Das Erlebnismuseum zur Bibel
Am Sachsenhäuser Metzlerpark direkt hinter dem Frankfurter Museumsufer öffnet sich für Kinder und Jugendliche die Tür in eine andere Welt: das Bibelhaus Erlebnis Museum in Frankfurt/Main lädt zur Entdeckungsreise in die Welt der Heiligen Schrift ein
Zwischen den Wolkenkratzern des
Bankenviertels und großen Kunstmuseen
können Jung und Alt der Kultur
auf den Grund gehen – im BIMU Bibelhaus
Erlebnis Museum Frankfurt. Hier erschließt
sich die Welt vom Anfang unserer Zeitrechnung,
die Religion und Kunst, Kultur und
Literatur durch das »Buch der Bücher« – bis
heute – geprägt hat. Unsere vielfältige Gesellschaft
kann hier in den Spiegel schauen
und entdecken, wie sehr zum Beispiel die
»westliche Welt« in ihren Grundfesten vom
»Orient« geprägt ist. Die Bibel erschließt
sich als interkultureller Schatz, der Herkunft,
Kulturen und Religionen verbindet
und nicht trennt. Wie in einem Brennglas
offenbaren sich hier die Grundfragen der
Menschheit: Tod und Leben, Rache und Vergebung,
Besatzung und Widerstand, Liebe
und Geschlecht u.v.m. Archäologisch, interaktiv,
erlebnisreich und multimedial präsentiert
sich die Bibel hier in überraschendem
Licht – mitten in einer Stadt, in der Bücher
und Verlage zu Hause sind und die selbst
wie kaum eine andere vom Buch geprägt ist.
Erlebnisorientiert, interaktiv und multimedial
Schon vormittags füllt sich das Erlebnismuseum
auf drei Ebenen mit Schülerinnen
und Schülern aus dem Rhein-Main-Gebiet
und weit darüber hinaus. Nachmittags sind
Kommuniongruppen oder Firmlinge zu Besuch
und staunen: Der ehemalige Kirchenraum
ist nun mit Originalfunden aus dem
Heiligen Land rund um den Nachbau eines
Fischerbootes vom See Gennesaret in ein
geheimnisvolles Licht getaucht. Am Wochenende
kommen noch die Familien dazu:
Stundenlang lässt sich die Welt der Bibel
mit allen Sinnen entdecken. Beim Hissen
eines Segels, beim Überwerfen eines Pilgermantels
mit einer Gewandnadel, beim Wasserholen
am Brunnen oder beim Spinnen
eines Fadens – oder mit den Multimediastationen,
Modellen und Animationen, einem
Audioguide und einer QR-Code-Safari. Das
Online-Angebot mit Führungsformaten für
Jung und Alt, Videolinks, Interviews und
bibeldidaktischen Unterrichtsideen rundet
das Museumsangebot ab.
Originale Fundstücke aus dem Heiligen Land ansprechend inszeniert
Auch im BIMU, wie das Bibelhaus Erlebnis Museum
in Frankfurt heißt, gibt es wertvolle Bücher zu entdecken.
Doch der erste Eindruck vor Ort ist ein anderer:
Vitrinen, Schaukästen und Raumgestaltung
führen in die Welt vor über 2000 Jahren rund um den
Tempel in Jerusalem. Dank einer einmaligen Kooperation
mit der Israelischen Antikenverwaltung sind
seit dem Jahr 2010 über 350 authentische Fundstücke
aus dem Land und aus der Zeit Jesu in Frankfurt in
einer ansprechenden Inszenierung zu sehen. Dazu gehören
Reiseutensilien eines jüdischen Jerusalem-Pilgers
aus römischer Zeit wie auch Grabbeigaben und
Schmuckstücke aus der Heiligen Stadt. In Hörstationen
erzählen Pilger, Fischer, Römer, aber auch die verschiedenen
gesellschaftlichen Gruppen in Judäa vom Leben vor 2000 Jahren: die Sadduzäer am Tempel, die
Pharisäer in Galiläa, die Zeloten an der Felsenfestung
Masada. Eine reiche Frau, die in Jerusalem mit Blick
auf den Tempelberg wohnt, hat einen anderen Blick
auf die Dinge als Maria Magdalena, die als Jüngerin
von Jesus von Nazareth erzählt. Alles schart sich um
die Tempelanlage, die König Herodes vor 2000 Jahren
für das jüdische Heiligtum prächtig ausbauen ließ: Im
Museum lassen sich die enormen Maße der größten
umbauten Fläche der Menschheit in einem Modell im
Maßstab 325:1 und einer Videoanimation bestaunen.
»An originalen Fundstücken
wird die Aktualität der biblischen
Geschichten deutlich«
Schatzsuche rund um die dramatischen Ereignisse der letzten Tage Jesu
Besonders in den Erlebnisführungen für Jung und
Alt verknüpfen sich die archäologischen Gegenstände
eindrücklich mit den Geschichten der Bibel. In der
Lebenswelt des Neuen Testaments entdeckt eine Kindergruppe
anhand der Nachbildungen von Alltagsgegenständen
aus der Zeit Jesu spielerisch das Treiben
rund um das Passahfest vor 2000 Jahren in Jerusalem:
Eine römische Gewandfibel führt zu den Pilgermänteln,
die beim Einzug Jesu in Jerusalem wie ein
roter Teppich vor dem Eselreiter ausgebreitet wurden:
»Hosianna, gelobt sei, der da kommt im Namen
des HERRn« (Mt 21,8-9). Das Schofar-Horn gehörte direkt an den Altar vor dem Tempelgebäude im Hof der
Priester. Ein Silberling in der Währung des tyrischen
Schekels führt zu den Geldwechslern am Tempel und
Jesu »Tempelreinigung«: »‘Mein Haus soll ein Bethaus
sein‘; ihr macht eine Räuberhöhle daraus« (Mt 21,12-
13). Die Entsprechung zum frisch geschmiedeten Bau-
Nagel in den Händen der Schülerinnen und Schüler ist
ein grausiger Fund aus einer Grabhöhle in Jerusalem:
Hinter Glas ist der Abguss eines Fersenbeinknochens
mit Nagel aus dem 1. Jahrhundert nach Christus zu
entdecken. Daneben ist ein Holzpfahl aufgerichtet.
Hier informieren sich die Besuchenden über die Kreuzigung
als römische Strafe für Aufständische. Gegenüber
öffnet sich der Blick auf eine Grabhöhle mit
Funden aus einem Grab bei Jerusalem aus der Zeit
Jesu. Dort stehen Kalksteinkisten (Ossuare) mit Sonnenrad-
Symbol, in dem die Knochen der Verstorbenen
für den Tag des Jüngsten Gerichts aufbewahrt wurden.
Hier kommt die Gruppe ins Gespräch über die
Vorstellungen vom Leben nach dem Tod: »Was sucht
Ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier. Er
ist auferstanden!« (Lk 24,5-6).
Sturmstillung im Genosar-Boot
Seit mehr als 20 Jahren kann man im BIMU Frankfurt
den Nachbau eines spektakulären Fundes vom See
Gennesaret bewundern: 1986 fanden Fischer am Ufer
des Sees nahe der antiken Stadt Magdala das Wrack
eines Schiffsrumpfes. Es entpuppt sich als ein fast
9 m langes Boot aus römischer Zeit. Seit 2003 steht
der Nachbau dieses Bootes mit Ruder und Segel im
BIMU in Frankfurt. Alle Gäste des Museums sind eingeladen,
an Bord zu gehen. Bei einer Erlebnisführung
kann die versammelte Gruppe das Segel setzen und
im Boot eine der großen Mutmachgeschichten des
Neuen Testaments hören: die Sturmstillung Jesu. Mit
»Meerestrommeln« lässt sich in der Gruppe der Sturm
nachstellen – es bedarf dann eines Zeichens, dass der
Sturm im BIMU gestillt wird. Ein eindrückliches Erlebnis,
von dem viele noch Jahre später erzählen.
Erlebnispädagogik trifft Museumsdidaktik
Die 1816 gegründete Frankfurter Bibelgesellschaft
e.V. ist die Trägerin des BIMU Bibelhaus Erlebnis Museums.
Ursprünglicher Vereinszwecks vor 200 Jahren
war die Verbreitung und Erschließung der Heiligen
Schrift. Die inszenierten Räume schaffen überraschende
Zugänge zu den uralten Geschichten in der
modernen Welt. In Frankfurt zeigen Originalfunde
aus Israel von vor 2000 Jahren die Aktualität der biblischen
Geschichten: Arm und Reich, Besatzung und
Widerstand, Macht und Ohnmacht, Religion und Politik. Die gesellschaftlichen Umstände, unter denen die
biblischen Geschichten entstanden sind, zeigen, wie
aktuell die Botschaft von der Befreiung aus der Unterdrückung
ist – wie Gott sich in den Erzählungen
der Heiligen Schrift auf die Seite der Benachteiligten
und der Opfer von Gewalt stellt. Anhand des authentischen
Fundstücks, sei es eine Münze, ein Nagel oder
ein römischer Schlüssel aus der damaligen Zeit, erschließt
die Museumsdidaktik in Verbindung mit der
Erlebnispädagogik die Bibel und schlägt Brücken in
längst vergangene Zeiten, hin zu anderen Religionen
und Kulturen. Anhand einer entwidmeten Tora-Rolle
im BIMU, aber auch des Faksimiles der Großen Jesajarolle
von Qumran wird die Verbindung zum Judentum
besonders deutlich.
Interkulturelles Lernen im Erzählzelt
Die Reise in die Welt der Bibel führt im BIMU Frankfurt
noch tiefer hinein in die »Lebenswelt des Alten
Testaments« im Untergeschoss. Hier beginnt für viele
Gruppen der Besuch mit einer Begrüßungszeremonie
als Gast im Erzählzelt. Wer möchte, kann sich als
Gastgeberin ein orientalisches Gewand anlegen und
die Gäste mit dem Duft von Nardenöl willkommen
heißen: »Schalom! Friede sei mit Dir!« – Um als Gruppe
auf den Teppichen im Erzählzelt Platz nehmen zu
können, werden die Gäste gebeten, ihre Schuhe auszuziehen.
Das Erzählzelt ist ein großes Erlebnis für
Gruppen von Jung und Alt, aus der Schule wie auch
aus der religiösen Erziehung. Besonders eindrücklich
ist der Besuch des Erzählzelts mit interkulturellen
Gruppen. Im BIMU sind viele Schulklassen mit ganz
unterschiedlichen Herkünften zu Besuch, aber auch
Gruppen von Geflüchteten. An einer Basalt-Handmühle
aus der Stadt Be’erscheba in der Negev-Wüste hört
die Gruppe die Geschichte von Avram-Abraham-Ibrahim,
Sarai-Sarah, Hagar-Hajar, Ismael und Isaak-Ishak In gemischten Gruppen wird deutlich: Jüdinnen
und Juden teilen mit Christinnen und Christen sowie
mit Musliminnen und Muslimen die Geschichte der
Erzeltern aus dem Zelt: »Ich will dich segnen und du
sollst ein Segen sein« (Gen 12,2). Menschen, die im
BIMU zu Besuch sind, aber noch ihre Kindheit zwischen
Marokko und Afghanistan erlebt haben, können
davon erzählen, dass der Mühlstein der Ort des
Geschichtenerzählens ist. Die meisten jugendlichen
Gäste im Erzählzelt kennen das alles nur vom Hörensagen
– aber hier im BIMU wird deutlich, dass sich
unterschiedliche Kulturen und Religionen auf ähnliche
Geschichten beziehen. Bei allen Unterschieden
gibt es auch Gemeinsamkeiten. Der Friedensgruß am
Eingang, ob auf Hebräisch »Schalom!« oder auf Arabisch
»Salam!«, erinnert an das Ziel, das sich alle Religionen
gesetzt haben: Frieden auf Erden.
»Über 350 Fundstücke
aus dem Land und aus der Zeit
Jesu sind zu sehen«
Nicht männlich, nicht weiblich, sondern eins
Besonders aktuell, aber auch kontrovers sind die
Fundstücke aus frühgeschichtlichen Zeiten in Palästina-
Israel, die im BIMU Frankfurt zu sehen sind. Archäologinnen
und Archäologen haben in Behausungen
des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. – nach biblischer
Chronologie die »Königszeit Israels« – auffällig viele
weibliche Terrakotta-Figuren gefunden. Dies steht im
Kontrast zum biblischen Zeugnis, insbesondere zum
Bilderverbot der Zehn Worte/Zehn Gebote (Ex 20, Dtn
5). Im BIMU zeigt sich, dass die uralten Texte der Heiligen
Schrift erstaunlich offen sind für Fragen, die die
Menschen damals wie heute bewegen – nicht zuletzt
die nach der Bedeutung des Geschlechts. Im BIMU
kommen in Hörstationen Menschen zu Wort, die sich
nicht mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei
der Geburt zugewiesen wurde. Es ist erhellend, wie
sie die Bibel lesen, sei es nun die Erschaffung des
Menschen oder auch die Stelle im Neuen Testament:
»Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven
und Freie, nicht männlich und weiblich, sondern
ihr seid alle einer in Christus Jesus« (Gal 3,28).
Gutenbergpresse und Biblia-to-go
Schließlich zeigt das BIMU Frankfurt für alle Altersgruppen,
wie die Heilige Schrift nach Mitteleuropa
kam. In der Buchwerkstatt kann man eine mittelalterliche Handschrift einer frühen deutschen
Übersetzung des Neuen Testaments
mit kostbaren Buchmalereien entdecken
und eine »Raubkopie« einer Bibelseite auf
einer Druckerpresse drucken – wie vor 500
Jahren. Ein Erklärvideo zeigt, wie aus einem
Folioblatt ein Oktavheft mit einer frühen
deutschen Psalmenübersetzung von 1530
gefaltet wird: eine kleine Biblia-to-go zum
Mitnehmen. Auf dieser dritten Ebene des
BIMU kann entdeckt werden, wie stark die
deutsche Sprache von biblischen Mustern
geprägt ist.
So wird auf allen drei Ebenen des BIMU
deutlich, wie sehr die Heilige Schrift bis
heute unsere Sorgen und Fragen widerspiegelt.
Dabei gibt es im BIMU Bibelhaus Erlebnis
Museum das eine oder andere Bekannte,
aber auch Überraschendes zu entdecken.
Auf der Homepage finden sich auch Hinweise
auf aktuelle Ausstellungen, von denen
einige inzwischen auch für die Präsentation
in Schulen, Institutionen und Gemeinden
ausgeliehen werden können. So kommt das
BIMU auch zu Ihnen, um die Botschaft von
der befreienden Kraft Gottes zu unterstützen.
Zur Person
Pfarrer Veit Dinkelaker
ist Museumsdirektor des BIMU Bibelhaus Erlebnis Museum der Frankfurter
Bibelgesellschaft e.V.