*1958) These zustimmen: „Der sozialistische Realismus war in Sachen Kunst die reine Konterrevolution.“ (48)
Die Grafik steht im Zentrum des Buches. Susanne Theumer (*1975), die mit der Kaltnadel arbeitet, und Baldwin Zettl (*1943), der auf Kupfer sticht, stellen sich bewusst der harten Arbeit auf der Metallplatte; generationsübergreifend sind ihnen die unzähligen Abstufungen zwischen Schwarz und Weiß Farbe genug. Für seine farbstarken Holzschnitte bedient sich Klaus Süß‘ (*1951) der Technik der verlorenen Form. Alle drei haben Bücher bebildert; mit einer weit größeren Anzahl illustrierter Bücher (noch in der DDR) sind Dieter Goltzsche (*1934), der Holzschnitzer Karl-Georg Hirsch (*1938), der Dadaist Horst Hussel (1934-2017) sowie Hans Ticha (*1940) hervorgetreten. Für die Genannten gilt: Sie bebildern nicht einfach den vorliegenden (literarischen) Text, sondern fügen ihm mit ihren kunstvollen Illustrationen eine weitere Bedeutungsebene hinzu.
Der Hinweis auf drei weitere Künstler bedeutet, den ungenannten Gebliebenen nicht gerecht geworden zu sein. Kay Voigtmann (*1968) hat einen Kosmos grotesker, anatomisch unmöglicher Figuren in der Überzeugung geschaffen, dass für ihn „alles Formvollendete … etwas Fern-Unwirkliches und Unmenschliches“ (249) hat. – Zum Fürchten ist der zähnefletschende Mann auf dem Cover von 2011, dem eine großartige Zeichnung von Horst Sakulowski (*1943) zugrunde liegt. Der Künstler, der auch als Grafiker und Maler Meriten erworben hat, ist ein überragender Könner – und in Westdeutschland viel zu wenig bekannt. – Prominenter hingegen ist Max Uhlig (*1937), der Landschaften und Köpfe aus einem dichten Geflecht aus Linien entwickelt; seine Glasfenster für die St.-Johannis-Kirche in Magdeburg (2014-2017) haben breite Resonanz gefunden.
Die lebendigen Texte mit den vielen Abbildungen machen die „Ateliergespräche“ zu einem ebenso lesens- wie sehenswerten Buch. Wer Lust auf weitere schöne Bücher hat, dem sei ein Blick in Jens-Fiete Dwars‘ Buchreihe „Ornament“ (http://edition-ornament.de/) ausdrücklich empfohlen.
Edition Ornament
Bucha bei Jena: quartus-Verlag. 2023272 S. m. farb. Abb.
25,00 €
ISBN 978-3-947646-50-0