Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thea Caillieux: Eva und Adam – Adam und Eva. Das erste Paar in der Kunst

Schon der Titel von Thea Caillieux‘s Werk spricht Bände: Eva, die ewig Zweitgenannte, rückt vor Adam an die erste Stelle; Eva und Adam, links in roten Lettern gesetzt. Die klassische Reihung, Adam und Eva, in blauen Buchstaben rechts gefasst, verblasst daneben. Bilder bilden Bewusstsein. Wie Adam und Eva in der Kunst über nahezu eineinhalb Jahrtausende dargestellt wurden, bestimmte auch das gesellschaftliche Verhältnis von Mann und Frau.

Thea Caillieux‘s These: Der zweite Schöpfungstext mit der Erzählung vom Sündenfall stelle in der künstlerischen Darstellung den ersten bei Weitem in den Schatten. In einer kunstgeschichtlichen Zeitreise bringt die Autorin im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen, wie Eva als Sinnbild der Frau schlechthin immer stärker als jene Figur herausgearbeitet wird, der die eigentliche Schuld für den Sündenfall, und damit für jede menschliche Misere, zuallererst zuzuschreiben ist. Aus dem gemeinsamen Fall des ersten Menschenpaares, von beiden gleichermaßen zu verantworten, wird Eva zum Einfallstor der Sünde, weil ihr Rationalität und innere Stabilität abgehe, sie vielmehr Spielball ihres wankelmütigen Gefühlshaushaltes sei. In einer nächsten Etappe wird sie selbst zur Verführerin und beerbt die Schlange in dieser Rolle. Von der dienstbaren Gefährtin des Mannes im Barock mutiert sie zur männerfressenden Femme fatale, bis Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts diese frauenfeindliche Entwicklung mit ihrer Kunst bewusst machen, sie dekonstruierend offenlegen und, eher in Anlehnung an den ersten Schöpfungstext, einen ästhetischen Gegenentwurf vorlegen eines gleichberechtigten Miteinanders, abseits von Schuldfragen und Sündenunterstellungen.

Die kunsthistorischen Betrachtungen werden mit theologischen und philosophischen Informationen unterfüttert und durch literarische Einschübe vertieft, in den Thea Caillieux‘s kunsthistorische, sprachwissenschaftliche und pädagogische Professionen ein Gesamtbild weben nach dem Motto: Das biblische Paar wurde immer wieder so interpretiert, dass die Überlegenheit des Mannes gegenüber der Frau in Bild, Wort, Schrift, theologischer Lehre und wissenschaftlichen Erkenntnissen stets neu zementiert worden ist, als selbstverständliche, allgemeingültige Erkenntnis in das Wesen der Frau als Gefahrenquelle für Mannsein, Gesellschaft und Glaube.

Nicht nur kirchliche Auftragsarbeiten folgen diesem Erzählpfad, auch Werke, die sich aus dem religiösen Kontext gänzlich gelöst haben, beschreiten ihn. Der Horror vor einem Atomkrieg, apokalyptische Szenarien aus kollabierendem Klima, terroristische Bedrohung, das aus der MeToo-Debatte erwachsene Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit, das sind u.a. jene Hintergründe, die Künstler gegenwärtig immer wieder die biblische Erzählung von Adam und Eva aufgreifen lassen, um die Konsequenzen aus Schuldzusammenhängen ins Bild zu bringen.

Die Lektüre von Thea Caillieux‘s Buch regt Theologen an, den reichen Fundus exegetischer Erkenntnisse zum ersten und zweiten Schöpfungstext in eine bildmächtige Verkündigung umzumünzen, die aufdeckt, was Sünde, Paradiesverlust, Paradiessehnsucht, Erbsünde und Erlösung durch Jesus Christus für das Heute heißen könnte. So mag sich auch die Theologenzunft, nach dem Beuys´schen Diktum, jeder Mensch sei ein Künstler, zur Wort-Kunst ermutigt fühlen, welche Bilder wachruft, die Bewusstsein schaffen für das Verständnis von Menschsein in unseren Tagen. Wenn schon Künstler das biblische Thema immer wieder aufgreifen, um Gegenwärtiges zu erhellen, muss ihm etwas zeitlos Gültiges anhaften, das Theologen nötigt, sich ernsthaft mit ihm auseinanderzusetzen und es nicht, mit spitzen Fingern angefasst, abseits liegen zu lassen, nur weil ihm eine zwiespältige Rezeptionsgeschichte anhaftet.

Mit einem Vorwort von Thomas Knubben und einem Nachwort von Katinka Schweizer
Springe: zu Klampen Verlag. 2022
223 Seiten m. farb. Abb.
28,00 €
ISBN 978-3-98737-351-0

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