Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Veit Neumann / Josef Kreiml (Hg.): Georges Bernanos und der Renouveau catholique

Das „Tagebuch eines Landpfarrers“ als herausragender Priesterroman

Der Pastoraltheologe Veit Neumann hat sich zur Aufgabe gemacht, die Literatur des „Renouveau catholique“, einer religiösen Erneuerungsbewegung im französischen Katholizismus des ausgehenden 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als genuin christliches Schrifttum neu zu beleben und ihr ein Comeback in der kirchlichen und literarischen Öffentlichkeit zu verschaffen. Im Jahre 2015 erschien Bernanos‘ „Tagebuch eines Landpfarrers“ in einer von Neumann besorgten und kommentierten Neuübersetzung. 2016 folgt ein Band mit Abhandlungen und Interpretationen zu diesem in den fünfziger Jahren in Deutschland viel gelesenen Priesterroman des prominentesten Autors des Renouveau catholique. Dabei erschöpft sich das Engagement des Herausgebers nicht in der literarhistorischen Aufarbeitung einer vergangenen Epoche katholischer Literatur, sondern es wird getragen von der Überzeugung, dass die Schriften dieser Autoren auch heute noch ihre existenzerschließende Kraft entfalten und Modelle religiösen Lebens bieten können.

Der vorliegende Sammelband enthält grundsätzliche Abhandlungen zu Georges Bernanos und dem Renouveau catholique (Teil I), Vorträge von Leo Scheffczyk zum Priesterroman (Teil II) und Einzelinterpretationen zu verschiedenen Aspekten des „Tagebuchs eines Landpfarrers“ (Teil III).

Grundsätzlich muss man allen Beiträgern ein hohes Maß an literarischer und theologischer Fachkompetenz, aber auch persönlicher Identifikation mit den im „Tagebuch“ aufgeworfenen religiösen Fragen bestätigen. Im Rahmen dieser Kurzrezension kann nur auf einige Aufsätze hingewiesen werden. Harald Seubert geht dem Einfluss von Blaise Pascal auf Bernanos nach. Unter dem Titel „Bernanos und das Mittelalter“ setzt sich Michael Neeke in einem sehr grundsätzlichen Beitrag mit der Interpretation des „Tagebuchs“ vor dem Hintergrund des jeweiligen Kontextwissens auseinander. Der Herausgeber Veit Neumann stellt die kritische Haltung des charismatischen Bernanos zur institutionellen Theologie dar und sieht sich in seinen eigenen Vorbehalten gegenüber einer akademischen Theologie bestätigt, der ein „eindeutig gelebter geistlicher Bezug“ fehle (134). Immer noch frisch wirken die Vorträge, die der junge Leo Scheffczyk in den frühen 50er Jahren gehalten hat. In ihnen untersucht er aus der Sicht des Theologen die Romane der damals populären christlichen Autoren (Georges Bernanos, Werner Bergengruen, Gertrud von Le Fort, Graham Greene) in Bezug auf ihr Priesterbild und das Wirken der Gnade. Denn für Scheffczyk ist die Literatur ein Weg zur Erkundung des Zeitgeistes und die christliche insbesondere ein Mittel, „den Sinn unseres Daseins auf dem Hintergrund der ewigen Wahrheiten zu erschließen“ (141).

Der dritte Teil des Sammelbandes enthält Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten des „Tagebuchs“, zur Spiritualität, zur Armut, zur Einsamkeit, zur Gnade, zur Symbolik von Brot und Wein u.a.m. Der Arzt Hans Mosser beschreibt die Krankheit des Landpfarrers, die Entwicklung der Medizin im 19. Jahrhundert und das Selbstverständnis der Ärzte in Frankreich zur Zeit von Bernanos. Es verwundert allerdings, von einem Arzt zu erfahren, dass Krankheit und Tod nicht „zum Wesen des Geschöpflichen, das Gott als gut intendiert hat“, gehören, sondern „erst sekundär akquirierte Attribute des postlapsarischen Menschen“ sind (432). 

Mit der Bedeutung des „Tagebuchs“ für die Kirche heute beschäftigt sich Christa Pfenningberger. Sie identifiziert dort „existentielle Schauplätze des menschlichen Lebens“ und sieht die zeitlosen Fragen nach „dem Guten und Bösen“, nach „Vergebung oder Rache“, nach „Liebe oder Hass“, „nach Gott und dem Menschen (sic!)“ gestellt. Zentral seien darüber hinaus für die christliche Existenz: Heiligkeit, Gnade und Barmherzigkeit. Dieses Fazit mag theologisch richtig sein, bleibt aber so allgemein und zeitlos, dass es auf die drängenden Fragen heutiger und künftiger Pfarrseelsorge keine befriedigenden Antworten gibt.

Schriften der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Pölten
Regensburg: Friedrich Pustet Verlag. 2016
464 Seiten
29,95 €
ISBN 978-3-7917-2835-3

 

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