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Michael Hainz: Pilgern. Hineinlaufen in Gottes Gegenwart
Das Buch von Bruder Michael Heinz SJ, Sozialwissenschaftler, Pilgerbegleiter und Jesuit, versteht sich als Einladung, auf den Spuren des Ordensgründers und Mystikers Ignatius von Loyola (1491-1556) zu pilgern. Mit dieser Intention lädt der Verfasser zu einer geistlichen Haltung des Pilgerns ein, macht mit der Spiritualität des Ignatius vertraut und leitet zu entsprechenden Übungen und Haltungen für eigene Pilgerwege an.
Das 95-seitige Buch gliedert sich in vier Kapitel, dem eine Einleitung vorangestellt ist. Das Kapitel 1 „Was ist das?“ versteht sich als eine Hinführung zum Pilgern im Horizont aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen. Dazu wird es in Beziehung zu den vielfältigen Phänomenen des spirituellen Tourismus und der Tourismusforschung gesetzt und unter der Fragestellung „Pilgern als Wandern plus x?“ gegenüber dem Wandern abgegrenzt. Mit Bezug auf Ergebnisse religionssoziologischer Pilgerforschung wird die Unterscheidung zwischen dem zeitgenössischen und dem alten Pilgern herausgearbeitet.
„Ein ferner Pilger, der noch heute zum Pilgern herausfordert: Ignatius von Loyola (1491-1556)“ lautet die Überschrift des 2. Kapitels. Darin stellt Hainz den Hl. Ignatius als Pilger vor. Dabei reflektiert er die Bedeutung der Erfahrungen, die dieser beim Pilgern gesammelt hat und leidvoll machen musste. Ignatius weist darauf hin, sich nicht auf äußerlich rituelle Pilgerpraxis zu konzentrieren, sondern den je eigenen Weg vor Gott zu entdecken (vgl. 40). Das Kapitel endet mit einer Wegbeschreibung des Camino Ignaciano von Loyola im Baskenland, über das Benediktinerkloster Montserrat nach Manresa bei Barcelona (47f.).
Kapitel 3 trägt den Titel: „Ein jesuitischer Pilgerrucksack: Spirituelle Übungselemente zum Pilgern“. Aus dem Schatz ignatianischer Spiritualität formuliert Hainz Anregungen für die Vorbereitung und das Pilgern aus christlicher Motivation: Das fängt beim Rucksackpacken und dem Start mit dem Pilgersegen an, sensibilisiert für das Erleben der Natur und die Zufallsbegegnungen auf dem Weg, erschließt die Bibel als Proviant und mündet ein in die Einübung in die Kontemplation und in das Gebet der liebenden Aufmerksamkeit am Abend.
Kapitel 4 lautet: „Pilgern – Gott in allem suchen und finden“. Als Fazit ignatianischer Pilgertradition und aus dem Fundus eigener Erfahrungen als Pilger und Pilgerbegleiter deutet der Verfasser das Pilgern existentiell für den Lebensweg (vgl. 76-79) als ein „Hineinlaufen in Gottes Gegenwart“.
Positiv ist zu würdigen, dass Michael Hainz die Pilgererfahrungen des Ignatius sorgfältig und systematisch rekonstruiert und für die gegenwärtige Pilgerbewegung aufbereitet hat. Seine Überlegungen greifen auf eigene Wegerfahrungen zurück und werden mit den Impulsen ignatianischer Exerzitien für das geistliche Pilgern im Sinne der Jesusnachfolge entfaltet. Das Büchlein enthält hilfreiche Anregungen für Menschen, die sich bewusst als christliche Pilger verstehen und dabei eine Hinführung für den persönlichen Zugang zur Begegnung mit Gott suchen. Nicht zuletzt ist die pneumatologische Akzentuierung (d.h. die Betonung des Heiligen Geistes) zu würdigen, die das Buch auch ökumenisch anschlussfähig macht.
Allerdings ist das zugrunde gelegte Konzept voraussetzungsreich und anspruchsvoll. Seine Lektüre setzt Vorerfahrungen mit ignatianischen Exerzitien bzw. eine Offenheit für diese Quelle christlicher Spiritualität und ein entsprechendes Reflexionsniveau voraus. An einer Stelle hat sich ein Fehler eingeschlichen: Das Gedicht „Stufen“ stammt nicht von Dietrich Bonhoeffer sondern von Hermann Hesse (19); zwei Mal findet man Aussagen (V. Turner und A. Delp SJ), auf die Hainz verweist, ohne sie namentlich zu nennen (23; 89). Das schmälert jedoch nicht den positiven Gesamteindruck.
Für mich ist es ein anregendes Pilgerbuch, das die Fachliteratur mit einem eigenen Profil ergänzt und bereichert. Ihre Lektüre empfehle ich Verantwortlichen in der Schulpastoral, Begleiterinnen christlich motivierter Pilgergruppen oder den Leitern von Pilger- bzw. Wanderexerzitien. Darüber hinaus wünsche ich mir das Buch im Rucksack von Pilgerinnen und Pilgern, die sich bereits mit ignatianischer Spiritualität vertraut gemacht haben oder diese kennenlernen möchten. Insgesamt hat der Verfasser es verstanden, die Pilgererfahrungen des Ignatius von Loyola als Schatz für geistliche Erfahrungen heute zu heben und unseren Lebenspilgerwegen geistlichen Tiefgang und Lebensqualität im Sinne der ignatianischen Tradition zu erschließen.
Ignatianische Impulse Bd. 97
Würzburg: Echter Verlag. 2023
95 Seiten
9,90 €
ISBN 978-3-429-05895–1