Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Josef Seifert: Erkenntnis des Vollkommenen. Wege der Vernunft zu Gott

Für einflussreiche aktuelle Strömungen der Theologie ist Gott in absoluter Transzendenz verborgen und damit unerkennbar. Kant, auf dessen Erkenntnistheorie sich diese Richtung beruft, hat mit seinem Subjektivismus, nach dem Erkenntnis erst durch das gebildet wird, was die im Menschen angelegten Anschauungs- und Denkformen an das sinnlich Wahrgenommene herantragen, scheinbar jeder Metaphysik den Boden entzogen. Die Konsequenz ist entweder ein blinder Sprung in den Glauben oder ein radikaler Agnostizismus, von dem es nur ein kleiner Schritt zum Atheismus ist, der Kants Subjektivismus radikalisiert und in Gott eine Erfindung des Menschen zur Selbsttröstung sieht, wie etwa bei Feuerbach.

Das ist die Ausgangslage, an der diese Schrift von Josef Seifert (geb. 1945) ansetzt. Der katholische Philosoph, der in Österreich, den USA, Chile und Spanien gelehrt hat und aktuell noch Vorlesungen an der LMU München hält, vertritt eine realistische Philosophie, die in Kritik an Kants Subjektivismus daran festhält, dass die Vernunft „Wege zu Gott“ erschließen kann. „Ein religiöser Glaube ohne Vernunft ist ohne Fundament“, konstatiert Seifert in Übereinstimmung mit Paulus (Röm 1, 20ff), dem I. Vatikanum und der Enzyklika „Fides et ratio“ von Johannes Paul II. Nicht nur der Glaube ist dann ohne Fundament, sondern auch die Ethik, die heute von manchen Theologen ebenso subjektivistisch aufgefasst wird. Der Mensch entscheidet danach als sein eigener Gesetzgeber selbst, was gut und richtig ist.

Gegen die Auffassung, dass Gott unerkennbar und eine Gottesidee, die Gott Eigenschaften zuschreibt, lediglich ein naiver Anthropomorphismus sei, fährt Seifert das Instrumentarium der klassischen Gottesbeweise bzw. der „Wege zur Erkenntnis des Vollkommenen“ auf. Den aktualisierten und neu interpretierten klassischen fünf Wegen des Thomas von Aquin (in anderer Anordnung) fügt Seifert personalistische, „existenzielle“ Argumentationen hinzu, die heutigen Menschen besonders naheliegen, und schließt mit dem ontologischen Argument als Höhepunkt und Grundlage aller anderen Wege.

Die ersten drei (kosmologischen) Wege sind Beweise der Existenz Gottes aus der real erfahrenen Welt, argumentierend mit der Zeitlichkeit des Seienden im Gegensatz zum anfangslos ewigen Sein Gottes, mit der Notwendigkeit einer „unverursachten Ursache“ als letzter Ursache und der Nichtnotwendigkeit des Seienden (Kontingenz). Der vierte Weg argumentiert mit der Sinnfülle und Zweckhaftigkeit der Natur (Teleologie), die durch einen geistlosen Zufall nicht erklärbar sind. Der fünfte Weg geht personalistisch von der Geistigkeit der Seele aus, die als wesensverschieden von aller Materie auf einen geistigen Schöpfer, auf Gott verweist.

Der sechste Weg ist dezidiert personalistisch und hat als Grundlage die zahlreichen personalen Akte, von denen Seifert die moralische Ordnung und die Liebe exemplarisch betrachtet. Gemeinsam sei diesen Akten und anderen personalen Wirklichkeiten (wie dem Gewissen), dass sie „als ihren wesensnotwendigen Gegenstand, ihr Ziel oder ihren Sinngarant, etc. letzten Endes ausschließlich Gott haben können.“ So ist moralische Verantwortung zuletzt immer Verantwortung vor Gott als dem letzten Richter. Menschliche Liebe gewinnt ihren Vollsinn erst, wenn sie den geliebten Menschen in seiner von Gott verliehenen Würde sieht. Und in der damit aufscheinenden Gottesliebe gewinnt Liebe ihre letzte und höchste Ausprägung. Daraus lasse sich ein gültiger Gottesbeweis ableiten, wenn man berücksichtigt, dass Gott als höchster Adressat der Liebe „ebensowenig eine Illusion sein (kann) wie diese Liebe selber“ und dass der alle andere Liebe übertreffende Akt anbetender Liebe „den Sinn, die Notwendigkeit und Wirklichkeit Gottes, ihres Gegenstands“ beweist.

Der siebte Weg, der den Vorwurf abweist, die klassische Gottesidee sei anthropomorph, steigt von der unvollkommenen Welt zu Gott als dem reinen Vollkommenen auf. Seifert knüpft damit an Duns Scotus‘ Lehre von den Transzendentalien oder reinen Vollkommenheiten an, die wesenhaft unbegrenzt sind, also Eigenschaften wie die Gutheit. Andere Eigenschaften, die nur auf endliches Seiendes anwendbar sind, haben immer Begrenzungen. Wendet man sie auf Gott an, folgt ein Anthropomorphismus. Bei den reinen Vollkommenheiten ist dies nicht der Fall, insbesondere bei denen, die nur auf Gott zutreffen, wie Allwissenheit, Allmacht, Allgegenwärtigkeit. Am Beispiel der Liebe zeigt Seifert, wie aus dieser reinen Vollkommenheit ein Gottesbeweis abgeleitet werden kann.

Höhepunkt ist für Seifert das ontologische Argument von Anselm, wonach für „Etwas, worüber hinaus nichts Größeres oder Besseres gedacht werden kann“ notwendig dessen Existenz folgt. Dem u.a. von Kant vorgetragenen Vorwurf, dass es sich dabei um Begriffsspielerei handele, begegnet er mit dem Hinweis auf die unreduzierbare Wesenheit des unendlich vollkommenen Wesens, das sich von allem endlichen Seienden unterscheidet.

Das Buch vermittelt diese schwierige Thematik verständlich und übersichtlich gegliedert. Absolute Leseempfehlung.

Zweite, um ein Vorwort ergänzte Auflage
Rückersdorf: Lepanto Verlag 2021
XII + 234 Seiten
28,90 €
ISBN 978-3-942605-21-2

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