Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Wolf-Friedrich Schäufele: Kirchengeschichte II: Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart

Die Monographie von Wolf-Friedrich Schäufele ist als Einführungs- und Überblickswerk zur Kirchengeschichte konzipiert und betrachtet die Zeit von ca. 1300 bis um 2000. In der Reihe „Lehrwerk Evangelische Theologie“ wird das Werk chronologisch an den Teil „Kirchengeschichte I: Von der Alten Kirche bis zum Hochmittelalter“ von Katharina Greschat anschließen, dessen Erscheinen für 2023 geplant ist. Die Reihe richtet sich insbesondere an Studierende der Evangelischen Theologie, Ziel der einzelnen Bände ist es, „gegenwartsbezogenes theologisches Grundwissen [zu] vermitteln“ (Vorwort zur Reihe, V). Über diese primäre Zielgruppe hinaus kann die Monographie aber auch Studierenden der Katholischen Theologie und weiteren Interessierten für einen (vertieften) Überblick vielfachen Erkenntnisgewinn bieten.

Das Werk ist in sieben Hauptkapitel gegliedert, die sich mit dem Spätmittelalter (1), der Reformation im deutschsprachigen Raum (2) und in Westeuropa (3), dem Konfessionellen Zeitalter (4), dem Pietismus und der Aufklärungszeit (5), dem „langen“ 19. Jahrhundert (6) und dem „kurzen“ 20. Jahrhundert (7) befassen; ein Schlusswort (8) rundet das Werk ab. Jedes Kapitel führt mit einem Überblick zur Epocheneinteilung und Begriffsgeschichte in die zentralen Ereignisstränge und die damit verbundenen Forschungsfragen des jeweiligen Abschnittes ein, am Ende ist jeweils weiterführende Literatur angegeben. Aus der Fülle der behandelten Themen seien im Folgenden nur wenige zentrale Felder herausgegriffen und einige exemplarische Beobachtungen angeführt.

Im ersten Kapitel zum Spätmittelalter stellt Schäufele u.a. die Ereignisse im Zusammenhang mit dem abendländischen Schisma (1378–1417), die Idee des Konziliarismus und die zunehmenden innerkirchlichen Reformforderungen sowie die diversen Ausprägungen spätmittelalterlicher Theologie und Frömmigkeit dar (1–52). In konziser Form legt der Autor damit die Grundlagen zum Verständnis der nachfolgenden Entwicklungen ab 1500.

In der folgenden ausführlichen Darstellung zu den Themen Reformation und Konfessionalisierung (54–222) werden nicht nur der Lebensweg und die Theologie Martin Luthers sowie die reformatorischen Umbrüche in Deutschland nachgezeichnet. Vielmehr richtet sich der Blick auch auf weitere Reformatoren und Gebiete, darunter die Schweiz, die Niederlande, Frankreich und England. So werden in gelungener Weise europäische Vernetzungen deutlich.

Ausführlich werden auch die Bewegungen des Pietismus und der Aufklärung (223–295) sowie die Erweckungsbewegung und die Entwicklung der evangelischen Theologie im 19. Jahrhundert (315–345) dargestellt. Damit bietet das Werk einen gelungenen und spannend zu lesenden Überblick über die protestantische Geistes-, Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte der Neuzeit. In der Darstellung des 20. Jahrhunderts liegt ein Schwerpunkt auf der Geschichte des Protestantismus im Nationalsozialismus, wobei insbesondere die historischen Wege von „Deutschen Christen“ und „Bekennender Kirche“ nachgezeichnet werden (405–433).

Einen besonderen Mehrwert bietet das Werk nicht zuletzt dadurch, dass der Autor mehrfach den Blick über die protestantischen Konfessionsgrenzen hinaus auf die Entwicklungen im katholischen Bereich richtet. Diese Seitenblicke machen das Werk gerade für konfessionsübergreifende Zugänge seitens der Leserinnen und Leser interessant. So werden im Kontext der Konfessionalisierung die Katholische Reform, das Konzil von Trient und die katholische Barockfrömmigkeit berücksichtigt (168–187). In der Darstellung des „langen“ 19. Jahrhunderts werden u.a. der katholische Ultramontanismus und das Erste Vatikanische Konzil (345–362), im 20. Jahrhundert das Verhältnis von katholischer Kirche und Nationalsozialismus sowie das Zweite Vatikanische Konzil (434–438, 475–487) betrachtet. Ergänzend ist ein kurzer Abschnitt zur Ökumenischen Bewegung angefügt (487–500), der das Kapitel zum 20. Jahrhundert abrundet.

Insgesamt verfolgt das Werk primär einen theologie-, geistes- und institutionengeschichtlichen Zugang, während sozial- und kulturgeschichtliche Aspekte etwas kürzer kommen. Die Darstellung ist gut lesbar und verständlich geschrieben, mehrere kommentierte Abbildungen und Karten sind dem Text zur Erläuterung und Vertiefung beigegeben. Ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein detailliertes Personen-, Orts- und Sachregister schließen das Werk ab. Allen Studierenden und Interessierten, die sich einen historischen Überblick insbesondere zur Entwicklung des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart – mit Seitenblicken auf die katholische Kirche – verschaffen möchten, kann die Monographie als hilfreiche Einführung dienen.

Lehrwerk Evangelische Theologie 4
Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2021
548 Seiten
48,00 €
ISBN 978-3-374-05484-8

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