Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Romy Jaster / Peter Schulte (Hg.): Glaube und Rationalität

Schon der Titel dieser Sammlung von Aufsätzen weist darauf hin, dass Glaube und Rationalität nicht einfach konträre Begriffe sind, sondern, dass Glaube mit der Vernunft gemäßen Mitteln zu betrachten ist. Aus den Texten wird ersichtlich, dass hier eine schon fortgeschrittene Diskussion um die Thematik Theismus – Atheismus fortgeführt wird, in der bereits Thesen und Repliken ausgetauscht wurden. Die Fragestellung wird in der Einleitung dahingehend präzisiert, dass der Begriff „Glaube“ als Zustimmung zu dem Satz „Gott existiert“ und erläuternd „Gott“ als „Höheres Wesen“ verstanden wird, das mit den Bestimmungen „allmächtig, allwissend und allgütig“ ausgestattet ist.

Der Bezugsrahmen und der Anlass der vorliegenden Diskussion sind die Ausführungen Ansgar Beckermanns in seinem Buch „Glaube“, die er im ersten Artikel selbst noch einmal zusammenfasst. Auf ihn beziehen sich die einzelnen Autoren und am Ende kommt Beckermann selbst in einer Stellungnahme zu Wort.

Beckermann, der Glauben nicht für rational begründbar hält, führt in seinem „nüchternen Blick auf die Welt“ vor allem zwei Kernargumente an: (1) das Fehlen empirischer Belege, etwa die nicht nachgewiesene Wirksamkeit von Gebeten oder einer Christophorusplakette, und (2) die Tatsache von (grausamem) Leid. Auf diese Punkte wird auch in den Artikeln Bezug genommen.

Mit der Theodizeeproblematik beschäftigen sich vor allem Katherine Dormandy und Peter Schulte. Dormandy bemüht sich mit Mitteln der Stochastik zu erweisen, dass die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes unter der Bedingung, dass es grausames Leid gibt, nicht so gering ist, dass der Theismus von einer naturalistischen Position leicht abgewiesen werden könnte. Schulte argumentiert gegen den Theismus damit, dass er einerseits feststellt, dass es Menschen gibt, die ein schlechtes Leben haben („Unglücksraben“), und andererseits die moralische Zulässigkeit bestreitet, dass Gott Unglücksraben erschafft, auch wenn andere dadurch ein gutes Leben haben könnten.

Herman Philipse ist der Auffassung, dass gebildete Menschen ihre religiösen Überzeugungen um der Wahrheit willen aufgeben sollten. Er begründet dies durch die Verschiedenheit und die daraus folgende Inkompatibilität von religiösen Auffassungen, die vor allem durch die Eingebundenheit in verschiedene Kulturen und geschichtliche Zusammenhänge zustande kommt. Als die „epistemische Quellen religiöser Überzeugungen“ macht er den Erhalt göttlicher Nachrichten aus, was dann wegen der Unvereinbarkeit religiöser Inhalte zum Widerspruch führt. Zur Verdeutlichung unterzieht er Paulus unter Zuhilfenahme der lukanischen Konversionserzählung einer psychiatrischen Begutachtung. Sein Verständnis des Christentums scheint dabei einzig der Betrachtung evangelikaler Kreise zu entspringen mit der Folge eines naiven Bibel- und Offenbarungsverständnisses.

Für die Existenz Gottes spricht nach Christian Weidemann die kosmische Feinabstimmung (fine tuning). Sie muss aufgrund ihrer Unwahrscheinlichkeit als eine erklärungsbedürftige Tatsache verstanden werden und damit als ein möglicher Beleg für Gottes Existenz gelten.

In seinem Beitrag plädiert Holm Tetens für ein „vernünftiges Verharren auf einer Metaphysik“, wobei er unter Metaphysik die Weltauffassung versteht, die jeder Erfahrung zugrunde liegt, die etwas als etwas rational verständlich macht. Winfried Löffler geht in eine ähnliche Richtung wie Tetens. Anhand der „Weltbildsätze zweiten Typs“ kann er aufzeigen, dass die Plausibilität sowohl theistischer als auch atheistischer Standpunkte auf nicht beweisbaren Prämissen beruht.

Die dominierende enge Begrifflichkeit, insbesondere von Vernunft und Erfahrung, wird von Franz von Kutschera aufgebrochen, indem er einen rein instrumentellen Charakter der Vernunft in Frage stellt und auf die Intentionalität jeder Erfahrung hinweist. Er kann somit den Begriff der religiösen Erfahrung durch den Verweischarakter auf eine „größere Wirklichkeit“ bestimmen, den Erfahrungen für das Subjekt besitzen können.

Auf das ganze Unternehmen bezogen erscheint mir schon die in der Einleitung präzisierte Fragestellung problematisch. Zu leichtfertig werden theologische Begriffe, wie z. B. „Gott“ und „Offenbarung“, in philosophische übertragen und in ihrer Bedeutung dadurch verändert. Indem die wesentlichen Begriffe, besonders „Glaube“ und „Gott“, die ja Antworten auf existenzielle Fragen darstellen, in formelhafte Aussagen gefasst werden, wird ihr Bezug auf die zugrunde liegenden Fragestellungen übergangen.

Dass die Bedeutsamkeit der Wirklichkeit für ihr Verständnis wesentlich ist und nicht bloß ihre Funktionalität, kommt meist ausschließlich im Hinblick auf das Leid zum Ausdruck und der fragwürdigen Forderung, dass der Glaube, um seiner Rechtfertigung willen, jedes Leid als zweckdienlich erweisen müsse. Bei aller logischen und formalen Akribie, die für den Leser eine Herausforderung darstellen, bleibt, meiner Ansicht nach, der Mensch in seiner Ausrichtung auf Sinn und die Erfahrung von Endlichkeit zu wenig berücksichtigt. Dieses Buch erfordert die Bereitschaft, sich auf eine formalisierte, logische und mathematisierte Darstellung einzulassen. Es ist eine anspruchsvolle Lektüre, die mich sehr zum Nachdenken angeregt hat.

Gibt es gute Gründe für den (A)theismus?
Paderborn: mentis Verlag. 2019
203 Seiten
59,00 €
ISBN 978-3-95743-143-1

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