Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Michaela Rychlá: Der Glaube Israels. Emunat Jissraʾel

Ein Lehrbuch für Schule und Familie 
Band 1

Überarbeitete und erweiterte Neuausgabe
 
Gleich im Vorwort dieses Lehrbuchs für Schule und Familie betont die Verfasserin, dass sie ihre Aufgabe darin sieht, traditionelles Wissen weiterzugeben. In Ermangelung nennenswerter Lehrmittel nach der Schoʾa hätte die Verfasserin eigene Materialien für ihren Unterricht erstellt, welche sie nun allen Schülern, Lehrern und Eltern durch dieses Buch zugängig machen möchte.
 
Das Buch besteht aus fünf Kapiteln, welche das Gebet als Ausdruck des Glaubens und der Identität, den jüdischen Jahreskreis, die jüdische Familie, die Begegnung mit der Bibel und Schöpfung und Verantwortung zum Inhalt haben. Dass dieses Buch, wie Charlotte Knobloch im Vorwort schreibt, einzigartig ist, bemerkt man gleich zu Beginn, denn jeder zentrale Begriff eines Abschnittes erscheint auch in hebräischer Schrift, was einer Verbesserung der Hebräischkenntnisse sehr zuträglich ist. Im ersten Kapitel – Gebet als Ausdruck des Glaubens und der Identität – wird der jüdische G“ttesdienst ausführlich beschrieben. Die Erklärung, warum die Amida, das Zentralgebet, auch Schmone essre (Achtzehngebet) genannt wird, obwohl es neunzehn B’rachot (Segenssprüche) enthält, ist eine Frage, die sehr viele Schüler stellen. Im Abschnitt „Kabbalat Schabbat“ (Empfang des Schabbats) wird erklärt, warum man von der Schabbat haMalka (Königin Schabbat) spricht, warum zwei Kerzen entzündet werden und warum es die Pflicht der Frau ist, dies zu tun. Daran schließt sich eine kurze Beschreibung des Freitagabendg“ttesdienstes, der den Schabbat eröffnet bzw. empfängt, und der häuslichen Feier, der Kiddusch (Heiligung), mit den verschiedenen B’rachot. Sehr ausführlich wird Schacharit, der Morgeng“ttesdienst des Schabbats, erörtert, weil er der wesentliche G“ttesdienst der ganzen jüdischen Woche ist, in dessen Mittelpunkt die Kriat haTora (Toralesung) steht. Der Leser erfährt, womit die Torarolle geschmückt ist und wer zur Lesung aufgerufen wird. Der Abschluss dieses Kapitels behandelt das Schmaʿ Jisraʾel, (Höre Israel), welches nicht nur zu den Hauptgebeten zählt, sondern auch als jüdisches Glaubensbekenntnis betrachtet wird.
 
Im zweiten Kapitel – Der jüdische Jahreskreis – wird die Berechnung des jüdischen Kalenders erklärt. Dieses komplizierte System mit einem Schaltmonat wird pädagogisch exzellent aufbereitet. Daran schließt sich die Darstellung der Feiertage an. Es wird darauf eingegangen, warum Rosch haSchana (Neujahrsfest) auch Jom haDin (Tag des Gerichtes) oder auch Jom haSikaron (Tag des Gedenkens) genannt wird, und warum die Challot (Feiertagsbrote) für dieses Fest rund sind. Sehr ausführlich wird Jom Kippur, der große Versöhnungstag, erörtert. Der Leser lernt die Abfolge des G“ttesdienstes kennen und erwirbt Kenntnisse über die Gebete. Daran schließt sich eine Skizzierung der Vorschriften an, die an diesem Tag eingehalten werden müssen. Da kein Fest an einen jüdischen Haushalt so große Anforderungen stellt wie Pessach, beschreibt die Autorin sehr ausführlich die Vorbereitungen, angefangen vom Entfernen alles Chamez (Gesäuerten) über das Kaschern bzw. Koschermachen der Küchengeräte. Sehr wichtig ist die Anordnung des Sedertellers, auf welchem die rituellen Speisen angerichtet werden. Daran schließt sich die Erklärung der Pessach-Hagadda (Pessach-Erzählung vom Auszug aus Ägypten) an. Dem Pessachfest folgt nach fünfzig Tagen Schawu’ot, das Wochenfest bzw. das Fest der Gesetzesoffenbarung. Es wird dargelegt, dass eine besondere Schrift aus der Bibel, das Buch Ruth, zu lesen ist, und man erklärt, warum Milchiges gegessen werden soll. Der Leser erfährt weiterhin, wie eine Sukka (Hütte) am Laubhüttenfest (Sukkot) gebaut wird und warum der Feststrauß mit Etrog (Zitrusfrucht), Lulaw (Palmwedel) sowie Weiden- und Myrtenzweigen benutzt wird. Mit Hinweisen über Simchat Tora (Fest der Torafreude), anlässlich der Lesung des letzten Abschnittes im 5. Buch Moses, endet dieses Kapitel.
 
Das dritte Kapitel – Die jüdische Familie – erzählt die Geschichte von Awraham und der Aufforderung G’ttes, Jitzchak zu opfern. Die Autorin macht deutlich, dass gerade in dieser Geschichte die erste wichtige Botschaft des Judentums an die Menschheit enthalten ist.
Begegnung mit der Bibel – bzw. die Lehren des Judentums sind Inhalt des vierten Kapitels. Es wird erklärt, warum Juden die Bibel Tanach nennen und dass es neben der schriftlichen Tora auch eine mündliche Tora gibt, die als Mischna (Wiederholung der Gesetze) bezeichnet wird. Der Auflistung der Wochenabschnitte der Toralesung folgt eine kurze Inhaltsangabe der Tora, der Newi’im (Propheten) und der K’tuwim (Schriften).
 
Im fünften und letzten Kapitel – Schöpfung und Verantwortung – wird sehr kritisch dargestellt, dass es neben der Schöpfungsgeschichte der Tora auch andere Denkmodelle über die Entstehung der Welt und die Erschaffung des Menschen gibt, dass Juden sich aber auf die Aussage der Tora stützen sollen und moralische Verpflichtungen haben. Denn „der Ewige sah, dass es gut war, was Er erschaffen hat“ – aber was macht der Mensch aus der ihm anvertrauten Schöpfung? Die Verfasserin gibt hier gute Beispiele, um Kindern die Umweltsünden zu verdeutlichen. Sehr feinfühlig geht sie auf den Verlust der Moral in einer egozentrischen Welt ein und legt dar, dass die Tora, das g’ttliche Gesetz, den Weg zeigt, Achtung und Respekt vor der Schöpfung zu haben.
 
Was das Buch pädagogisch so wertvoll macht, sind die den einzelnen Abschnitten folgenden Aufgaben und Übungen, welche den Lehrstoff vertiefen und dem Schüler zeigen, dass er diesen beherrscht. Dass dabei mit genauen Seitenangaben auf den Siddur (Gebetsbuch) Bezug genommen wird, ist eine großartige Idee, denn nur so kann man Kinder damit vertraut machen. Hervorragend sind auch die blauen Kästchen mit der Anmerkung „Hast Du gewusst...?“, welche Hintergrundwissen vermitteln, ohne zu überfordern. Die schönen Abbildungen und die jeweils den einzelnen Abschnitten folgenden „Perlen der Weisheit aus dem Schatz der rabbinischen Literatur“ tragen ebenfalls zur Freude bei, welche Schüler und Eltern beim Lesen dieses Buches haben werden. Es ist aber auch Religionslehrern anderer Glaubensrichtungen zu empfehlen, um einen tiefen Einblick in das Judentum zu erhalten. Nur eines werden jüdische Leser dieses Buches bedauern, nämlich dass soe nicht selbst Schüler bei Frau Rychlà sind oder gewesen sind.

Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag 2016
151 Seiten m. farb. Abb.
24,90€
ISBN 978-3-95565-133-6

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