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Katharina Greschat: Kirchengeschichte I: Von der Alten Kirche bis zum Hochmittelalter
Mit dem hier zu besprechenden Werk legt Katharina Greschat den zweiten Band zur Kirchengeschichte in der Reihe „Lehrwerk Evangelische Theologie“ vor, der chronologisch demjenigen von Wolf-Friedrich Schäufele aus dem Jahr 2021 (vgl. EF 1/2023, 18f.) vorausgeht. Während Schäufele die Epochen vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart behandelt, widmet Greschat sich der Zeit vom Beginn des Christentums in der Antike bis zum Hochmittelalter.
Bei dem Vorhaben, etwa 1300 Jahre auf knapp 400 Seiten darzustellen, sind notwendigerweise Schwerpunkte zu setzen und eine Auswahl aus der Fülle der möglichen Themen, Akteure und Fragestellungen zu treffen. Diese Aufgabe gelingt Greschat in den elf chronologisch angelegten Kapiteln des Buches überzeugend. Für die Frühphase des Christentums konstatiert die Autorin eine Vielfalt christlich-religiöser Vorstellungen (1-32), merkt aber zugleich an, dass parallel auch Tendenzen zur Vereinheitlichung bestanden (33). Gerade die ersten Kapitel (1-67) sind zum Teil vielleicht etwas dicht und voraussetzungsreich in dem Sinn geschrieben, dass mehrfach auf Inhalte, die erst später im Text ausführlich dargestellt werden, verwiesen wird oder diese von nicht fachlich versierten Lesenden nachgeschlagen werden müssen – angesichts zahlreicher sich überlagernder Themenstränge in der frühen Entwicklung des Christentums lässt sich dies aber vermutlich kaum vollständig vermeiden.
Breiten Raum nehmen in der Darstellung der Antike die Christenverfolgungen vor Konstantin und die nachkonstantinische Zeit ein. Insbesondere die Ausführungen zu den trinitarischen und christologischen Streitfragen im 4. und 5. Jahrhundert sind äußerst lesenswert und auch für Studienanfänger und nichtfachkundige Leserinnen und Leser sehr verständlich geschrieben (88-98, 159-169), was ebenso für die später folgenden Darstellungen weiterer theologischer Konflikte im 6. Jahrhundert gilt (186-192).
Dem Kirchenlehrer Augustinus ist ein eigenes längeres Kapitel gewidmet (113-157), wodurch an seinem Beispiel eine große Zahl theologischer Themen und Streitfragen, etwa zur Gnadenlehre und zum christlichen Geschichtsverständnis, nachgezeichnet werden kann. Dabei rückt die Autorin auch die bis in die Neuzeit reichende Wirkungsgeschichte dieses zentralen antiken Theologen ins Blickfeld.
Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Bemühungen um Einheit und die Tendenzen zur Regionalisierung des Christentums vom 5. bis zum 7. Jahrhundert. Hierbei arbeitet Greschat die sogenannten regionalen Mikrochristentümer, etwa bei den Iroschotten und Angelsachsen sowie bei den Franken, heraus und stellt das langsame Auseinanderdriften von Religion und Politik zwischen Ost und West dar, welches nicht zuletzt auf unterschiedliche theologische Vorstellungen – Stichwort: Interpretation des Konzils von Chalcedon 451 n. Chr. – zurückzuführen ist.
Positiv zu werten ist Greschats Ansatz, die Darstellung der mittelalterlichen Geschichte nicht nur auf den Westen zu fokussieren, sondern auch die Entwicklungen in Konstantinopel bzw. in Ostrom sowie in den seit dem 7. Jahrhundert islamischen Gebieten miteinzubeziehen. Ausführlich widmet sie gleichwohl ein langes Kapitel der Zeit der Karolinger, die nicht nur unter (kirchen-)politischen, sondern auch unter theologischen und bildungsgeschichtlichen Aspekten betrachtet wird (223-258), sowie der Genese der mittelalterlichen Kirche im Westen im 10. und 11. Jahrhundert (259-320). Dabei werden u. a. die monastischen Reformbewegungen von Cluny und Cîteaux sowie die Entwicklungen in der Theologie (u. a. Anselm von Canterbury, Abaelard) in den jeweiligen historischen Kontext eingeordnet. Die großen Themen des Hochmittelalters, etwa die Klerusreform, der Investiturstreit und die Kreuzzüge, sind ebenso Teil der Darstellung.
Hervorzuheben ist insbesondere, dass die Autorin in allen Kapiteln kürzere und längere Quellenzitate in den Text integriert, so dass die Leserinnen und Leser mit den Originaltexten der jeweiligen Epoche in Berührung kommen. Durch die Kontextualisierung und ausführliche Quellenkritik der Autorin werden die Lesenden zudem in die Methoden der Analyse und Interpretation eingeführt. Auf aktuelle Forschungsfragen oder sich verändernde Lehrmeinungen (so z. B. zur sogenannten Völkerwanderung, 170-174) macht Greschat an passenden Stellen aufmerksam. Ein Namens-, Orts- und Sachregister runden das flüssig geschriebene und gut lesbare Werk ab, das sich als Einführung in die Kirchen- und Christentumsgeschichte bis um das Jahr 1300 hervorragend eignet.
Lehrwerk Evangelische Theologie 3
Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2023
393 Seiten m. s-w Abb.
48,00 €
ISBN 978-3-374-05482-4