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Martin Breul: Schöpfung
Wer über den Glauben, dass die Welt eine Schöpfung Gottes sei, Grundwissen vermitteln will, steht vor drei Herausforderungen: Es muss der Inhalt dieses Glaubens geklärt werden, man muss Rede und Antwort stehen auf die Fragen nach der Rechtfertigung dieses Glaubens und dessen Bedeutung angesichts gegenwärtiger Ansichten und Problemstellungen. Diesen Aufgaben stellt sich Martin Breul in seinem Buch „Schöpfung“.
Die dem Schöpfungsglauben zugrunde liegende Frage ist die nach dem Sinn des Seins. Dies zeigt er an den biblischen Texten auf. Die Schöpfungserzählungen bringen im Kern den Glauben zum Ausdruck, dass die Welt von Gott gewollt und Gott dieser frei geschaffenen Welt dauerhaft in Liebe zugewandt ist. Diese Zielrichtung der Erzählungen erklärt auch, warum deren Interpretation als historisch zu verstehende Texte auf Widersprüche innerhalb der Texte selbst stößt und diese von Grund auf missverstanden werden, wenn man sie historisch interpretiert. Das Neue Testament nimmt auf die Schöpfung insofern Bezug, als der eschatologische und soteriologische Sinn der Erzählungen aus christologischer Perspektive weiter verstärkt werden.
Im Folgenden durchdenkt Breul die verschiedenen Spielarten des Denkens über das Verhältnis von Gott und Schöpfung und deren Wirkung auf das Welt-, Gottes- und Menschenbild. Er beginnt mit der Schöpfung als „creatio ex nihilo“ und der „creatio continua“, die das Spannungsfeld der Transzendenz Gottes und dessen in Liebe der Schöpfung Zugewandtsein markieren. Es wird immer wieder betont, dass der Schöpfungsglaube auf das Verständnis der Welt in ihrer Beziehung zu Gott zielt. Weil es um die existenzielle Bedeutsamkeit dieser Beziehung geht, ist der Schöpfungsglaube als Theorie der Weltentstehung von Grund auf missverstanden.
Dieses Missverständnis gibt Anlass, sich mit dem Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften auseinanderzusetzen. Breul kann hier zeigen, dass beide Wissenschaften Wirklichkeit unter verschiedenen, nicht aufeinander reduzierbaren Aspekten betrachten, so dass sowohl Evolutionstheorie als auch Schöpfungstheologie widerspruchsfrei angenommen werden können. Versuche, die Welt als Gottes Schöpfung mit naturwissenschaftlichen Argumenten zu widerlegen oder zu begründen, untersucht er anhand der atheistischen Positionen von Daniel Dennett und Richard Dawkins sowie der des „intelligent design“. Es gelingt Breul nachzuweisen, dass die Ablehnung von Religion (Dennet / Dawkins) auf einem Naturalismus basiert, dem eine verabsolutierte, metaphysische Grundprämisse zugrunde liegt. Gott als eine naturkausale Größe zur Erklärung natürlicher Phänomene einzuführen, wie es in dem Gedanken des „intelligent design“ geschieht, wird als übergriffig aufgezeigt. Die Konsequenz ist das Verschwinden Gottes in den sich zunehmend verengenden Erklärungslücken der Naturwissenschaft.
In der weiteren theologischen Entfaltung wird deutlich, dass Breul daran gelegen ist, die Modelle des Denkens über Gott, dessen Transzendenz gegenüber der Schöpfung, aber auch dessen Zugewandtheit zu ihr zu bewahren. So weist er das deistische Denken ebenso zurück wie den Pantheismus. Auch der Panentheismus wird dem nicht gerecht. Das geeignetste Modell sieht Breul in der Trinität, die die Transzendenz Gottes gegenüber der Schöpfung bewahrt und gleichzeitig die Verbundenheit mit dem Menschen in freier Kommunikation verdeutlicht.
Die Bedeutung der Schöpfungstheologie für das Verhältnis des Menschen zur nichtmenschlichen Schöpfung untersucht Breul anhand des Anthropozentrismus. Weder eine beliebige Verfügbarkeit der Schöpfung für den Menschen noch eine Verkennung der besonderen Stellung des Menschen als Handlungssubjekt sieht er als gerechtfertigt an. Der Versuch, über eine „deep incarnation“ die ganze Schöpfung als Inkarnation zu verstehen, führt mindestens zu einem Panentheismus, wenn nicht zu einem Pantheismus.
Im abschließenden Kapitel wendet sich Breul den Handlungskonsequenzen zu, die sich aus dem Schöpfungsverständnis ergeben. Anhand der Klimakrise wird aufgezeigt, dass Schöpfungstheologie keineswegs die Ausbeutung der Natur legitimiert, sondern verantwortliches Handeln fordert und dafür auch eine Sinnperspektive bietet. Abschließend setzt sich Breul mit dem Transhumanismus auseinander, dem ein fragwürdiges Menschenbild zugrunde liegt, das Körper und Geist dualistisch versteht oder den Geist rein als materielle Größe fasst. Der Sinn besteht dann in der „Verewigung des Bestehenden“.
Das Buch von Martin Breul ist eine gelungene Darstellung der Schöpfungstheologie in ihrer Bedeutung für das Menschen-, Welt- und Gottesverständnis. Unvermeidliche Gegensätze, wie die Nähe und gleichzeitige Transzendenz Gottes, werden nicht einseitig oder in problematischen Kompromissformeln aufgelöst. Dies gilt auch für die Auseinandersetzung mit der Zentrierung auf den Menschen.
Dennoch eine Anregung meinerseits: Ich halte in dieser Diskussion die Bezeichnung „Anthropozentrik“ für den ausbeuterischen Umgang mit der Welt für problematisch: Es handelt sich eher um „Egozentrik“, weil dabei immer mit Menschen gerechnet wird, die nicht an den erreichten Zielen partizipieren, besonders kommende Generationen. Zu einer Anthropozentrik, so meine ich, gehört elementar die Verantwortung für den Lebensraum des / aller Menschen. Eine „Anthropo-de-zentrierung“ verkennt außerdem, dass jegliches „Interesse der Natur“ nur als vom Menschen antizipiertes Interesse denkbar und realisierbar ist.
In Bezug auf das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaften wäre zu bedenken, dass etwa bei Thomas v. Aquin Begriffe wie Ursache und Bewegung philosophische Begriffe sind, die über den naturwissenschaftlichen Gehalt hinausgehen.
Insgesamt hat Martin Breul ein lesenswertes Buch vorgelegt. Sehr hilfreich sind die das jeweilige Kapitel einleitenden Fragestellungen sowie die abschließenden Zusammenfassungen. Es hat zu Recht einen Platz in der Reihe „Grundwissen Theologie“. Wenn man die kontroversen Diskussionen zwischen religiösen, areligiösen und antireligiösen Vertretern kennt, dann mag man vielen dieses Buch als Basiswissen empfehlen.
Grundwissen Theologie
utb 6065
Paderborn: Brill / Schöningh Verlag. 2024
206 Seiten
20,00 €
ISBN 978-3-8252-6065-1