Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Peter Strasser: Ewigkeitsdrang

Ein österreichischer Philosoph i.R veröffentlicht wieder einmal und mit Verve etwas Neues. Doch welch seltsames Buch! Es will beruhigen: „Sei ruhig, unruhiges Herz“ – freilich regt es sich und den Leser auf, ja will so gegen den Zeitgeist kämpfen. Es behauptet religiöse Standards als bedeutsam – und gleichzeitig als unverstehbar; und der Text will bilderstark deren Realität als Erfahrung evozieren und grundlegen, will dem Leser die Augen öffnen. Strasser kombiniert Quietismus und Kritik falscher Verständnismuster. Es ist verwirrend.

Der Autor legt los mit einer Einübung in bescheidenste Verhältnisse: Die seien „immer ziemlich anders und genau gleich“. Dabei kann es nicht bleiben. Jetzt wird ein dialektisches Fliegengitter aufgebaut. Die sokratische kritische Einstellung, bestenfalls um sein eigenes Unwissen zu wissen, sei überhebliche Anmaßung und führe zur Ungenauigkeit. Denn wir könnten alles Verstehbare verstehen, es bliebe aber wegen unserer perspektivischen Beschränktheit notwendigerweise immer ein Rest, generalisiert zum „ontologischen Überschuss“, zu einem Horizont, von dem wir gelegentlich etwas erfahren, den wie aber nicht kennenlernen können. Der Akt, in dem die „Realität“ des ontologischen Restes wahrgenommen – genauer gesagt „geahnt“ – wird, sei ästhetischer Art: Erst nach dem Wegziehen des „Fernrohrs“ modernen Wissenwollens könne die Sehnsuchtsstruktur der Wirklichkeit sich zeigen – doch sie sei nicht Sensation, sondern – die Banalität.

Das ist zunächst wenig rätselhaft und ein bisschen kurz für 180 Seiten. Aufgefüllt wird der Text durch ein Potpourri aus Strassers umfangreichem Themenkatalog. – Unbenannt geht es auch um den Aufruf, die Welt müsse romantisiert werben, hier verbunden mit der Besonderheit, den Gegenstand der Romantisierung in der Welt der kleinen Dinge zu suchen; dies hat den Nebeneffekt, den ursprünglich kritischen Impuls der Romantik selbst zu banalisieren. Hervor tritt der Romantiker als grantelnder Senior in der „kleinen“ Lebenswelt einer österreichischen Kleinstadt.

Ergebnis soll der (im Buch nicht näher erläuterte) „Ewigkeitsdrang“ sein. Das Thema „Drang“ ist bekannt etwa durch den Autoren Bloch; dort hängt es zusammen mit der Hoffnung auf Befreiung von geschichtlich gewachsenen Zwängen. Geschichte ist freilich kein Thema in unserem Buch. Was aber drängt hier? Vielleicht das unsichere Verhältnis des Einzelnen zu seiner Lebenswelt? Das würde bedeuten, dass es sich um eine Gegenposition zu allen möglichen Zukunftsvisionen, und damit um eine Gegenposition zu Bloch, um eine entdramatisierte, weniger prophetische, eher weisheitliche Art von Philosophie handelt. Und damit befinden wir uns tatsächlich bei einer zeitgenössischen postmodernen Position: Es geht nicht mehr um Emanzipation und Identität, sondern um Ästhetik.

Und wieder kann eine Falle klicken. Wenn Ewigkeitsdrang nämlich im Format von Ästhetik bearbeitet wird, dann geht es nicht um Ewigkeit, sondern nur noch um eine Art menschenmöglichen Wahrnehmung. Da Menschen aber in ihrer Zeitlichkeit nicht über Erfahrungen mit Ewigkeit verfügen, endete die Diskussion im reinen Wortgeklimper – außer? Außer die zu diskutierende Aktion wäre selbst eine Art Wirklichkeitsvernichtung.

Wie kann eine solche Aktion aussehen? Es geht eben doch um Identität, allerdings im Modus der Ästhetik. Gesucht wird nach einer Aktion, die ganz die meine ist, und nicht absperrt oder Vorgeschriebenes wiedergibt. Zweierlei wäre die Voraussetzung für das Gelingen dieser Aktion: Sie müsste für die ganze Wirklichkeit die Tür offenlassen und ganz bei mir persönlich bleiben, ohne Überraschungen zu fürchten. Wir befänden uns im Reich der armen Spielmänner, der radikalen Entdecker, in Niemandsbuchten, in Paris/Texas. Wir wären unprätentiös und überaschbar, latent religiös: banal wir.

Wem kann man dieses Buch empfehlen? Nun, es ist starker Tobak. Die Lektüre fordert den Leser heftig. Für die theologische Ewigkeitsfrage bringt es wenig, für ein geistliches Werk behindern die philosophischen Exkurse, für ein philosophisches die recht strengen Stellungnahmen, im Unterricht kann ich das Werk auch nicht sehen. Begeisterte Leser könnte man eher in gebildeten Seniorenkreisen finden,

Wien: Sonderzahl Verlagsgesellschaft. 2024
181 Seiten
25,00 €
ISBN 978-3-85449-646-5

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