Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Willeke Brouwer: Die Bibel. Graphic Novel

Haben Sie Erfahrungen mit dem Zusammensuchen von einzelnen kopierbaren Seiten mit verständlicher biblischer Sprache und erklärenden Illustrationen gemacht? Das alles kostet Zeit und Nerven. Schlagen Sie dieses Buch auf und Sie haben, was Sie brauchen.

Die Vorstellungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf die biblische Alltagswelt ist recht eingeschränkt, immerhin sind deren kulturelle Zusammenhänge ja mehr als 2000 Jahre alt. An diesem Punkt setzt das vorliegende Buch mit einer neuen Darstellung der kompletten Heiligen Schrift in Text und Bild an – und lässt sich auch ohne pädagogischen Bezug mit Gewinn lesen. Wer die Heilige Schrift noch nicht am Stück gelesen hat, kann dies mit Erkenntnisgewinn nachholen.

Das Hardcover-Buch „Die Bibel. Graphic Novel" der Autorin und Illustratorin Willeke Browder beeindruckt mit 446 Seiten und vier Zentimetern Dicke und stellt das gesamte Alte und Neue Testament vor. Dabei ist jede Seite mit schwarz-weißen Zeichnungen bebildert. Diese machen den Text leichter verständlich; Schaubilder liefern das notwendige Hintergrundwissen zum Verständnis der biblischen Alltagswelt. Kartenmaterial, z.B. zu den Reisen der Apostel oder den Grenzen des assyrischen Reiches, erleichtert das Hineindenken in eine lange vergangene Zeitepoche. Die grafische Gestaltung der Bauanleitung für die Arche Noah hat der Autorin sichtlich Freude bereitet.

Ein Inhaltsverzeichnis enthält statt der Namen der kanonisierten Bücher beider Testamente die bedeutendsten Akteure und Ereignisse: Dadurch sind diese für Nicht-Theologen leichter auffindbar. Es zeigt sich, dass die Verfasserin viel Zeit und Gedanken darauf verwendet hat, welches Wissen notwendig ist und mit Bildern dargestellt werden kann, um die Inhalte der Heiligen Schrift besser einordnen, verstehen und die Entscheidungen der Personen sowie Gottes nachvollziehen zu können. Das Buch Rut (171-176) mit der Geschichte von Boas ist ein gutes Beispiel dafür. Die Geschichte schließt mit Davids Stammbaum ab. Dann wird von Rut selbst zusammengefasst, dass Gott ihre traurige Geschichte als Flüchtling zum Guten gewendet hat und aus ihr einer der wichtigsten Könige des Alten Testaments, König David, hervorging. Durch diese Darstellung wird der rote Faden, der sich durch die Heilige Schrift zieht, gut verdeutlicht und ein erleichtertes Verständnis der Zusammenhänge ermöglicht.

Die Texte der Bibel wurden für diese Graphic Novel in gelungener Weise in moderne Sprache übertragen. Dabei wurden einige Bücher stark gekürzt. Dies macht in Anbetracht der Zielgruppe, z.B. für das Buch Numeri, durchaus Sinn. Die Illustrationen ermöglichen das Zusammenfassen von Textteilen über eine Grafik. Dabei hat die Autorin bewusst Akzente gesetzt, die aus Sicht eines Religionspädagogen Sinn machen. Die ausgewogene Darstellung von männlichen und weiblichen Figuren bei der Bildwahl fällt ebenfalls positiv auf. Der Verzicht auf Farbe erleichtert nicht nur das Kopieren für den Unterricht, sondern umgeht auch ein Problem von Graphic Novels aus dem US-amerikanischen Bereich: Sowohl das Alte als auch das Neue Testament enthalten nun einmal Textpassagen mit Gewalt, zu deren Darstellung die Farbe Rot zu umfangreich genutzt wird. Auch Akt-Szenen wie in der Genesis werden durch das Schwarz-Weiß-Format vereinfacht, ohne das Quellenmaterial einzuschränken.

Dabei geht das Buch sehr wohl auf die gewalttätigen Anteile der biblischen Schriften ein: „König Nebukadnezar macht keine halben Sachen. Sein Lieblingsspruch: Haut sie in Stücke." Sogar die Kinderopfer der Kanaaniter an Moloch werden erwähnt und mit einer Illustration des Stieraltars abgebildet. Die für Illustratoren herausfordernden Kreuzigungsszenen werden mit Geschick dargestellt. Die Darstellung schwieriger Inhalte ohne gewaltverherrlichende heroische Bilder ist ein großer Vorteil – gerade bei einer Verwendung im Unterricht. Denn wenn Jesus wie Superman durch die Tische der Geldwechsler pflügt und Schläge in alle Richtungen austeilt, kann dies kaum als gelungene Illustration gewertet werden. Theologisch wird Jesus klar als Jude profiliert und in Grafiken werden jüdische Feste wie Chanukka (364) und Sukkot (416) erläutert. Somit ist diese Graphic Novel mit seinen auslegenden und erklärenden Elementen auch aus theologischer Sicht gelungen.

Sie bietet exzellente Kopiervorlage zu allen Unterrichts- und Katechesestunden für Kinder und Jugendliche. Die Textgestaltung als auch die Illustrationen fördern das Verständnis der biblischen Überlieferung, des christlichen Menschenbildes und der zentralen theologischen Konzepte des Christentums. Auf der Frankfurter Buchmesse habe ich eine große Vielfalt von Graphic Novels zu biblischen Themen in den Händen gehalten, diese hat mir aus den genannten Gründen bisher am besten gefallen.

Aus dem Niederländischen von Sabine Reinhardus
Freiburg: Herder Verlag. 2023
448 Seiten – durchgehend s-w illustriert
40,00 €
ISBN 978-3-451-71655-3

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