Bildung ist bekanntlich mehr als Wissen. Sie ist immer auch Bildung der Person. Kulturelle Bildung vermittelt kulturelle Kompetenzen und Haltungen, die dazu beitragen, dass Menschen ihre Persönlichkeit und ihre Potenziale entfalten können. Kulturelle Bildung trägt somit wesentlich zur Persönlichkeitsbildung bei und ermöglicht eine aktive Teilhabe am Leben der Gesellschaft. Kirche als Kulturträger und Initiator von vielfältigen Bildungsangeboten handelt daher diakonisch, wenn sie Menschen bildet und Gesellschaft kulturell gestalten will. Das Christentum war deswegen von seinen Anfängen an eine Bildungs- und Kulturreligion. Unser Bildungssystem ist bis heute stark christlich geprägt – von den Kindergärten, Schulen und Hochschulen über katholische Akademien, Erwachsenenbildung, Museen bis hin zu vielfältigen anderen Bildungsangeboten.
Der Vielfalt kultureller Bildung soll dieser Eulenfisch gewidmet sein. Wir verstehen kulturelle Bildung dabei als Ausdruck diakonischen Handelns von Kirche. Kirche bildet! Das Magazin will nicht nur die Begründung kultureller Bildung und Diakonie für Kirche aufzeigen, sondern auch, welche Formen sie konkret annehmen kann. Kulturelle Diakonie, so zeigt sich, ist ein zentraler Vollzug der Kirche und kann in einem erweiterten Kirchenverständnis sogar als eigener »Kirchort« verstanden werden.
Gerade in Zeiten allgegenwärtiger kirchlicher Transformationsprozesse in den Diözesen und einer tiefgreifenden Krise des kirchlichen Selbstverständnisses können kirchliche Kulturangebote somit als Hoffnungszeichen einer neuen Form des Miteinanders von Kirche und Welt werden. Daher haben wir das Bild der »Übergänge« als Titel für diese Ausgabe gewählt. Kultur kann Übergänge schaffen und Zwischenräume bespielen, sie kann Horizonte eröffnen und ins Weite führen. Sie bietet viele Möglichkeiten, mit Menschen auch außerhalb der kirchlichen »Blase« ins Gespräch zu kommen und dabei Rechenschaft von der Hoffnung der Christinnen und Christen abzulegen – und umgekehrt von Menschen unterschiedlichster religiöser und weltanschaulicher Überzeugungen zu lernen und mit ihnen gemeinsam unsere Welt menschlicher zu gestalten.
Sich diese Tatsache vor Augen zu führen, ist angesichts eilfertiger Sparmaßnahmen im kirchlichen Bereich von großer Bedeutung. Es geht in dieser Stunde darum, die kirchliche Infrastruktur kultureller Bildungsarbeit zu stärken und nicht (weiter) zu schwächen.
»Ich lasse mich von den Motiven finden« – dieser künstlerische Leitsatz des Fotografen Andreas List, dem wir das Titelbild verdanken, beschreibt treffend, was Bildung sein kann. Ereignis und Erleben, das uns für Größeres aufzuschließen vermag und uns ins Weite führt. Die Fotografien von Andreas List suchen das ungewöhnliche Detail und den besonderen Moment. Sie zeigen Gegenbilder und Kontraste von belebter und unbelebter Natur, die sich beim näheren Hinsehen ergänzen und gegenseitig interpretieren. Sie sind aus einer Haltung der Achtsamkeit und der Aufmerksamkeit für die unwiederbringliche Situation entstanden. Das Covermotiv zeigt die Rotunde des Robert-Kampe-Sprudels in Bad Ems. Es steht für einen mehrfachen Übergang: Vom Dunkel in das Blau des Himmels und vom Wasserstrahl in die gasförmige Wolke.