Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Stefan Lorenz Sorgner: Transhumanismus

„Die gefährlichste Idee der Welt“!?

Was sich nach den ersten Seiten noch wie Sciencefiction anhört und an „Startreck“, „Bladerunner“ oder an Serien wie „Shadowrun“ erinnert, wird wohl schon für unsere Generation wirklich werden: die Manipulation von Menschen und teilweise Fusion mit der Maschine. Doch während die Labore und Wissenschaftsnetzwerke weltweit erste marktreife Produktlinien entwickeln, stellt sich eine weltverändernde Frage: Wer soll, wer kann dafür bezahlen? Frühere und bestehende ethische Diskurse werden durch diese Frage auf eine völlig neue Qualität geeicht. Bisher ging es in der Menschheitsgeschichte um die Verteilung von Besitz. Menschen sind, ausgenommen vom Besitz, relativ gleich. Es gibt nur geringe Abweichungen zwischen ihren Fähigkeiten, von krankheitsverursachten Behinderungen einmal abgesehen. Was dieses Buch darstellt, ist somit etwas völlig Neues. Ob der Transhumanismus das Gefährlichste ist, was der Menschheit bisher passiert ist, wird zu besprechen sein.

So wie der Autor darstellt, werden Menschen in den nächsten Jahrzehnten in der Lage sein, ihre psychischen und physischen Fähigkeiten um ein Vielfaches zu steigern. Abgesehen von hyperintelligenten Wissenschaftlern und weitsichtigen Schiffskapitänen führt dies zu einer ethischen und sozialen Frage: Wer ist Mensch und wer ist kein Mensch? Da sich nur ein Bruchteil der Menschheit diese Technologien wird leisten können, werden diese Individuen zur unanfechtbaren langlebigen Elite der Menschheit werden, ob sie es wollen oder nicht. Unsere Erkenntnisse über die Funktionsweise des menschlichen Geistes legen es nahe, dass diese Menschen sich früher oder später als „etwas Besseres“ begreifen werden. Wenn aber veränderte Menschen „besser“ sind, sind dann „normale“ Menschen schlechter? Sie können sich weniger gut erinnern, sterben eher und sind schwächer in allen Belangen. 

Nun liegt es nahe, diesen Zustand auch ethisch zu beurteilen: Transhumanismus bedeutet das Ende des Humanismus. Der Autor arbeitet den utilitaristischen und eugenischen Charakter dieses Konzeptes heraus: Im Transhumanismus ist ein Mensch nur so viel wert, wie er leisten kann. Ohne Modifikation, wenig Leistung und somit wenig Wert des menschlichen Lebens. Der Transhumanismus wird die Menschheit in bisher nie dagewesener Weise spalten in eine reiche, hochmodifizierte Elite und den Rest, dem nach der Ethik des Transhumanismus keinerlei Sinn und Existenzrecht beigemessen wird. In der menschlichen Geistesgeschichte gab es bislang wenige Konzepte, die der christlichen Ethik und dem christlichen Glauben an die Gleichheit der Menschen und die Nächstenliebe so sehr widersprochen haben! Was sich zuerst so vorteilhaft anhört, das Überschreiten des Menschlichen, ist in Wahrheit das Ende alles Menschlichen. Es ist die Fortsetzung der Eugenik mit anderen Mitteln unter nahezu denselben ideologischen Vorzeichen des 19. Jahrhunderts im 21. Jahrhundert. Insofern hat der Autor des Buches völlig Recht, wenn er dies die gefährlichste Sache der Welt nennt. 

Wie die Kirche und Christen weltweit mit dieser neuen Gefahr für das soziale Zusammenleben von Menschen umgehen soll, wird einer der bedeutendsten Diskurse dieses Jahrhunderts werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass, wie in den Diskursen zum Klonen, vollendete Tatsachen präsentiert werden, bevor ein solcher Diskurs breitenwirksam wird. Gerade deshalb ist von Bedeutung, ein entsprechendes Bewusstsein für diese Vorgänge zu entwickeln und sich über Konzepte wie den Transhumanismus zu informieren. Dafür empfehle ich dieses Buch.

Freiburg: Herder Verlag. 2016
207 Seiten
12,99 €
ISBN 978-3-451-34942-3

 

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