Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Manuel Trummer: Highway to Hell. Das Satanische im Heavy Metal

Wie die beiden ersten Bände der noch recht jungen Reihe „Metalbook” hebt sich die Veröffentlichung Manuel Trummers bereits durch die äußere Gestaltung angenehm von der sonst im Kohlhammer Verlag üblichen Optik ab. Gleichermaßen hinterlässt das für den Umfang handlich gewählte Format des Buchs einen positiven Eindruck. Es ist ein Buch, das man gerne zur Hand nimmt.

Mit „When Monsters roar and Angels sing” von Hartmut Rosa gelang der Reihe ein äußerst beachtenswerter Auftakt (siehe Rezension von Alexander Schüller in EULENFISCH Literatur 01_2024), der eine gewisse Erwartungshaltung an das vorliegende Werk erzeugt. Mit Blick auf den Klappentext erfährt diese noch eine Steigerung: In „Highway to Hell” befasst sich der Verfasser auf knapp 160 Seiten mit der für die Ideologie und Ästhetik der Heavy-Metal-Musik prägendste Gestalt, dem Teufel als ein „schillerndes, vielschichtig besetztes Symbol”, das in „Musik, Texten und Artworks” begegnet. Ein ambitioniertes Vorhaben, das man – so viel sei an dieser Stelle vorweggenommen – in fast jeder Hinsicht als gelungen bezeichnen darf. Dass der Autor Kulturwissenschaftler und Gitarrist einer Heavy-Metal-Band ist, stellt sich als hilfreich heraus, da es das Zusammenfinden von distanziert wissenschaftlicher Betrachtung und einer für sachliche Befassung notwendigen Distanz auf der einen und szeneninterner Vertrautheit auf der anderen Seite bedeutet: „Highway to Hell” kommt weder als unkritische Szeneliteratur noch als befremdende Darstellung von außen daher, die Hörer des Genres irritiert zurücklässt.

Gemessen am übersichtlichen Umfang bietet das Buch eine treffliche Einführung in die Befassung mit der Figur des Teufels für die Heavy-Metal-Musik. Der Überblick umfasst die Ursprünge, die prägendsten Entwicklungslinien der musikalischen Rezeption des sogenannten Satanischen und Exkurse in kulturelle, gesellschaftliche und politische Verknüpfungen. Um der genreimmanenten Unübersichtlichkeit zu begegnen, die sich im Herausbilden von Subgenres (wie Black Metal, Thrash Metal) oder Phasen (NWOBHM, erste/zweite Welle im Black Metal) manifestiert und sich aufgrund von zeitlichen Überschneidungen nicht immer chronologisch darstellen lässt, identifiziert Trummer verschiedene Formen der Rezeption des Satanischen im Heavy Metal, denen er jeweils ein Kapitel widmet. Hierbei orientiert er sich zumeist am textlichen Output der Bands in Songs und Interviews.

Dieser systematischen Dokumentation der Befassung mit dem Sujet des Satanischen mag man eine weitere Interpretationsform hinzufügen: Satanismus als absoluter, ideologischer Nihilismus, wie er im Subgenre Depressive Black Metal/Suicidale durch Bands wie Shining Ausdruck findet. Zudem könnte es ergiebig sein, dem genannten Schlüsselbegriff „Atmosphäre” (129) weiter nachzuspüren. Dieser ist von erheblicher Relevanz in Spielarten des Blackgaze und Post Black Metal. Entgegen den von Trummer unter dem Begriff „Atmosphäre” korrekterweise genannten Vertreter des Melodic Black Metal, versuchen Bands wie Alcest keine „böse Atmosphäre” (130) zu erzeugen. Die tragenden Klangteppiche sollen demgegenüber – oft orientiert an eine esoterische Hinwendung an die Natur – eine lebensbejahende Stimmung hervorbringen. Ob diese Form die in Kapitel 4 beschriebene Form des Satanismus als eine auf Befreiung aus Konventionen angelegte Form der Spiritualität darstellt, könnte daraufhin weiter untersucht werden.

Dem Kapitel 11 zum „Aryan Black Metal”, der die Leerstelle nach Ablehnung des jüdischen-christlich geprägten Abendlands mit einer pseudohistorisch heidnisch-völkischen Ideologie zu füllen versucht, könnte man hinzufügen, dass Musikgruppen hieraus auch musikalische Konsequenzen gezogen haben. Bands wie Burzum veröffentlichten Alben im Stil des Neofolk in Gestalt einer romantisierten Rezeption nordischen Schamanengesangs, da sich die Instrumentalisierung des Heavy Metal an dessen Wurzeln im Rock’n’Roll orientiert und demnach Teil der Kultur ist, die aus ideologischen Gründen abgelehnt wird. Hinzu kommt, dass sich viele der ersten Rock’n’Roll-Künstler (Rolling Stones oder Eric Clapton) in Tradition afroamerikanischer Musiker des Delta-Blues wie Robert Johnson sehen.

An der Zuordnung von Bands, Alben und Musikstücken innerhalb der beschriebenen Systematik, der Identifizierung von Protagonisten entsprechender Strömungen und der Ausdifferenzierungen des Musikstils werden versierte Hörer des Genres kaum Anstoß finden. Szenekenner mögen vielleicht die eine oder andere Gruppe missen, aber Trummer reduziert die Quellen auf ein Maß, dass Leser, denen der Musikstil fremd ist, nicht die Orientierung verlieren.

Die im Klappentext genannten Artworks als Gestaltungs- und künstlerische Ausdrucksmittel werden durch Abbildungen und Referenzen nur am Rande aufgegriffen. Es würde sich jedoch lohnen, diese ebenso zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen – wie exemplarisch die eklektische Bildsprache und der Symbolgebrauch bei der Gestaltung des Albums „Demigod” der Band Behemoth zeigt. Dass der Autor hierauf weitestgehend verzichtet, ist aufgrund der Gefahr einer Überfrachtung folgerichtig. Weitere Anschaulichkeit und Nachvollziehbarkeit gewinnt die Argumentation Trummers durch die im angemessenen Umfang verwendeten Belege in Form von Zitaten aus Musikerinterviews und Songtexten. Gepaart mit dem stimmigen Sprachduktus des Autors, der sich als Mittelweg zwischen kulturwissenschaftlicher Sachlichkeit und musikjournalistischer Gefälligkeit charakterisieren lässt, bietet sein Werk die Voraussetzung für ein Lesevergnügen und das Eintauchen in die Thematik. Immer wieder hadert man mit den Grenzen des analogen Mediums, welches ein das Lesen begleitendes Abspielen von Liedpassagen nicht erlaubt.

Mit „Highway to Hell” fügt Manuel Trummer der Reihe „Metalbook“ eine weitere lesenswerte Veröffentlichung hinzu, für die man ohne Einschränkungen eine Empfehlung aussprechen kann.

Metalbook, Vol. 3
Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. 2024
166 Seiten m. s-w Abb
20,00 €
ISBN 978-3-17-042074-8

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