Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Myriam Wierschowski (Hg.): Markus Lüpertz

Malen mit dem Licht

Die tausend Jahre alte Kunst der Glasmalerei hat es in die Feuilletons gebracht: Nicht weil Könner wie Altmeister Johannes Schreiter oder Glasmaler der mittleren Generation wie Günter Grohs mit ihren Fenstern den Farbklang einer Kirche bereichert haben, sondern weil renommierte Maler wie Gerhard Richter im Kölner Dom, Neo Rauch im Naumburger Dom oder Imi Knoebel in der Kathedrale von Reims mit ihren Kirchenfenstern für Aufsehen gesorgt haben; jüngst wurden Fenster von Michael Triegel in Köthen und von James Rizzi in Essen öffentlichkeitswirksam geweiht. Von diesen „Künstlerfenstern“ unterscheidet sich das glasmalerische Werk von Markus Lüpertz in mancherlei Hinsicht.

Zu seinem 75. Geburtstag wurde der 1941 geborene Malerfürst, der als Maler, Grafiker und Bildhauer ein umfangreiches Werk geschaffen hat und sich nebenbei als Dichter und Free Jazz-Musiker versucht, mit Ausstellungen geehrt: einer großen im Museum Küppersmühle in Duisburg und einer kleinen im Deutschen Glasmalerei-Museum in Linnich. Dort sind in einer Sonderausstellung bis zum 22. Januar 2017 neben den nichtrealisierten Entwürfen eines Genesis-Zyklus‘ für die Kathedrale von Nevers (1990) und Abbildungen der Kirchenfenster in St. Marien in Lübeck (2002), St. Andreas in Köln (2005-10) und der Kapelle St. Martin in Koblenz (2009) autonome Glasbilder zu sehen; in jeder Hinsicht herausragend sind die großformatigen Glasgemälde „Kosovo“ und „Herbstfenster“, deren Entwürfe der Künstler dem Museum schenkte und die mit Hilfe von Sponsoren rechtzeitig zu Ausstellungsbeginn realisiert werden konnten. In Linnich wird offensichtlich, dass die Glasmalerei im Oeuvre von Lüpertz kein Nebenprodukt, sondern eine eigenständige Sparte bildet. 

Was charakterisiert das glasmalerische Werk von Markus Lüpertz? 2016 bekennt er in seinem Festvortrag zum 150-jährigen Bestehen von Derix Glasstudios in Taunusstein, das seine Fenster fertigt, sich nicht am Blau eines Yves Klein, sondern an dem der Sixtinischen Kapelle zu messen. Diese Aussage gilt analog für seine Glasmalerei. Herausgefordert fühlt er sich von den Glasmalern gotischer Kathedralen und klassischen Modernen wie Jan Thorn Prikker oder Georg Meistermann. In Anknüpfung an die gestalterischen und technischen Standards der Tradition möchte Lüpertz unverwechselbares Eigenes schaffen: Geradezu exzessiv nutzt er die Bleirute als kompositorisches Gerüst. Er beginnt mit dem Ornament, das in Spannung zu seinen zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion changierenden Motiven steht. Seine Pinselführung mit Schwarzlot und Silbergelb hat expressiven Charakter. Er verwendet mundgeblasenes Echtantikglas, setzt aber auch industrielle Gläser ein. Seine Glasbilder sind von einer intensiven Farbigkeit, die durch opake Gläser und schwarze Flächen gesteigert wird, ohne bunt zu werden.

Lüpertz‘ Kirchenfenster fügen sich in die architektonischen Gegebenheiten ein und akzeptieren die jeweiligen ikonographischen Vorgaben, was überzeugend die Arbeiten für St. Andreas belegen. Freilich setzt der Künstler eigene Akzente: So begegnet der hl. Martin nicht von oben herab dem Bettler, sondern ist von seinem Pferd gestiegen (Koblenz); für die nach langem Verfall wiedererrichtete Dorfkirche St. Anna und St. Katharina in Gütz (2013) hat er die Figuren des Wegschauers und des Wiederaufbauers erfunden. Lüpertz‘ Glasmalerei bewegt sich zwischen den Polen „Respekt vor den Geheimnissen des Glaubens und Radikalität in der künstlerischen Selbstbestimmung“ (Adam C. Oellers). Sie misst sich mit den großen Vorbildern und versucht, hier und heute gültige Kunst zu sein.

Der vorzügliche Ausstellungskatalog präsentiert das zwischen 1990 und 2015 entstandene glasmalerische Werk. In brillanten Aufnahmen – zum Teil en detail und durch ausklappbare Tafeln – werden die architekturbezogenen und die freien Glasarbeiten dokumentiert. Der Kunsthistoriker Adam C. Oellers gibt einen kenntnisreichen Überblick, die Museumsdirektorin Myriam Wierschowski interpretiert die 2016 entstandenen Fenster „Kosovo“ und „Herbstfenster“ als Varianten des Vanitas-Motivs. Auf dem beigelegten Leporello sind zwölf bislang unveröffentlichte Kartons der Entwürfe für Nevers abgebildet.

Wir dürfen auf die Realisierung des für St. Elisabeth in Bamberg vorliegenden Entwurfs gespannt sein. Die Kirchenfenster werden einen Vergleich mit dem Elisabeth-Zyklus Neo Rauchs provozieren: Wird sich Rauchs Malen auf Glas gegen Lüpertz‘ Malen mit Glas behaupten können?

Linnich: Deutsches Glasmalerei-Museum. 2016
120 Seiten m. farb. Abb. u. Leporello 
25,00 €
ISBN 978-3-946278-00-9

 

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