Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Sebastian Maly / Stefan Hofmann: Gott – dreifaltig einer

Das christliche Gottesbekenntnis gibt vielen Zeitgenossen Rätsel auf. Mit der Frage, wie das trinitarische Gottesbild als relevant, inspirierend und den Glauben vertiefend vermittelt werden kann, laden die beiden Autoren, Angehörige des Jesuitenordens, dazu ein, mit ihnen auf die Reise zu gehen. Es geht um Zugänge zu einem Verständnis dieses Geheimnisses in seiner persönlichen, existentiellen Bedeutung.

Den Anfang des Weges bildet die vielstimmige biblische Überlieferung (I.) über den Glauben und die Erfahrungen der ersten Christen: Das Zeugnis des Ersten Testaments vom Bundes- und Schöpfergott konkretisiert und vertieft sich in der Hoffnung auf Jesus Christus und seinen Weg. In seinem den Tod überwindenden Leben ist er zu Gott vorausgegangen. Seinen heiligen Geist erfahren die ersten Christen als inspirierende, verwandelnde Wirklichkeit.

Die Reise geht mit einem dogmengeschichtlichen Parforceritt (II.) weiter: Die gläubige Verehrung des einen Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist führt in den kontroversen theologischen Reflexionen der frühchristlichen Konzilien zu der begrifflichen Unterscheidung der Einheit des Wesens Gottes in der Verschiedenheit der drei Personen. Die abstrakten dogmatischen Begriffe „Ousia“ – „Natur“ im Sinne von „Wesen“ Gottes – und Verschiedenheit in Gott – verstanden als „Hypopstasis“, „Person“ – veranschaulichen die Autoren durch das Bild von dem einen Wasserstrom, der als Quelle, Fluss und See betrachtet werden kann.

Der Glaube an den einen Gott in drei Personen ist kein theoretisches Gedankengebilde. Er hat vielmehr für die Gotteserfahrung und das Glaubensleben vieler Menschen in der christlichen Tradition eine große Rolle gespielt. Deshalb folgen Ausführungen über mystische Zugänge zum dreifaltigen Gott (III.). Die hier aufbewahrten unterschiedlichen Erfahrungen und Bilder können heute dazu inspirieren, sich dem Geheimnis des trinitarischen Gottes zu nähern.

Dicht und anschaulich erläutern die beiden Autoren mystische Einblicke von fünf Personen aus der Geschichte des Christentums, unter ihnen die Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen. In ihrem Werk „Wisse die Wege“ schildert Hildegard ihre Visionen auch mit Bezug auf die Dreifaltigkeit Gottes. Die Miniatur, die zu einer Vision aus dem zweiten Teil von „Wisse die Wege“ gehört, ist dem Buch als farbige Postkarte zur persönlichen Meditation beigelegt: Der äußere Kreis ist als überhelles Licht dargestellt und symbolisiert den Vater, der innere als Feuer dargestellte Kreis den Heiligen Geist. Personal tritt als blaue Figur der Sohn hervor: Der dreieinige Gott ist ein konkretes Du, das uns in Jesus Christus begegnet. Zugleich erscheint er überpersonal und übergeschlechtlich, ein Du und ein Alles, ganz nahbar und doch ganz anders.

Das letzte Drittel ihrer Ausführungen (IV.) haben die beiden Autoren Stefan Maly und Sebastian Hofmann bewusst dialogisch angelegt. Sie präsentieren ihre persönlichen Fragen, Bilder oder Gedanken aus der Tradition unter der Überschrift „Eine Vielzahl von Bildern: Annäherungen an einen ‚komplexen Gott‘“. Auf den religionskritischen Vorwurf einer absurden Logik des christlichen Gottesverständnisses – eins ist drei, drei ist einer – antwortet der Philosoph Maly mit einem Gedanken des heiligen Augustinus. Dieser bringt die Verschiedenheit in dem einen Gott in Analogie zu dem einen menschlichen Bewusstsein, in dem sich Erinnerung, Verstand und Wille unterscheiden und aufeinander beziehen, zur Sprache.

Gegenüber diesem intrapersonalen Bild sind Maly interpersonale Bilder für seinen Zugang zur Dreieinigkeit Gottes wichtiger. Der zentralen Kennzeichnung „Gott ist Liebe“ (1 Joh 4,16) entspricht das von Richard von St. Victor inspirierte Familienmodell des dreieinigen Gottes: Als vollkommene Güte verschenkt Gott der Vater seine Göttlichkeit und bringt den diese Liebe empfangenden Sohn hervor. Ihre gegenseitige Liebe verbleibt nicht in egoistischer Zweisamkeit. Aus ihr geht der Heilige Geist hervor. Im Heiligen Geist, der dritten Person, erreicht die Liebe in Gott die Vollendung. Die Liebe, die Gott ist, strahlt nach außen, will das Nichtgöttliche einbeziehen und teilhaben lassen. Der Gott der höchsten Liebe ist „gesellig“, eine Metapher, die der reformierte Schweizer Pfarrer und Dichter Kurt Marti verwendet.

Den beiden Gesprächspartnern wird deutlich, dass ihre unterschiedlichen Zugänge zum Geheimnis der Dreieinigkeit Gottes mit den entsprechenden Bildern nebeneinander bestehen können. Sie sind möglich und legitim. Bescheiden konstatieren die beiden Autoren gegen Ende des Gesprächs, dass ihr Horizont menschlich begrenzt bleibt, und sind gespannt, welche Einsichten die Christen des 21. Jahrhunderts finden werden. Das Gebet zum dreieinigen Gott und das Nachdenken über ihn beginnen immer neu. Gott ist immer größer. Dieser Schlussgedanke des Gesprächs realisiert sich im respektvollen Umgang mit anderen Auffassungen. Er führt ins Gebet. Der Lobpreis Gottes in zwei Hymnen aus dem deutschen Stundengebet und aus der englischen Liturgie steht am Ende.

Das schmale Buch aus der Reihe „Ignatianische Impulse“ gibt vielfältige, faszinierende Anstöße. Die Reise mit den beiden Autoren lohnt sich. Ihr geistlicher Kern und ihr Kompass ist die Spiritualität des Ignatius; in dessen Spur laden sie zu konkreten meditativen Impulsen und Übungen ein. Die Fragen bleiben. Das lösen die Autoren ein, indem sie immer wieder mit Fragen konfrontieren. Denn alles kann studiert und bedacht werden – zur größeren Ehre Gottes.

Ignatianische Impulse
Würzburg: Echter Verlag. 2022
98 Seiten
9,90 €
ISBN 978-3-429-05747-3

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