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Marlene Assmann: Alles gut? Alles gut. Unsere unglaubliche Geschichte von Leben und Tod
Wohl jeder Mensch hat schon einmal einen sogenannten Schicksalsschlag miterlebt. Wenn der Tod mitten ins Leben kommt, werden Lebenspläne durchkreuzt. Wie kann ein Mensch sich den Weg zurück ins Leben frei denken und frei machen?
Um eine solche biografische Geschichte geht es in dieser Graphic Novel von Marlene Assmann. Sie schreibt dieses Buch an ihre Tochter Luka, damit die ihre Mutter kennenlernen kann, falls der Kampf gegen die Krankheit misslingt. Dabei sind die grafischen Darstellungen der Gefühle einer schwer erkrankten Person von besonderer Bedeutung: Die Symptome einer Gehirnerkrankung und deren Wirkung auf den Körper werden sehr eindrücklich beschrieben und grafisch dargestellt.
Dieses Buch beginnt mit der Akzeptanz der Krankheit und des von Narben gezeichneten eigenen Körpers. Nach dieser auch grafischen Selbstdarstellung beginnt die Geschichte des neuen Lebensabschnitts mit der Schwangerschaft der Verfasserin. Dann werden die ersten Symptome der Krankheit des Gehirns erfahrbar. Es folgt die für die werdende Mutter niederschmetternde Diagnose (48).
Wie die meisten überlebenden Menschen durchläuft sie dabei Phasen. Verleugnung ist eine typische Reaktion in der Anfangsphase einer ernsthaften Erkrankung. Durch die Schwangerschaft und die klaren Symptome ist dieser Teil des Prozesses wenig ausgeprägt. Die Akzeptanz des möglichen Todes tritt recht früh ein (54). Der durch das heranwachsende neue Leben gestärkte Lebenswille wird grafisch hervorragend umgesetzt. Die Motivation, für das eigene Kind zu (über)leben, wird beim Lesen körperlich spürbar. Der Kampf gegen die Krankheit beginnt, während gleichzeitig der Geburtstermin näher rückt. Mit der Zeit mehren sich die Symptome; der Kontrollverlust über das eigene Denken und den Körper ist ein einschneidendes Erlebnis und wird besonders drastisch dargestellt. Die Therapie beinhaltet Chemo- und Strahlentherapie und belastet den Körper außerordentlich.
Wut kann als nächste Phase auftreten, wenn die Realität der Situation eintritt (85). Jeder Mensch, der Zweifel oder Angst ausdrückt, wird als Gefahr empfunden. Das Klammern an die eigene Stärke und Hoffnung wird auf den nächsten Seiten sehr deutlich. Die Geburt der gesunden Tochter gibt neue Hoffnung. Doch die Symptome wie epileptische Anfälle und Gedächtnisverlust häufen sich (104). Aufgaben bei der Betreuung der Tochter nicht übernehmen zu können, nagen am Selbstbewusstsein (112). Die bedingungslose Liebe der Tochter Luka bietet Ausgleich.
In der Verhandlungsphase möchte die betroffene Person, mit der Situation umzugehen. Es können Versuche gemacht werden, mit höheren Mächten zu verhandeln oder Lebensänderungen vorzunehmen, um gegen die Krankheit anzukämpfen. Dieses Stadium zeigt sich in der Dankbarkeit für die schönen Momente mit der Familie. Auch Beten hilft – und die Taufe der Tochter Luka ist ein besonders schönes Erlebnis (142). Die Erleichterung durch positive Gefühle wird ebenso eindringlich beschrieben wie die Abstürze in Todesangst.
Schließlich kann die betroffene Person die Krankheit akzeptieren und Frieden darin finden. Das bedeutet nicht, dass aufgegeben oder die Krankheit gutgeheißen wird, sondern vielmehr Wege gefunden werden, um damit zu leben. Die Person kann sich darauf konzentrieren, das Beste aus der verbleibenden Zeit zu machen und Unterstützung von anderen anzunehmen. Die bevorstehende Geburt des dritten Kindes zeigt diese Lebensbejahung überdeutlich.
Dieses Buch ist eine Selbstbestätigung zum Weiterleben und in mindestens zweierlei Hinsicht hilfreich. Erstens regt es zur Selbstreflexion und zum Entwickeln von neuem Lebenswillen an: Der Umgang mit persönlichen Erkrankungen bleibt keinem Menschen erspart und jeder hat es in der Hand, ob er sich dem Selbstmitleid hingibt oder ob er sich der Realität stellt und sein Leben mit der Krankheit neu zu gestalten versucht. Medizinische Studien zeigen, dass eine Akzeptanz der Realität und ein sinnvoller Umgang damit erheblich zur Genesung beitragen, während Selbstmitleid das Immunsystem schwächt und den Verlauf der Krankheit negativ beeinflusst. – Zweitens bringt diese Graphic Novel mit den grafischen Darstellungen und den prägnanten Texten in einfacher Sprache den Angehörigen die Gefühle und die Lebenswirklichkeit der lebensgefährlich erkrankten Person nahe. Ob dieses Buch auch Kindern lebensbedrohlich erkrankter Eltern helfen kann, müssen diese selbst entscheiden. Warum Dinge so sind, wie sie sind, ist für kleine Kinder schwer verständlich. Eine Blaupause zum Umgang mit existenziellen Herausforderungen gibt es nicht. Hinweise zum Umgang damit sind in diesem Buch in jedem Fall enthalten.
Berlin: Verlagshaus Jakob & Stuart. 2024
189 Seiten m. s-w Abb.
22,00 €
ISBN 978-3-96428-218-7