Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein: Naturkatastrophen, nicht enden
wollende Kriege, Menschen auf der Flucht, Bedrohung der Demokratie. Die Menschen
wirken zunehmend erschöpft und sehnen sich nach »Retrowelten«, die verlorene Ruhe
und Geborgenheit versprechen. Angst und Zukunftssorgen haben sich wie Mehltau
über weite Teile des Landes gelegt. Geht da noch etwas? Papst Franziskus sagt ja.
Deshalb hat er dieses Heilige Jahr unter das Motto »Pilger der Hoffnung« gestellt. Mit
dem bevorstehenden Jubiläum verbindet der Papst den Wunsch, es möge dazu beitragen,
»ein Klima der Hoffnung und des Vertrauens wiederherzustellen, als Zeichen
eines neuen Aufbruchs, dessen Dringlichkeit wir alle spüren«.
In der Wahl des Mottos erweist sich der Pontifex erneut als Meister der Elementarisierung.
Mit dem Bild des Pilgerns greift er ein Leitmotiv des Zweiten Vatikanischen
Konzils zum Selbstverständnis der Kirche auf und erkennt die enorme Transformationskraft
dieser Bewegungsmetapher. Er leitet hiermit nicht weniger als einen synodalen
Kulturwandel auf weltkirchlicher und diözesaner Ebene ein (Martin Lörsch).
Dass dieser Pilgerweg lang und steinig sein wird, wissen wir als deutsche
Kirche durch die Erfahrungen mit dem synodalen Weg nur zu gut.
Vieles läuft in der Weltkirche nicht so, wie es sich viele wünschen, aber
es geht doch voran und der gemeinsame Weg entsteht im gemeinsamen
Unterwegssein und durch geteilte Erfahrungen. Mit dem Bild des Pilgerns
wird Glaube als dynamischer Prozess verstanden, der ständige
Bewegung erfordert. Wenn nun die Kirche für sich die Perspektive einer
Pilgerin einnimmt, unterstreicht sie damit ihre prinzipielle Offenheit
für neue geistliche Erfahrungen und ihre Bereitschaft, gewohnte Pfade
zu verlassen und nach Gottes Wegen für uns heute zu suchen.
In dem Bestseller »Geduld mit Gott« von Tomáš Halík heißt es: »Geduld
mit anderen ist Liebe, Geduld mit sich selbst ist Hoffnung, Geduld mit
Gott ist Glaube.« Hoffnung als Geduld mit sich selbst ist eine Haltung,
die wir für unsere Zeit neu lernen müssen und die etwas ganz anderes
ist als ein oberflächliches Reden von Optimismus. Sie hilft in schwierigen Zeiten darauf
zu vertrauen, dass unser Leben einen Sinn hat, den Gott uns nach und nach offenbart –
so Halík. Geduld ist dabei eine aktive Haltung des Aushaltens und Wartens. Dabei wird
der tschechische Priester nicht müde zu betonen, dass die Momente der Ungewissheit
nicht sinnlos sind, sondern auch als Zeit des Reifens gesehen werden können.
Der Advent zeigt uns inmitten von Lärm und Ablenkung, was es heißt, »Geduld mit
Gott« zu haben. Machen wir uns hoffend auf den Weg – wir werden (von IHM) erwartet!
Martin W. Ramb (Chefredakteur)
Der international bekannte niederländische Illustrator Jedi Noordegraaf nimmt uns in dieser Ausgabe in 15 Stationen mit auf eine bildpoetische Pilgerreise durch die so genannten Wallfahrtspsalmen (Ps 120-134). Diese wurden von den Gläubigen auf dem Weg zum Tempel in Jerusalem gesungen. Sein Bilderzyklus wird zu einer inneren spirituellen Reise, auf der der Pilger den verschiedenen Motiven begegnet, die in den einzelnen Psalmen thematisiert werden. Verbunden werden die einzelnen Motive durch Pilgerfiguren am Bildrand, die die verschiedenen (symbolischen) Landschaften durchwandern.
Jedi Noordegraaf beschreibt seine Herangehensweise an die Aufgabe folgendermaßen: »Während des
Schaffensprozesses habe ich auf verschiedene Weise Hinweise ‚von oben‘ erhalten. Ich fühle mich wirklich gesegnet, dass ich diesen Auftrag ausführen durfte und hoffe und bete, dass von meinen Psalmen
Segen ausgeht«.