Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Werner Schüßler: Vom Ich, der Liebe und dem Tod

 

Mensch zu sein und immer mehr zu werden, impliziert auch, ein Ich sein zu können, in Beziehung zu leben und mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert zu sein. Die philosophische Frage nach dem Ich, nach der Liebe und nach dem Tod behandelt der Autor in den drei miteinander verknüpften Kapiteln seiner klar gegliederten, nuancierten Darstellung.

Von Karl Jaspers‘ existenzphilosophischer Analyse grundiert, umkreist das erste Kapitel zentrale anthropologische Aspekte der Frage nach dem Individuum. Der Autor wehrt sich gegen rationalistische Einseitigkeiten hinsichtlich des Ichs. Er setzt sich deshalb anschaulich mit kybernetischen Verengungen auseinander. Das Leben des Einzelnen manifestiert sich in unterschiedlichen, aufeinander aufbauenden Seinsschichten. Der rationalistischen Betrachtungsweise des Menschen stellt Schüssler dessen Geistigkeit entgegen. Diese verweist den einzelnen Menschen über sich selbst hinaus in eine transzendente Dimension. Der Bezug zur Transzendenz kennzeichnet nicht nur Möglichkeiten des geistigen Individuums. Er stellt zugleich die Grundlage der Liebe dar.

Im zweiten Kapitel arbeitet Schüssler in Bezug auf das Phänomen Liebe unterschiedliche Schichten und Formen anschaulich heraus. Die Liebe betrifft zunächst die biologische und psychologische Konstitution des Einzelnen. Darüber hinaus beinhaltet sie dessen Ich-Du-Beziehung zum anderen und verweist schließlich auf die Relation zum ewigen Du, Gott. Mit Bezug auf Paul Tillich versteht Schüssler die christliche Agape als die Tiefendimension der Liebe. Das mit ihr verbundene notwendige Element der Libido bewahrt die Agape allerdings vor rationaler Einseitigkeit und Kraftlosigkeit. Im dritten Kapitel werden die Liebe und der Tod zueinander in Beziehung gesetzt. Die Sterblichkeit ist dem einzelnen spätestens in der Liebe zum eigenen Kind, aber auch schon durch den Tod besonders geschätzter und geliebter Mitmenschen bewusst.

Wie das Ich mit seinen unterschiedlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten und die gegenseitige Liebe ist auch die menschliche Endlichkeit offen hinsichtlich der religiösen Dimension: Die Botschaft Jesu, dass Gott jeden einzelnen Menschen bedingungslos liebt, beinhaltet für das Individuum zwei grundlegende existentielle Möglichkeiten: Der Einzelne kann sich selbst annehmen einschließlich des Unannehmbaren. Und er kann sich Gott im Leben, im Sterben und im Tod überlassen. So stiftet der christliche Glaube eine Hoffnung, die den Mut begründet, sich der objektlosen Angst vor dem bedrohlichen Nichtsein entgegenzustellen. Das Vertrauen zu Gott, der die Liebe ist, wird existentiell plausibel.

Aus philosophischer Perspektive meditiert Werner Schüssler die undefinierbaren Phänomene Ich, Liebe und Tod hinsichtlich ihrer Eigenart und in ihrem jeweiligen Transzendenzbezug. Das kurze Fazit am Ende des Buches hat die Überschrift „Die Welt ist nicht alles“. Der Autor versteht seine Darstellung als Beitrag zur Frage nach dem Absoluten. Sie stellt sich seit 2500 Jahren und lässt sich nicht endgültig beantworten. Philosophieren, das auch das Nachdenken über die Religion und den Glauben einschließt, besteht im Interesse am immer neuen Fragen. Schüssler sieht seine Aufgabe als erfüllt an, wenn man nach der Lektüre seines Buches mehr Fragen hat als zuvor. Es geht darum, die Fragen offenzuhalten, zum Fragen zu ermutigen.

Was unser Menschsein letztlich ausmacht
Würzburg: Echter Verlag. 2022
125 Seiten
12,90 €
ISBN 978-3-429-05748-0

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