Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Matthias Freudenberg / Georg Plasger (Hg.): Barth lesen

Karl Barth und seine Theologie gewinnbringend wahrzunehmen, wird nicht nur durch verschiedene (Vor-)Urteile – abstrakte Gedankengänge, endlose Sätze! – erschwert, sondern auch durch die Tatsache, dass sein Hauptwerk, die „Kirchliche Dogmatik“, an die 9.000 Seiten umfasst. Wer will sich das heute noch antun? Dass Barth ein humorvoller, leidenschaftlicher, pointierter, auf Verständlichkeit bedachter Schreiber und Redner war, der gerade in Predigt, Vortrag und Aufsatz zu großer Form auflief, ist weitgehend unbekannt. Da kommt das angezeigte Buch ganz recht, das ca. siebzig kürzere Textabschnitte aus verschiedenen Schriften Barths – darunter freilich auch die „Kirchliche Dogmatik“ – nach Themen geordnet vorlegt.

Den Anfang macht eine Sammlung biographisch gehaltener Texte und darauf folgen spezifisch theologische Themenfelder wie „Gottes Schöpfung und Bund“ oder „Kirche und Ökumene“. Den Abschluss bildet das Themenfeld der Predigt mit ansprechenden Beispielen. Die Texte sind überlegt ausgesucht und dargeboten. Sie zu verstehen bedarf keiner besonderen theologischen Qualifikation. Auch wenn manche Texte ein langsames Lesen erfordern, sind sie fern von allem theologischen Spezialwissen und regen zum Weiterdenken an. Den Autoren gelingt es dabei, nicht nur verschiedene Textformen – Predigt, Aufsatz, Interview etc. – zu berücksichtigen, sondern in ausgewogener Weise den frühen, „mittleren“ und späten Barth zu Wort kommen zu lassen. Die einzelnen Themenfelder sind zudem mit Einführungen versehen, die in wenigen Sätzen dem Leser eine Orientierung für die folgenden Texte geben. Dazu kommen noch ausgesuchte Bilder von Barth. Humorvoll zeigt das letzte Bild den großen Theologen, wie er Seifenblasen gen Himmel schickt – was machen Theologen denn anderes?

Das Buch ist wärmstens zu empfehlen, nicht nur für solche, die gerne mehr über Barth und seine Theologie wissen wollen, sondern auch für solche, die über allerlei Fragen – sei es hinsichtlich der Ökumene, des Verhältnisses von Kirche und Staat, der christlichen Ethik, der Theologie überhaupt – nachdenken und sich davon anregen lassen wollen. Beim Lesen der hier versammelten Texten Barths betritt man kein Museum und betrachtet vergangene geistige Erzeugnisse, sondern empfängt Impulse, die bis heute fast nichts von ihrer geistigen Schärfe und Frische verloren haben.

Aufschlussreich ist es, wie Barth, durch Erfahrungen im Umkreis des Zweiten Vatikanums bereichert, Studenten des Ökumenischen Instituts in Bossey den katholischen Umgang mit dem Dogma nahezubringen versucht: „Und so haben die Katholiken, die Laien und die Theologen, praktisch mehr Freiheit, als wir anderen denken. Was verboten ist, ist nur, Nein zu sagen. Aber es ist nicht verboten, es zu ‚interpretieren‘; es ist nicht verboten, es wegzulegen, indem man es bloß erwähnt oder mit Schweigen übergeht.“

Zentrale Texte seines Denkens
Zürich: Theologischer Verlag. 2019
345 Seiten m. s-w Abb.
26,90 €
ISBN 978-3-290-18209-0

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