Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Marcel Albert (Hg.): Handbuch der benediktinischen Ordensgeschichte

Im Umfeld aktueller kirchlicher Krisenstimmung ist auch die „Ordenskrise“ präsent. Zugleich bringen sich Ordensleute aber in den Synodalen Weg und andere Reformdebatten ein und zeigen, wie Kirchesein anders gehen könnte. Weniger kirchennahen Zeitgenossen mag ein Besuch in einem Kloster – vielleicht abgesehen von Hofladen und Brauerei – wie der Eintritt in eine andere Welt vorkommen. Zugleich erfahren viele Menschen auf der Suche nach spiritueller Lebensgestaltung und Work-Life-Balance Klöster als Sehnsuchts- oder zumindest Andersorte mit einer besonderen Ausstrahlung. Benediktiner- und Benediktinerinnenabteien von Ettal bis Maria Laach, von Frauenchiemsee bis Eibingen sind geschichtsträchtige und zugleich lebendige Orte der Suche nach Gott und nach dem Ausgleich von Aktion und Kontemplation.

Wer sich historisch mit dem benediktinischen Leben als einer der ältesten monastischen Traditionen im katholischen Bereich befasst, trifft auf eine Fülle von Literatur zu den unterschiedlichsten Aspekten. Um sich hier zurechtzufinden, braucht es kundige Anleitung. Zu den hilfreichen knappen Überblicks- und Einführungswerken, die in den letzten Jahren erschienen sind, gesellt sich nun der erste gewichtige Band des „Handbuchs der benediktinischen Ordensgeschichte“, den Marcel Albert OSB unter Mitarbeit von Anja Ostrowitzki im Auftrag der Bayerischen Benediktinerakademie herausgegeben hat. Das Handbuch soll in vier Bänden den aktuellen Forschungsstand zur Geschichte des Ordens präsentieren. Der vorliegende Band versammelt Beiträge von 26 Expertinnen und Experten und widmet sich den Entwicklungen vom 4. bis 14. Jahrhundert in einer gesamteuropäischen Perspektive. Angesichts dieses Panoramas können lediglich ein paar Beobachtungen zur Gesamtanlage und den Tendenzen des Bandes geschildert werden.

Die Beiträge sind in vier Großkapitel aufgeteilt: die Frühphase des westlichen Mönchtums bis ins 8. Jahrhundert mit einem besonderen Augenmerk auf den Entstehungszusammenhang der Benediktsregel (Teil A); die Phase der Durchsetzung der Regelobservanz, erster Reformbewegungen und Klosterverbände (9.-11. Jahrhundert) (Teil B); die Diversifizierung des benediktinischen Lebens im Hochmittelalter (11.-14. Jahrhundert) (Teil C); die benediktinische Wirtschaft im Mittelalter (Teil D). Die ersten drei Abschnitte sind jeweils gerahmt von einer Einleitung der Herausgeber und einem Kapitel zum „Beitrag der Klöster zur Kultur“, das jeweils Hans-Walter Stork verfasst hat. In den Beiträgen wird die Vielfalt monastischen Lebens deutlich sowohl hinsichtlich der unterschiedlichen Traditionen an der Schwelle von der Spätantike zum frühen Mittelalter als auch der Jahrhunderte, in denen europäisches Mönchtum mit „Benediktinertum“ gleichgesetzt werden konnte. Dass unter diesem Dach trotzdem eine große Pluralität herrschte, macht der Abschnitt B deutlich. Neben dem herausragenden Klosterverband von Cluny gab es die unterschiedlichen anderen regionalen und überregionalen Reformgruppen mit ihrem besonderen Gepräge, denen durch mehrere Beiträge der nötige Raum gegeben wird. Auch die anschließenden Kapitel zu den hochmittelalterlichen Reformtendenzen zeigen ein regional und thematisch differenziertes Bild bis hin zu den Zisterziensern als neuer Form des Ordenslebens auf der Grundlage der Benediktsregel.

Gerade in diesem Großkapitel wird die Bestrebung erkennbar, die Geschichte der Frauenklöster trotz weiterhin bestehender Forschungslücken und einer nicht immer günstigen Quellenlage ausführlich zu würdigen. Explizit widmet sich Rolf De Kegel dem Phänomen der Doppelklöster, Hedwig Röckelein der allgemeinen Lage der Frauenklöster zwischen Eigenständigkeit und Einbindung in männlich dominierte Reformverbände und Anja Ostrowitzki den Zisterzienserinnen. Auch in anderen Beiträgen wird versucht einen Bezug herzustellen, was als großes Plus des Bandes anzusehen ist.

Etwas isoliert in der ansonsten chronologischen Gliederung wirkt der abschließende, sehr instruktive Überblick zu Klöstern und Wirtschaft von Julia Bruch. Für die künftigen Bände wäre gegebenenfalls zu überlegen, analog zu den Ausführungen zum kulturellen Beitrag am Ende eines jeden Großkapitels einen Beitrag zum benediktinischen Wirtschaften in der jeweiligen Epoche anzuschließen. Zu dem ein oder anderen Beitrag wäre Bild- oder Kartenmaterial zur Veranschaulichung sicherlich hilfreich.

Diese Anregungen sollen aber die Leistung des beeindruckenden Bandes nicht schmälern. Wer sich beruflich oder aus Interesse mit dem benediktinischen Mönchtum beschäftigt, kann mit großem Gewinn auf das hilfreiche und vielfältige Kompendium zurückgreifen. Man darf auf die nächsten Bände gespannt sein.

Band 1: Von den Anfängen bis ins 14. Jahrhundert
St. Ottilien: EOS Verlag. 2022
645 Seiten
49,95 €
ISBN 978-3-8306-8131-1

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