Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Klaus Unterburger: Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit

Eine kompakte und kompetenzorientierte Einführung in die Kirchengeschichte der Frühen Neuzeit zu schreiben, dieses Ziel hat sich Klaus Unterburger mit dem vorliegenden Buch gesetzt. Er wird seinem Ziel in gelungener Weise gerecht. Auf knapp 160 Seiten gliedert er sein Werk in elf meist kurze Kapitel, die in prägnanter Weise die wichtigsten Themen der Epoche vom Beginn der abendländischen Glaubensspaltung um 1500 bis zur Großen Säkularisation um 1800 behandeln. Schwerpunkte bilden dabei die Reformation und ihre direkten Folgen (Kap. 2–5) sowie die Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution (Kap. 9–11).

Die Darstellung zu Martin Luthers Leben und Werk (Kap. 2) überzeugt in der notwendigen Kürze. Dabei weist Unterburger auf die Legendenhaftigkeit der Erzählungen vom „Gewittererlebnis“ und dem plötzlichen „Turmerlebnis“ hin, die Luther selbst aufgestellt hatte (17, 19). Die reformatorische Rechtfertigungslehre wird in diesem Zusammenhang einfach und verständlich erklärt. Spannend zu lesen ist das Kapitel zum schweizerischen und zum englischen Zweig der Reformation (Kap. 4), das die Pluralisierung der konfessionellen Bekenntnisse aufzeigt sowie auf theologische Differenzen wie das divergierende Abendmahlsverständnis hinweist.

Dass die Darstellung zur katholischen Erneuerung (Kap. 5) sich nicht nur auf das Konzil von Trient beschränkt, sondern auch die Rolle des Papsttums in den reformatorischen Auseinandersetzungen und die Entwicklung der Orden betrachtet, ist ebenfalls positiv hervorzuheben. Neben den männlichen Orden (Jesuiten, Theatiner, Oratorium des Philipp Neri u. a.) werden hierbei die neuen Frauenorden (Englische Fräulein, Ursulinen, Katharinenschwestern) gestreift, die durch ihre apostolische Tätigkeit im Bildungswesen sowie in der Armen- und Krankenpflege die katholische Lebenswelt der Frühen Neuzeit mitprägten.

Im Sinne der angezielten Kompetenzorientierung zeigt Unterburger immer wieder Problematisierungen und Interpretationsmöglichkeiten auf, die Leserinnen und Lesern helfen, die historischen Ereignisse in größere Zusammenhänge einzuordnen. Diese Zielrichtung zeigt sich exemplarisch am Kapitel zur sich ausbildenden Konfessionalisierung in Europa (Kap. 6), das plurale, aber durchaus parallel verlaufende Identitätsbildungsprozesse anschaulich beschreibt und einen knappen Überblick über die „konfessionelle Landkarte“ Europas gibt. Dabei werden auch Entwicklungsschritte konfessioneller Theologien angesprochen, etwa der katholische „Gnadenstreit“ sowie die Auseinandersetzungen um den Fall Galileo Galileis und das Verhältnis von kirchlichem Lehramt und Naturwissenschaften. In dieses Kapitel ordnet der Autor die kurzen Ausführungen über den in der Frühen Neuzeit aufkommenden Hexenglauben und die europäischen Hexenverfolgungen ein (77-79). Dieses Thema hätte vielleicht ein eigenes Kapitel verdient, da es doch besonders oft von Studierenden und an der Kirchengeschichte Interessierten nachgefragt wird und von zahlreichen Legenden umgeben ist.

Die Ausbreitung des Christentums außerhalb Europas (Kap. 7) stellt Unterburger nach Regionen (Südostasien, China, Lateinamerika) geordnet dar. Dabei weist er auf die maßgebliche Rolle der Orden (Jesuiten, Franziskaner, Dominikaner) hin und erläutert das Problem der „Akkomodation“ des Christentums bzw. der Missionsmethoden. Im Unterkapitel zu Lateinamerika werden die gewaltsamen Folgen der Kolonialisierung, der Sklavenimport aus Afrika und die christliche Kritik am Umgang der Kolonialherren mit den Indigenen angesprochen. Im Sinne der Kompetenzorientierung wären an dieser Stelle vielleicht kurze Hinweise auf weiterführende Fragen und aktuelle Kontroversen aus historischer Perspektive hilfreich gewesen, etwa zur Legitimation christlicher Mission und zu einer möglichen kirchlichen Mitverantwortung an der Ausbeutung indigener Völker.

Im Kapitel zu Seelsorge, Theologie und Glaubensleben im 17. Jahrhundert (Kap. 8) spannt Unterburger den Bogen von den Anfängen des Pietismus durch Philipp Jacob Spener in Frankfurt und dessen Bibelkreisen über die pietistischen Zentren in Halle und Herrnhut zur Gründung der Baptisten- und Methodistenbewegung in den Niederlanden und England sowie zum „Great Awakening“ in den werdenden Vereinigten Staaten von Amerika. Gerade der Blick über die deutschen Sprachgrenzen und Europa hinaus macht das Buch besonders lesenswert.

Die letzten drei Kapitel (9-11) widmet Unterburger dem Zeitraum von den Anfängen der Aufklärung bis zur Französischen Revolution. Hier wird in nuce das Panorama einer europäischen Geistesgeschichte erkennbar und das revolutionäre Großereignis von 1789 in den historischen Kontext eingeordnet. Unterburger zeichnet nach, wie sich die Rolle der Religion im Laufe der Zeit verschob, ein staatlicher Territorialismus einsetzte und philosophische Gegenpositionen zur hergebrachten christlichen Lehre aufkamen. Auch hier werden an zahlreichen Beispielen – etwa bei der Debatte über den Forschungsbegriff „Katholische Aufklärung“, bei der Beschreibung von Gallikanismus und Episkopalismus sowie bei der Darstellung der politischen Wirren im Gefolge der Französischen Revolution – Ansätze zur Interpretation aufgezeigt und damit die kompetenzorientierte Zielrichtung des Bandes eingelöst.

Klaus Unterburger hat mit dem Buch eine fundierte und präzise, gut geschriebene und flüssig lesbare Einführung in die Epoche zwischen 1500 und 1800 vorgelegt. Durchweg nimmt er dabei eine europäische, d. h. über die deutschen Sprachgrenzen hinausgreifende Perspektive ein. Dass ein solches Überblickswerk immer Schwerpunkte setzen und eine thematische Auswahl treffen muss, versteht sich von selbst, weshalb die wenigen ergänzenden Hinweise des Rezensenten den Wert des Buches nicht mindern. Zur schnellen Orientierung dienen insbesondere kurze Einleitungen und Zeitleisten, knappe Zusammenfassungen sowie kurze kommentierte Literaturhinweise, die jedem Kapitel beigegeben sind. Hinzu kommen grafisch hervorgehobene Stichwortkästen zu wichtigen historischen oder theologischen Begriffen. Ein ausführliches kommentiertes Literaturverzeichnis, das einen fundierten Überblick sowie Hinweise zu Vertiefung und Weiterstudium bietet, sowie ein Namensregister runden dieses gelungene Buch ab, das als Einführung allen Studierenden und Interessierten sehr empfohlen sei.

Theologie kompakt
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. 2021
159 Seiten m. s-w Abb.
22,00 €
ISBN 978-3-534-27169-6

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