
Bestellen
auf Buch7.de - sozialer Buchhandel
Wolfgang Beck: Sprung in den Staub. Elemente einer risikofreudigen Praxis christlichen Lebens
Wer den Buchdeckel dieses Essays öffnet, unternimmt den lohnenswerten Sprung in die Studier- und Denkstube von Wolfgang Beck, in der er pastoraltheologische Fragen mit persönlicher Reflexion verbindet und dabei der Leserin durchaus auch einen Einblick in den spirituellen Hintergrund seines wissenschaftlichen Arbeitens gewährt. An vielen Stellen möchte man geradezu mit ihm ins Gespräch kommen und einzelne Themen vertiefen.
Der Titel des Buches wirkt zunächst nicht sehr einladend, da Staub meist mit Negativem oder mit Vergänglichkeit assoziiert wird. Die Metapher „Sprung in den Staub“ stammt jedoch aus einem Hymnus von Silja Walter, in dem sie die Entäußerung des göttlichen Logos in der Inkarnation besingt (112). Damit offenbart der Autor seine theologische Grundbewegung.
Auf knapp 150 Seiten begegnen der Leserin zentrale Gegenwartsfragen aus kirchlichem und soziologischem Kontext und die Suche danach, wie diese Themen in ein christlich spirituelles Leben integriert werden können. So werden etwa aus der Perspektive des Subjekts das moderne Freiheitsverständnis, die Suche nach stabiler Identität (32) sowie überfordernde Pluralität (27) in fast allen Lebensbereichen thematisiert. Wir machen mehr und mehr die Erfahrung, dass gängige Narrative und Symbole der Stabilität nicht mehr hilfreich sind, so Beck.
In den einzelnen Kapiteln stellt er zunächst die identifizierte Problematik sowie die aktuelle Situation dazu vor und bedenkt beides. Anschauliche Beispiele erleichtern der Leserin das Verständnis. Im Übrigen lernt man durchgängig interessante Denkerinnen und Denker der Gegenwart aus Soziologie, Philosophie und Theologie kennen wie etwa Mario Perniloa, Andreas Reckwitz, Uta Pohl-Patalong, um nur einige zu nennen. Im Fortgang bringt Beck diese Themen mit der christlichen Überlieferung in Verbindung und zeigt Fehlentwicklungen in ihr auf. So etwa, dass „die Vielgestaltigkeit biblischer Jesusüberlieferungen in ein homogenisiertes Konzept einer Jesuserzählung im Singular überführt werden“ (56) und man der Meinung ist, damit die Risiken kirchlicher und theologischer Ambiguität domestizieren zu können. Beck hingegen denkt laut darüber nach und gibt wertvolle Hinweise, wie sich christlicher Glaube wieder als maximal risikoaffin bestimmen lässt (56). Er äußert sich durchaus kritisch zu manchen Kirchenstrukturen, die verhindern, dass die Kirche „ihre eigenen risikoaffinen Traditionselemente“ identifizieren und wieder würdigen kann (61). In seiner Reflexion dazu befragt er die biblische Tradition, nennt interessante exegetische Beispiele und blickt in die Bestände der kirchlichen Traditionen (87).
In den hinteren Kapiteln beleuchtet Beck differenziert und mit der gebotenen Sensibilität einige kirchliche Facetten. Debatten um Teilhabe, Zugehörigkeit (94) und Gemeinwohl werden aufgegriffen und mit eigenen Gedanken angereichert. Die von Papst Benedikt gezeichnete Bedrohung einer „Verweltlichung der Kirche“ stellt Beck der Tatsache gegenüber, dass sich in Jesus Christus die „Verweltlichung Gottes“ vollzog, und fordert eine „inkarnationstheologische Würdigung der Welt“. Gott sei der erste Risikoaffine (107).
Gewiss sind Becks Lösungsansätze nicht von jetzt auf gleich in der pfarreilichen Praxis umsetzbar. Das Büchlein enthält kein konkretes Konzept. Die Leserin ist vielmehr eingeladen, die aufgeworfenen Debatten selbst weiterzuführen und sich die Frage zu stellen, welche Haltung die eigene ist? Der Blick wird deduktiv, vom Ganzen hin zum je persönlichen Engagement geführt, so dass sich am Ende die Frage meldet, ob und wo man selbst als Christ den „Sprung in den Staub" wagt.
Ein Essay
Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag. 2024
152 Seiten
19,00 €
ISBN 978-3-7867-3373-7