Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Hieke: Gott erscheint. Epiphanie und Theophanie im Alten Testament

Wenn man zu einem Buch von Thomas Hieke greift, kann man sicher sein, dass man solide alttestamentliche Exegese und Theologie finden wird, auf dem aktuellen Stand der Forschung und gut lesbar geschrieben. Das gilt auch für diese Studie, selbstverständlich einschließlich des Beitrags von Franziska Rauh, der sich nahtlos in das Buch einfügt.

Den Ausgangspunkt für die Studie bildete der Artikel „Epiphanie (AT)“, den Hieke 2015 im Online-Lexikon Wibilex veröffentlichte (https://bibelwissenschaft.de/stichwort/19940/). Deshalb ist an dieser Stelle ein Transparenzhinweis erforderlich: Das Lexikon erscheint bei der Deutschen Bibelgesellschaft. Als Generalsekretär dieser Organisation bin ich also von Berufs wegen davon überzeugt, dass das ein guter Artikel ist. Da das Online-Lexikon frei zugänglich ist, können Sie sich immerhin unmittelbar selbst ein Bild davon machen.

Vergleicht man den Artikel mit dem Inhaltsverzeichnis des Buches, dann deckt der Artikel etwa das erste Drittel des Buches ab: die Begriffsklärungen zu „Epiphanie“ und „Theophanie“, die hebräischen Begriffe, zentrale Texte und Konzepte und die als Gotteserscheinungen gedeuteten Phänomene wie Feuer, Gewitter, Erdbeben etc. Die entsprechenden Abschnitte wurden für das Buch laut Vorwort vollständig überarbeitet, ausgebaut und aktualisiert. Im Buch folgt danach ein langes Kapitel über „Gotteserscheinungen in den unterschiedlichen biblischen Textgattungen“, ein kurzer „Vorschlag zur Diachronie“ und schließlich eine „Theologische Auswertung“.

Wer nicht so genau weiß, warum man sich überhaupt mit dem Thema Epiphanie und Theophanie beschäftigen sollte, kann mit diesem Abschnitt beginnen. Nach Hieke geht es in der Epiphanie um „den Versuch zur Beschreibung der Interaktion zwischen dem Göttlichen (…) und menschlichen Aktanten, zwischen Schöpfer und Geschöpf (…). An sich und bei etwas distanzierterer Betrachtung ist diese Interaktion, dieser Kontakt nicht möglich. Dennoch wird in der Bibel von solchen Begegnungen erzählt, sie werden erbeten, sie werden für die Zukunft angekündigt. Diese Diskrepanz zwischen dem An-sich-Unmöglichen und dem Dennoch-davon-Sprechen führt zu den merkwürdigen und bemerkenswerten Texten, die in dieser Studie genauer angesehen werden“ (165).

Charakteristisch ist nach Hieke außerdem, dass die biblischen Texte die Gestalt Gottes nicht beschreiben, sondern stattdessen das vielfältige Wirken seiner Präsenz in den Vordergrund stellen. Auch in der Epiphanie oder Theophanie wird damit ein unmittelbarer Zugriff des Menschen auf das Göttliche verhindert.

Die verschiedenen Zugänge zum Thema, die sich durch die Konzeption des Artikels und die ergänzenden Kapitel des Buches ergeben, bringen eine gewisse Redundanz mit sich. Angesichts der Komplexität der Texte kann das aber helfen, die verschiedenen Aspekte nach und nach zu entdecken. Und wer das Buch zu einem konkreten Text zu Rate ziehen will, findet dazu am Ende ein ausführliches Bibelstellenverzeichnis.

Mit einem Beitrag von Franziska Rauh
Freiburg: Herder Verlag. 2024
192 Seiten
22,00 €
ISBN 978-3-451-39759-2

Zurück