Feeding the Planet. Energy for Life
Die im Oktober zu Ende gegangene Weltausstellung beschäftigte sich mit der Zukunft der globalen Ernährung. Die meisten Antworten enttäuschten allerdings. Die Pavillons der Vereinten Nationen und des Vatikans hinterließen jedoch einen starken Eindruck.
Die Mailänder Expo hatte sich viel vorgenommen. Wie können acht Milliarden Menschen auf unserer Erde in Zukunft ernährt werden? Und das umweltbewusst, nachhaltig und fair. Daneben drehte sich in Mailand auch alles um die Bewahrung der bedrohten biologischen Vielfalt, der sog. Biodiversität. An ökologisch korrekten Schlagworten herrschte generell kein Mangel. Die Antworten der 147 Nationen und internationalen Organisationen auf die bedrängende Menschheitsfrage fielen aber meist eher bescheiden bis einfallslos aus.
Gar nicht einfallslos und meist auch nicht bescheiden war die Architektur vieler Länderpavillons, die sich in extravaganten Konstruktionen überboten. Leider vermisste man bei den meisten Pavillons eine bei diesem Thema eigentlich zu erwartende Ernsthaftigkeit. Als Besucher des Expogeländes konnte man sich des Eindrucks einer gigantischen Tourismus- und Lebensmittelmesse nicht ganz erwehren. Allerorten gab es etwas zu verkosten. So stand die kulinarisch gastronomische Seite der Ernährung häufig ungebührlich im Zentrum der technisch aufwendigen Präsentationen. Wegen meist riesiger Warteschlangen musste sich der Expobesucher sehr in Geduld üben, bis er auf seine Kosten kam. Meist waren Restaurants den Pavillons angeschlossen. Landestypische Gerichte warteten auf neugierige Münder. Völlig irritierend war die Präsenz großer Lebensmittelkonzerne, wie Nestlé und McDonalds, die auch als Sponsoren auftraten. So stellte der weltweit größte Nahrungsmittelkonzern Nestlé das Kaffeepulver für den Schweizer Pavillon und durfte im Gegenzug damit werben, dass Nestlé 400.000 Bauern in 14 Ländern hilft, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.
»Die wirkliche Weisheit, die aus der Reflexion, dem Dialog und der großherzigen Begegnung zwischen Personen hervorgeht, erlangt man nicht mit einer bloßen Anhäufung von Daten, die sättigend und benebelnd in einer Art geistiger Umweltverschmutzung endet.« (Laudato si’, 47)
Ganz anders der Pavillon Zero der Vereinten Nationen. Schon das Motto des kolossalen Pavillons machte neugierig: „Divinus halitus terrae“ – der göttliche Atem der Erde. Hier wurden die richtigen Ausrufezeichen gesetzt. Es geht bei dem Thema Ernährung ums Ganze. Es geht um nicht weniger als um das Überleben der Menschheit, die wir durch unsere Art zu leben aufs Spiel setzen. Die Bezeichnung „Zero“ für den Pavillon der UN stand für das Schwerpunktthema der UN „Null Hunger“. Im Inneren konnte man eine beindruckende Reise durch die Kulturgeschichte der Menschheit erleben, die vor einem 24 Meter langen und 50 Meter hohen „Archiv des Wissens“, das einer gigantischen Bibliothek glich, begann und in einem Raum endete, der die Vision einer Harmonie und eines gedeihlichen Miteinanders von Mensch und Natur in großen poetischen Videoprojektionen beschrieb. Im Mittelpunkt des großartigen Pavillons stand ein Baum des Lebens als Ursprung und Ziel aller Entwicklung.
»Gott hat ein kostbares Buch geschrieben, dessen Buchstaben von der Vielzahl
der im Universum vertretenen Geschöpfe
gebildet werden.« (Laudato si’, 85)
Seit der ersten Weltausstellung betei-
ligt sich auch der Vatikan an der globalen Schau. Die Bibelzitate „Nicht nur vom Brot allein“ und „Unser tägliches Brot gib uns heute“ stehen in 13 Sprachen auf dem architektonisch auffälligen Pavillon, der im Inneren einen spannenden Dialog über das Themenfeld Hunger, Ernährung und Religion führte. Der Besucher blickte zunächst beim Eintritt auf einen Wandteppich von Peter Paul Rubens „Die Einsetzung der heiligen Eucharistie“, der in einem deutlichen Kontrast zum Rest der Installation stand. An einer Wand waren beeindruckende Fotos zu sehen, die Gesichter des Hungers zeigten. Eine andere Wand nahm die Besucher über eine Multimedia-Installation auf eine Reise über fünf Kontinente mit, die das Thema Hunger und Ernährung in kleinen Videoclips bearbeitete. Im Zentrum des Pavillons stand das Herzstück der Ausstellung: ein interaktiver Tisch, der das umfassend christliche Verständnis von Nahrung und Ernährung bildstark in Szene setzte. Der Tisch, die Mensa, die Feuerstelle als Orte der Gemeinschaft und des Zusammenlebens. Die Mensa als Tisch der Armenspeisung, als Ort der Einladung, des Teilens und der Solidarität. Der Tisch aber auch als Ort des Studiums, der Sättigung des Geistes. Zugleich auch Ort der Begegnung mit Gott, an dem Gott den Menschen nährt mit seinem Brot. All das wurde über Projektoren auf einem langen Tisch, der auch an den Tisch des letzten Abendmahls erinnern konnte, gezeigt, die Besucher wurden in das Geschehen interaktiv einbezogen und dabei zugleich auf eine Reise zu ihrer ganz persönlichen Tafel des Lebens geschickt, die ihr Leben geformt hat und die zu ihrer Identität gehört. Der Tisch als Symbol des Lebens in Gemeinschaft.
Unsere Fotostrecke „Expo 2015“ kontrastiert Impressionen vom Weltausstellungsgelände mit Zitaten aus der jüngsten Umweltenzyklia „Laudato si’“, die den schönen Untertitel trägt: „Über die Sorge für das gemeinsame Haus“. Das Vorwort zur italienischen Ausgabe der Enzyklika von Papst Franziskus stammt übrigens vom Gründer der Slow Food Bewegung, Carlo Petrini. Slow Food steht seit ihrem Bestehen Ende der 80er-Jahre für Genuss und bewussten Konsum, für die Verwendung regionaler Produkte, für eine sorgfältige Produktion von Lebensmitteln und für einen achtsamen Umgang mit den Ressourcen. So schützt das internationale Projekt „Arche des Geschmacks“ weltweit über 2.000 regional wertvolle Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen vor dem Vergessen und Verschwinden. Franziskus und Petrini geht es um ein gutes Leben im Einklang mit Mutter Erde und um einen anderen Begriff von Fortschritt, kurz, um einen neuen Lebensstil. Auch in Umweltfragen weiß der Papst aus Argentinien zu überraschen und sucht offensiv den Dialog mit unerwarteten Bündnispartnern.
»Auf die Schönheit zu achten und sie zu lieben hilft uns,
aus dem utilitaristischen Pragmatismus herauszukommen. Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne
wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt,
den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann.«
(Laudato si’, 215)
»Wenn wir den Wert und die Zerbrechlichkeit der Natur erkennen und zugleich die Fähigkeiten, die der Schöpfer uns verliehen hat, gestattet uns das, heute mit dem modernen Mythos vom unbegrenzten materiellen Fortschritt Schluss zu machen. Eine zerbrechliche Welt mit einem Menschen, dem Gott sie zur Obhut anvertraut, appelliert an unsere Vernunft, um zu erkennen, wie wir unsere Macht orientieren, ausüben und beschränken müssten.« (Laudato si’, 78)
»Indessen fahren die Wirtschaftsmächte fort, das aktuelle weltweite System zu rechtfertigen, in dem eine Spekulation und ein Streben nach finanziellem Ertrag vorherrschen, die dazu neigen, den gesamten Kontext wie auch die Wirkungen auf die Menschen-
würde und die Umwelt zu ignorieren.« (Laudato si’, 56)
»Wir vergessen, dass wir selber Erde sind (vgl. Gen 2,7). Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt und erquickt uns.« (Laudato si’, 2)
»Doch es genügt nicht, an die verschiedenen Arten nur als eventuelle nutzbare „Ressourcen“ zu denken und zu vergessen, dass sie einen Eigenwert besitzen. Jedes Jahr verschwinden Tausende Pflanzen- und Tierarten, die wir nicht mehr kennen können, die unsere Kinder nicht mehr sehen können, verloren für immer. Die weitaus größte Mehrheit stirbt aus Gründen aus, die mit irgendeinem menschlichen Tun zusammenhängen. Unseretwegen können bereits Tausende Arten nicht mehr mit ihrer Existenz Gott verherrlichen, noch uns ihre Botschaft vermitteln. Dazu haben wir kein Recht.« (Laudato si’, 33)
»Der Erdboden, das Wasser, die Berge –
alles ist eine Liebkosung Gottes.« (Laudato si’, 84)
»Wenn wir uns der Natur und der Umwelt ohne diese Offenheit für das Staunen und das Wunder nähern, wenn wir in unserer Beziehung zur Welt nicht mehr die Sprache der Brüderlichkeit und der Schönheit sprechen, wird unser Verhalten das des Herrschers, des Konsumenten oder des bloßen Ausbeuters der Ressourcen sein, der unfähig ist, seinen unmittelbaren Interessen eine Grenze zu setzen.« (Laudato si’, 11)