Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Martin Schleske: Werk I Zeuge. In Resonanz mit Gott

 

„Euer Herz straffe sich!“ Mit Martin Bubers Übersetzung von Psalm 31,25 ließe sich auch die Intonation des vorliegenden Buches beschreiben, das von Resonanzerfahrungen zwischen Werkstatt und gelebtem Glauben erzählt. Nach „Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens“ (2010), „Klangbilder. Werkstattgedanken“ (2011) und „Herztöne. Lauschen auf den Klang des Lebens“ (2016) nähert sich Martin Schleske, Geigenbaumeister und diplomierter Physikingenieur, mit „Werk I Zeuge. In Resonanz mit Gott“ (2022) erneut den wechselvollen Rhythmen von Handwerk und geistlicher Lebenskunst.

Schleske führt, wie er zu Beginn betont, in seinen 366 Texten (für jeden Tag des Jahres einen) keinen Dialog mit dem Leser, sondern lädt diesen dazu ein, an seinem „betenden Dialog mit Christus“ teilzunehmen: „Ich habe versucht, Worte für das zu finden, was sich zwischen Gott und mir abspielt“. Von dieser Zwiesprache, die Schleske „Lehrstunde“ nennt, geben seine Texte Zeugnis, ohne belehrend oder vereinnahmend zu sein. Er referiert auch keine angelesenen Erkenntnisse, sondern erzählt auf inspirierende Weise von dem, was er selbst „durchlebt, gehört, gesehen, berührt und durchlitten“ hat. Jeder Text besteht aus drei Elementen, die eng miteinander verknüpft sind: einer kurzen Überschrift, einem Zitat aus der Bibel und einer assoziativen Betrachtung dazu. Jeder neue Monat beginnt mit der Vorstellung eines Werkzeugs, das der Geigenbauer für die Ausübung seines Handwerks benötigt: Wölbungshobel, Schnitzer, Abstecheisen, Glasläufer, Polierlappen etc. Mit ihnen formt und bearbeitet Schleske die etwa 30 Geigen, Bratschen und Celli, die jährlich in seiner Werkstatt entstehen. Wenn ein fertiggewordenes Instrument zum ersten Mal erklingt, fließen bei den Auftraggebern nicht selten Tränen: „Der Klang berührt die Seele, und der Mensch beginnt, auf seinem Instrument zu singen.“ Das sind bewegende Momente für Schleske, in denen sich für ihn noch eine weitere Dimension eröffnet: „Diese Art der Erfahrung ist letztlich mit dem Begriff glauben gemeint.“ Wie die Werkzeuge des Geigenbaus sieht Schleske auch die Worte der Bibel: „Sie haben eine formende Kraft. Sie sind Werkzeuge des inneren Lebens.“

Mit großem Einfühlungsvermögen beschreibt er seine Erfahrungen, die stets einen ermutigenden und aufrichtenden Ton haben: „Wie in der Musik, so arbeitet auch der Geist nicht mit erzwungenen Schwingungen, sondern durch geistiges Resonanzgeschehen. Wir spielen mit. Stimme dein Herz – und lass dich spielen.“ Auch wenn es keine zusammenhängenden Kapitel gibt, sondern jeder Text für sich steht, lassen sich in den Ausführungen thematische Bögen entdecken. Von besonderer Intensität sind Schleskes Gedanken zu einer „Theologie der Verwundbarkeit“. Hier verbindet er seine spirituellen Einsichten vermehrt mit Arbeitsschritten des Geigenbauens, was an anderen Stellen leider oft zu kurz kommt: „Eine Welt, die nicht scheitern kann, ist wenig beeindruckend. Es ist jedenfalls mutiger und spannender, mit der Lackierung einer Geige durch Öllacke, komplementäre Pigmente, Anlösungen, Nussbeize, früh aufgetragenes Drachenblut und Krappwurzelpigmente ins volle Risiko zu gehen – in allem am Rande des Möglichen – und dann das fast abgestürzte Lackbild zu retten, als eine Geige borniert und abgesichert, ohne jede Überraschung und gänzlich uninspiriert herunterzulackieren. […] Wir können nicht einen göttlichen Lebenssegen wollen und zugleich ohne jene mutige Hingabe leben, die das kämpfende Beten heißt.“ Schleske formuliert nachdenklich, zugleich klar und prägnant: „Wichtiger noch als das Gebot der Liebe ist das Angebot der Liebe.“

Schon die dem Buch vorangestellte Widmung „Für Jesus“ legt nahe: Schleske sieht sich selbst als „Werkzeug“ und Resonanzkörper der Verkündigung, wenn er sich fragt: „Wie verstehe ich meine Mission? Erzähle, wer Jesus war. Aber mehr als das bezeuge, wer er in dir ist. Wenn er nicht zu deiner Lebenserfahrung geworden ist, hast du nichts zu geben. […] Wenn wir Jesus nachfolgen, haben wir keine Botschaft, die man banal zur Kenntnis nehmen kann, sondern eine Wirklichkeit, zu der wir einander inspirieren sollen, eine Erfahrung, die uns unmittelbar lehrt, weil es die Erfahrung Gottes ist.“

Werk I Zeuge“ ist ein sprachlich kraftvolles, bekenntnisreiches und zugleich kontemplatives Buch. Mehrere farbige Abbildungen, die etwas von der sinnlichen Kunst des Instrumentenbaus zeigen, sind in ausgezeichneter fotografischer Qualität abgedruckt. Ein ausführliches Stichwort- und ein Bibelstellenverzeichnis beschließen den Band. Das Buch ist ein Klangspektrum der besonderen Art, ein spiritueller Begleiter durch das Jahr, in täglicher Resonanz mit Gott – empfehlenswert!

München: bene! Verlag. 2022
640 Seiten m. farb. Abb.
26,80 €
ISBN 978-3-96340-240-1

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