Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Manuel Herder (Hg.): Der Papst der Bücher. Schlüsseltexte zum Denken Benedikts XVI

Das kurze Vorwort berichtet über die herzliche Verbundenheit Manuel Herders und seines Verlages mit Benedikt XVI., dem Autor der Texte. Aus dessen umfangreichem, vielschichtigem bei Herder publiziertem Werk, das er in seiner editorischen Notiz kurz erwähnt, hat der Herausgeber unterschiedliche repräsentative Texte aus der jüngeren Vergangenheit zusammengestellt. Stefan von Kempis, der Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Vatican News, hat an dem Buch mitgearbeitet.

Der Herausgeber gliedert seine Textauswahl in sechs Abschnitte. Der erste über Glaube, Hoffnung und Liebe mit Ausschnitten aus den Enzykliken des Papstes stellt die gelungene Einleitung dar: Der Glaube an den lebendigen Gott, das Lebensfundament, ist eng mit der befreienden Hoffnung verknüpft. Diese geht über den Tod hinaus. Sie realisiert sich aber auch schon jetzt in der Praxis der Agape, hingebungsvoller Liebe im alltäglichen Dienst am Nächsten.

Um Jesus von Nazareth, in dem Gottes vorbehaltlose Liebe Mensch wird, geht es im zweiten Abschnitt mit Ausschnitten aus den Jesusbüchern des Papstes. Dem Geheimnis Jesu begegnet man in den Evangelien. Es besteht in Jesu einzigartiger Beziehung zu Gott, seinem Vater. Daraus speisen sich das Reden und Handeln dieses gläubigen Juden aus dem Volk Israel. Die Gottunmittelbarkeit Jesu und sein Anspruch gehen allerdings über den eines jüdischen Gesetzeslehrers hinaus. In Jesu Leben und Sterben konstituiert sich die neue, erlöste Gemeinschaft des Menschen mit Gott. Den Kreuzestod Jesu hat nicht das jüdische Volk verursacht. Er ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von Mitgliedern des Hohen Rates Israels und dem Repräsentanten der römischen Besatzungsmacht. Für die Jünger bedeutet der Tod, der ihnen genauso real ist wie – nach einigem Zögern – seine Auferstehung, die Hingabe Jesu, sodass Jesus beim Vater für die Menschen eintritt. In Jesu Auferstehung ist eine Zukunft mit neuen Lebensmöglichkeiten eröffnet. Diese zu ergreifen beinhaltet, bei Jesus Ruhe zu finden, ihm nachzufolgen, eine gelöste existentielle Beziehung jenseits moralistischer Verkrampfung.

Wie man sein Leben in den Spuren Jesu gestalten kann, zeigen Textausschnitte aus manchmal kontrovers aufgenommenen Reden von Papst Benedikt während seines Pontifikats: In der Rede auf dem Gebiet des Konzentrationslagers Auschwitz steht neben seinem erschütterten Schweigen das beeindruckende: „Wach auf! Vergiss Dein Geschöpf nicht!“. In der Rede an der Regensburger Universität steht neben den vermeidbaren provozierenden Missverständnissen ein Leitgedanke von Benedikts Denken: die Bedeutung des rationalen Diskurses für den aufgeklärten Glauben an Gott. Die Vernunft muss auch in der an der Gerechtigkeit ausgerichteten Politik humane Wege finden, fordert der Papst im Deutschen Bundestag. Es kommt dabei darauf an, die Stimme des Gewissens und den Anspruch der Natur zu hören. Für die notwendige Ökologie des Menschen bleibt die Bitte Salomos um ein hörendes Herz aktuell. Auch die Sorge um die Zukunft des christlichen Glaubens nimmt Benedikt XVI. mit ins Gebet, die er in seiner berührenden Ansprache bei der letzten Generalaudienz vor dem Rücktritt der Kirche spricht.

Der vierte Abschnitt der Textauswahl thematisiert die praktischen Möglichkeiten der Kirche im Dienst am Glauben. Als Volk Gottes ist diese paradoxerweise das Nicht-Volk das allein Christus gehört. Die Kirche ist das Sakrament der Menschenfreundlichkeit Gottes. Damit nimmt Benedikt eine Wendung des Zweiten Vatikanischen Konzils auf. In dessen Kontinuität sieht er die heutige katholische Kirche. Im ökumenischen Dialog ist die strukturelle Einheit nicht zerstört. Manches ist theologisch möglich, kann aber geistlich verspielt werden. Benedikt mahnt deshalb die Dialogpartner zur Geduld. Von der Hoffnung auf die Einheit der Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes beseelt, geht es darum, sich dem Ökumenismus des Glaubens zur Verfügung zu stellen. Die Ausführungen bleiben hier recht allgemein.

Auch in den beiden letzten Abschnitten steht die Praxis im Focus: Es geht im fünften Teil um die rechte Art, die Liturgie zu feiern. Bei der Feier der Eucharistie, dem Dank an Gott, den Urheber der Liturgie, stellt der Mensch sich in Gottes Gegenwart. Er kommt damit zu sich selbst und zu den anderen. Ein kurzer Briefauszug an die Bischöfe am Ende dieses Abschnitts zeigt, worum es Benedikt mit der Wiederzulassung der traditionellen Liturgie geht: um die Versöhnung in der Kirche, die Raum für die unterschiedliche Feiern des Glaubens bietet.

Im Schlussabschnitt kommt Benedikt XVI. mit exemplarischen Überlegungen zu Gesellschaft und Politik zu Wort. Mit einem längeren abschließenden Text zur Zukunft des Heils wird die Perspektive der christlichen Hoffnung vom Anfang des Buches aufgegriffen: Diese beinhaltet keine Vertröstung, sondern Trost. Vernunftbezogen nimmt der Glaube die Ding, wie sie sind. Denn jenseitsbezogen ist das Vertrauen zum dreieinigen Gott zugleich diesseitig.

Das gut lesbare Buch macht die Struktur und die Eigenart von Papst Benedikts Denken im Überblick und im Zusammenhang deutlich. Es motiviert zu vertiefender Lektüre und ermutigt nicht zuletzt zum vernünftigen Glauben aus der Hoffnung auf Gott – unterwegs in den Spuren Jesu Christi.

Freiburg: Herder Verlag 2023
331 Seiten
28,00 €
ISBN 978-3-451-39213-9

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