»Das ist so meins: bei den Menschen sein zu können«
Die Königsskulpturen von Ralf Knoblauch berühren und erinnern uns an unsere eigene Königswürde – und daran, dass wir Menschen füreinander da sein sollen. Die Redaktion spricht mit Ralf Knoblauch über das Glück, seine Berufung gefunden zu haben
Die Frage stellte Ute Lonny-Platzbecker und Martin W. Ramb
Herr Knoblauch, Sie sind jeden Tag bei Ihren Königen oder in der Auseinandersetzung mit einem
immer wieder neu entstehenden König. Was treibt Sie an?
Meine Werkstatt ist auch meine Klausur, mein Raum, in dem ich auch mit meinem Gott
ringe. Das ist für mich im weitesten Sinne eine Art Gebet. Das ist dann schon ein sehr kontemplatives
Tun, das eigentlich nie unterbrochen wird. Nur am Wochenende mache ich eine
Pause. Freitag ist immer der letzte Vormittag und dann fange ich am Montag wieder an. In
den Ferien passiert manchmal mehr. Da nehme ich oft Holz mit und arbeite dann auch an
Königen.
Sie arbeiten handwerklich, verstehen sich aber bewusst nicht als Künstler. Wieso grenzen Sie sich
so scharf ab?
Ich kenne viele Künstler gut persönlich. Auch viele Bildhauer. Ich merke, wie sie unter
regelrechtem Kreativstress leiden. Um von ihrer Kunst überhaupt leben zu können, müssen
sie sich immer wieder mit ihren Werken präsentieren. Ich kenne diesen Kreativstress
in meinen Morgenstunden zum Glück nicht. Ich muss mich eben nicht wie ein Künstler
permanent neu erfinden. Natürlich gibt es auch Menschen, die zu mir sagen, dass ich doch
mal etwas anderes machen sollte als immer nur Könige. Aber das ist überhaupt nicht meine
Baustelle, ich will nichts anderes machen als diese Könige. Durch mein ritualisiertes und
kontemplatives Tun arbeite ich mich an ihnen ab. Ich gehe das so strukturiert und klar für
mich an, dass nach einer Stunde alles stehen und liegen bleibt, und am darauffolgenden
Morgen setze ich genau da an, wo ich aufgehört habe. Dieser Prozess läuft immer durch. Ich
mache das, was mir wichtig ist. Wenn meine pastorale Arbeit nicht wäre, mein diakonisches
Tun, dann wüsste ich nicht, ob die Könige noch da wären. Das ist schon eine gegenseitige
Abhängigkeit, aus der heraus das entsteht.
Welche Bedeutung hat in dem Zusammenhang die Vorstellung der Berufung für Sie?
Das ist schon nicht unbedeutend. Es ist ein Riesengeschenk, dass andere Menschen mir
die Möglichkeit gegeben haben, mein Charisma, so wie ich es praktiziere, leben zu können.
Meine Arbeit ist dabei für mich zu einer Art der Verkündigung geworden. Ich schaffe ja über
die Könige Räume, die christliche Botschaft in die Welt zu tragen. Dafür muss ich sehr vielen
Menschen dankbar sein. Aber es gibt auch Menschen, die darunter leiden, ihre Berufung,
ihr Charisma nicht leben zu können, weil die Bedingungen es einfach nicht zulassen. Dann
verkümmern solche Schätze. Demgegenüber lebe ich in einer sehr privilegierten Position
und halte mir das auch immer sehr klar vor Augen
Hat Ihre Art theologisch zu denken, Einfluss auf Ihre bildhauerische Arbeit?
Ja, ich glaube schon. Ich kann mich in der Skulptur wesentlich besser ausdrücken als im
geschriebenen Wort. Ich bin nicht der Mann, der die großen Reden schwingt oder die theologische
Argumentation für sich immer nach außen tragen muss. Ich gehe sehr schnell ins
sehr praktische Tun über. Dabei merke ich, je näher ich bei den Menschen sein kann, desto
mehr fühle ich mich auch in meiner Berufung geerdet. Das ist so meins: bei den Menschen
sein zu können.
Haben Sie bei der Herstellung der Königsskulpturen für sich persönlich einen Punkt definiert, wann
Sie am Ende Ihres kreativen Prozesses sind?
Ich habe im Vorfeld keine Skizze, aber ich habe im Kopf schon klar, ob ich an einem König
oder an einer Königin arbeite, oder ob ich das Geschlecht offenlasse. Und ich weiß immer
vorher, wo die Krone hinkommt. Das muss ich auch im praktischen Tun vorher klar haben,
denn wenn einmal etwas weg ist, ist es weg (lacht). Das Letzte, was ich den Königen und Königinnen
mitgebe, ist ihr Gesichtsausdruck. Damit endet im Grunde der Prozess. Es folgen dann natürlich noch die praktischen Sachen wie die Blattgoldbelegung und die Bemalung.
Eine besondere Rolle beim Entstehen der Königsfiguren spielen im Übrigen meine konkreten
Begegnungen mit Menschen und Situationen. Deswegen gibt es auch in dieser Fülle von
Königen und Königinnen besondere Werke, zu denen ich eine innigere Beziehungen habe
und die ich auch nicht loslassen könnte, die viel reisen, aber immer wieder zu mir nach
Hause zurückkommen. Aber es gibt auch andere, von denen ich mich leicht trennen kann –
diese können dann ihren Ort in der Welt finden.
Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, das Projekt Ihrer Königsfiguren sei zu verharmlosend, zu beschwichtigend
und würde das heiße Eisen Würde und Würdeverletzung nicht frontaler angehen?
Könnte nicht der Gedanke der Verharmlosung, der Beruhigung, der Verniedlichung aufkommen?
Verharmlosung würde ich nicht zulassen
wollen, weil die Königsfiguren in großen Themenfeldern
sehr politisch sind. Das drücke ich
dann auch durch Aktionen, Positionierung und
Solidarität aus. Das ganze Thema Populismus
und Rechtspopulismus ist zum Beispiel ein
Riesenthema. In Ostdeutschland sind Königsfiguren
unterwegs, wo Neonazis im Stadtrat
sitzen und die Leute mit den Königen vielleicht
als eine Art Mediatoren versuchen, mit
den Rechten immer wieder ins Gespräch zu
kommen. Das ist keine Verharmlosung, das ist
knallhart, wie da miteinander über ethische
Grundsatzfragen diskutiert wird.
Spielt das Thema Klimawandel bei Ihren Königen
auch eine Rolle?
Ja, das hat damit angefangen, dass Schülerinnen
und Schüler zu mir gekommen sind und
gefragt haben, ob sie die Könige einmal am
Freitag mit auf die Straße nehmen können zu
den »Fridays for future«-Demonstrationen. Das
befürworte ich sehr, weil hier die Frage nach
dem Menschen als Krone der Schöpfung mit einem König, der so auftritt, noch einmal massiv
infrage gestellt wird. Er will sich die Welt nicht untertan machen. Die Frage ist: Wie
schaffen wir es, uns in der Schöpfungsordnung neu zu verorten, um diesem Klimawandel
überhaupt noch etwas entgegensetzen zu können? Und dann sind Königsfiguren auch auf
Klimakonferenzen einfach als Impulsgeber in der Mitte, und Menschen werden angeregt,
aus christlicher Sicht über den Umgang mit der Schöpfung nachzudenken und einen Beitrag
zu leisten. Papst Franziskus hat mit Laudato sí eine wunderbare Enzyklika geschrieben.
Aber in der Praxis sehen wir keine Veränderung. Wir laufen gegen die Wand und sind genauso
machtlos wie die anderen. Da würde ich mir wünschen, dass die Frage der Würde und
der Verantwortung durch meine Könige noch stärker eingebracht wird. Das ist ein zentrales
Thema für die nächsten Jahre.
Auf den ersten Blick, wenn man die Hintergründe nicht kennt, kann ich das Missverständnis
verstehen, dass hier ein Thema verharmlost würde. Aber mir ist es immer wichtig, den
Hintergrund miteinzubeziehen, und wenn ich mich explizit positioniere, dann merkt man
das sehr schnell. Das ist etwas sehr, sehr Politisches und Ernsthaftes, dem meine Königsfiguren
ihren Impuls geben.
Welche Bedeutung können die Königsfiguren Ihrer Meinung
nach im schulischen Kontext entfalten?
Meine Erfahrung mit Schülerinnen und Schülern
ist, dass sich manche vielleicht erst ein bisschen
schwertun, aber wenn man sie pädagogisch gut einbindet
und gute Ideen und Impulse hat, dann ist
es ein Selbstläufer. Dann passiert sehr viel auf verschiedenen
Ebenen bei den Schülerinnen und Schülern,
die ja auch schon Erfahrungen im Umgang mit
Menschenwürde gemacht haben. Insofern können die
Könige auch im schulischen Kontext Impulse für das
Thema Würde, Würdeverletzungen und meine eigenen
Handlungsmöglichkeiten geben.
Sie übergeben Ihre Könige gezielt an einige Personen,
aber auch im öffentlichen Raum sind sie zu finden, dennoch
empfinde ich sie hier nicht als eine Art »Denkmal«.
Im weitesten Sinne sind sie in der Öffentlichkeit
sehr präsent: in vielen Hospizen, auf Palliativstationen,
in Krankenhauskapellen, in Gefängnissen. Sie
treffen dort auf Menschen, die z.B. ihre Angehörigen
besuchen. Es sind stets sehr fokussierte Orte, die die
Könige dann erhalten, sodass eine Kommunikation
auf Augenhöhe erfolgen kann. Mir ist es wichtig, dass
Menschen sich von den Königen ansprechen lassen,
ganz praktisch - nicht an dem König vorbeikommen,
um hineinzukommen. Es passiert dann auch etwas
mit den Menschen, davon bin ich überzeugt.
Wem würden Sie am liebsten Ihre Königsfigur überreichen,
wenn Sie sich eine Person aussuchen könnten?
Das hat noch keiner gefragt (lacht). Ich glaube, Greta.
Zur Person
Interview mit Ralf Knoblauch
1964 geboren in Bottrop, NRW / 1982 –1985 Tischlerausbildung /
1985 – 1988 Besuch des Clemens-Hofbauer-Kollegs in Bad Driburg zur Erlangung der Hochschulreife / 1989 – 1994 Studium der katholischen Theologie an der Ruhr-Universität Bochum / 1994 – 1997 Ausbildung zum Pastoralreferenten im Erzbistum Köln / 1997 – 2007 Tätigkeit als Pastoralreferent in Köln Longerich / Seit 2007 als Diakon in der Kirchengemeinde Thomas Morus im Bonner Nordwesten tätig; Knoblauch lebt mit Ehefrau und drei Kindern im Pfarrhaus von St. Laurentius in Bonn-Lessenich.