Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ulrich Kropač / Ulrich Riegel (Hg.): Handbuch Religionsdidaktik

Die Bedingungen religiöser Bildung, speziell des schulischen Religionsunterrichts, sind heute geprägt von Aspekten der Pluralisierung sowie Säkularisierung des gesellschaftlichen Lebens, der nicht nur religiösen, sondern in vielfacher Hinsicht beobachtbaren Heterogenität der Schülerinnen und Schüler und einer Digitalisierung der Lebenswelt, die auch religiöses Lernen betrifft. Mit der erklärten Absicht, auf diese gegenwärtigen Bedingungen zu reagieren und eine dem entsprechende zeitgemäße Religionsdidaktik zu entwickeln, legen Ulrich Kropač und Ulrich Riegel in der Reihe Studienbücher Theologie des Kohlhammer Verlags 2021 das neue „Handbuch Religionsdidaktik“ vor. Auf 616 Seiten werden hier Grundlagen der Religionsdidaktik eines zukunftsfähigen Religionsunterrichts von verschiedenen Expertinnen und Experten verschiedener Konfessionen und Religionen entfaltet, wobei der Großteil der Autorinnen und Autoren naturgemäß Lehrstuhlinhaber und Dozenten der Religionspädagogik und damit Vertreterinnen und Vertreter der ersten Phase der Lehrerausbildung sind. Unter ihnen finden sich aber auch Fachleiterinnen und Fachleiter, die die zweite Phase der Lehrerausbildung mitverantworten, sowie Lehrerinnen und Lehrer selbst, die das Knowhow ihrer praktischen Berufserfahrung in ihre Beiträge miteinfließen lassen. Somit ist dieses Grundlagenwerk geprägt durch eine ökumenische und interreligiöse Perspektive sowie einer Ausrichtung an Adressaten in allen Phasen der Ausbildung.

Am Anfang des Bandes (I) steht eine Vergewisserung über den Gegenstand religiöser Bildung in der Schule, dessen Begründung und Bedeutung nicht nur im Spiegel kirchlicher Leittexte und des aktuellen Bildungsdiskurses, sondern auch im Hinblick auf ausgewählte Themen des gesellschaftlich-politischen Diskurses – Differenz, Geschlechter und Gender; Inklusion und Gerechtigkeit – reflektiert wird, aus denen B. Grümme in seinem Ansatz einer „aufgeklärten Heterogenität“ einen Paradigmenwechsel in der Reflexion des religionspädagogischen Diskurses und der „Mechanismen religionspädagogischer Praxeologie“ ableitet. Den im Religionsunterricht agierenden Personen widmen sich Beiträge, die zum einen die Professionalität und den besonderen Anspruch an die Lehrperson als Vertreter der Kirche reflektieren und zum anderen die Schüler in ihrer Identitätsentwicklung auch in religiös-weltanschaulicher Hinsicht als „Digital Natives“ (III). Ausgehend vom Selbstverständnis des Religionsunterrichts verschiedener Konfessionen und Religionen – die jüdische und die islamische Perspektive finden jeweils in einem Beitrag Eingang – in Deutschland (II) und von wissenschaftlich erhobenen Befunden zur Entwicklung des Religionsunterrichts (IV) werden Modelle des Religionsunterrichts u.a. auch in europäischer Perspektive (V) vorgestellt, wobei hier angesichts der eingangs konstatierten Heterogenität der Schüler das mittlerweile in vielen Bistümern bereits in variierenden Ausprägungen etablierte Modell des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts folgerichtig als zukunftstauglich gewertet wird, insbesondere wenn der so konzipierte Religionsunterricht sich perspektivisch auch interreligiösen Kooperationsformen öffnet.

Verschiedene Kapitel thematisieren im Anschluss an die so dargestellten Grundlagen die Praxis des Religionsunterrichts: Mit Korrelation, Kinder- und Jugendtheologie, performativem RU und konstruktivistischer Religionsdidaktik werden vier grundlegende religionsdidaktische Ansätze dargestellt (VI), wobei auch hier stets der dialogische Charakter eines zukunftsfähigen Religionsunterrichts betont wird. Bei den religionsdidaktischen Lernformen spiegelt sich dieser im ökumenischen und interreligiösen Lernen sowie bei Perspektivenübernahme und -wechsel als einer grundlegenden Kompetenz mit Blick auf unterschiedliche Themen des Religionsunterrichts wider. Die Aktualität des Werkes spiegelt sich darüber hinaus in einem Beitrag von Katrin Bederna zur Didaktik religiöser Bildung für nachhaltige Entwicklung, die den besonderen Beitrag des Faches zum öffentlichen Bildungsauftrag im Rahmen der Schöpfungsdidaktik und des ethischen Lernens hervorhebt. Die Einsatzmöglichkeiten und Anforderungen an Schulbücher für den Religionsunterricht werden im Kontext der Planung von Unterricht umrissen. Mit der Kompetenzorientierung und der Elementarisierung werden zwei wiederum in dialogischer Perspektive – von theologischen bzw. religiösen Inhalten auf der einen Seite und der Lebenswelt und den elementaren Fragen und Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler auf der anderen Seite – angelegte Grundprinzipien der Unterrichtsplanung sowie darüber hinaus noch Möglichkeiten und Bedeutung der Artikulation einer solchen Planung etwa in Unterrichtsverlaufsskizzen skizziert (VIII). Wenn in einem weiteren Kapitel (IX) exemplarische Lernwege für einen abwechslungsreich in methodischer und inhaltlicher Vielfalt gestalteten Religionsunterricht vorgestellt werden, kann dies nicht mehr als ein Blitzlicht auf die für das Fach besonders charakteristischen Medien und Methoden bieten und wird jeweils ergänzt durch maximal drei weiterführende Literaturhinweise. Wenn etwa am Ende des Beitrags von Viera Pirker zu Lernwegen in virtuellen Welten aus dem beinahe grenzenlos anmutenden Angebot einzelne Spiele und Websites erwähnt und deren Einsatzmöglichkeiten im Unterricht angedeutet werden, kann dies nicht mehr als ein „Appetizer“ sein. Hier wären Hinweise hilfreich auf Websites wie relilab, wo sich eine Vielzahl geeigneter digitaler Medien für den Religionsunterricht neben Grundsatzbeiträgen und Diskussionsforen zum Thema finden.

Die unterschiedliche Ausprägung des Religionsunterrichts in den jeweiligen Schularten wird thematisiert, wobei die einzelnen Beiträge des Kapitels (X) sich eher auf Schulstufen (Primarstufe, Sekundarstufe I und II) und nur auf zwei Schultypen (Berufliche Schulen, Förderschulen) beziehen und durch einen übergreifenden Beitrag zum Thema Inklusion ergänzt werden. Während hier also die Ausprägung von Religionsunterricht in Bezug auf unterschiedliche Altersstufen exemplarisch und in gebotener Kürze skizziert wird, wird anschließend in einzelnen Beiträgen der fachinterne Rahmen überschritten und nach der Bedeutung des Religionsunterrichts im Kontext von fächerübergreifender Kooperation, Schulpastoral / Schulseelsorge, Gemeinde vor Ort und Öffentlichkeit gefragt (XI). Dabei werden jeweils deutlich die Herausforderungen, Chancen und Grenzen einer Kooperation bzw. eines Überschreitens des unterrichtlichen Rahmens etwa durch schulpastorale Angebote oder das Durchführen eines Compassion-Projekts benannt. Das Handbuch schließt mit einem Blick auf die Religionsdidaktik als wissenschaftliche Disziplin in ihrer historischen Genese, ihrem Selbstverständnis als Wissenschaft, die zwischen Theorie und Praxis der religiösen Bildung angesiedelt ist, sowie auf die wesentlichen Formate der religionsdidaktischen Forschung (XII).

Die durchgängig dialogische Konzeption des Werks – in ökumenischer, aber auch interreligiöser Hinsicht – eröffnet eine Perspektive für einen zukunftsfähigen Religionsunterricht, die in der Praxis von Studium, Ausbildung und Unterricht durch entsprechende Kooperationen bereits erprobt wird, aber noch nicht ausreichend etabliert ist. Auch die aufgegriffenen Querschnittsthemen Heterogenität und Digitalisierung sind unabdingbar für die zeitgemäße religiöse Bildung. Das Handbuch verschafft als Gesamtlektüre einen Überblick über die wesentlichen und charakteristischen traditionellen wie aktuellen Aspekte der Religionsdidaktik auf unterschiedlichen Ebenen, ist aber auch als Nachschlagewerk mit weiterführenden Literaturhinweisen empfehlenswert, wobei der normierte Umfang der einzelnen Artikel zur Lesefreundlichkeit beiträgt. Das Handbuch Religionsdidaktik kann somit in allen Phasen der (Aus-) Bildung insbesondere von Religionslehrerslehrerinnen und -lehrer als kompetenter Begleiter empfohlen werden.

Kohlhammer Studienbücher Theologie Bd. 25
Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer. 2021
616 Seiten
42,00 €
ISBN 978-3-17-039030-0

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