Das Geheimnis des Pilgerns
Miriam Penkhues hat ein Buch zum Thema Pilgern veröffentlicht. Und das ist lesenswert. Denn sie ist »Pilger-Profi«. Hier gibt die Autorin einen kurzen Einblick.
Die Frage stellte Friederike Lanz
Frau Penkhues, Sie beschäftigen sich seit 20 Jahren beruflich und privat mit dem Thema Pilgern und
kamen mit vielen Menschen ins Gespräch. Was würden Sie sagen, warum Menschen sich auf einen
Pilgerweg begeben? Warum pilgern?
Das ist die entscheidende Frage. Und die Antwort darauf ist so vielfältig wie die Menschen
selbst. Pilgern führt uns zu uns selbst, und ich bin überzeugt auch zu Gott. Die Menschen,
die ich getroffen habe, gehen los, weil sie eine Reise für die Seele machen wollen oder
Kraft schöpfen wollen für ihren beruflichen Alltag, z.B. im Hospiz. Aber auch ein Neuanfang
nach einer schweren Krankheit war schon häufiger als Motivation zu hören. Die Menschen
pilgern zu ganz unterschiedlichen Wendepunkten im Leben los. Manche direkt nach dem
Abitur, andere zwischen einem Jobwechsel oder beim Übergang in den Ruhestand. Trauer
nach dem Verlust eines lieben Menschen oder der Beginn eines gemeinsamen Weges … die
Gründe loszulaufen sind unerschöpflich.
Dieses Loslaufen könnte ja auch der Beginn einer Wanderung sein. Was ist der Unterschied zwischen
Wandern und Pilgern?
Beim Pilgern verbindet sich idealerweise der innere Lebensweg mit einem äußeren Weg.
Es geht nicht darum »zu liefern«. Leistung hat beim Pilgern nichts zu suchen. Ich hatte mal
einen Ausbildungskurs, in dem eine Teilnehmerin für die Bewohner eines Seniorenheimes
im Garten einen Weg gestaltet hat, der dazu angeregt hat, über Gott und das eigene Leben
nachzudenken. Da ist mir klar geworden, dass es zwar schön ist, auf den eigenen Füßen zu
stehen und damit zu gehen, aber selbst das ist beim Pilgern nicht notwendig. Die Bewohnerinnen
und Bewohner sind von Begleitpersonen in ihren Rollstühlen entlang des Weges
gefahren und haben dabei ebenso Pilgererfahrungen gesammelt.
Was würden Sie Menschen empfehlen, die noch nie gepilgert sind
und sich fürs Pilgern interessieren?
Nicht zu viel nachdenken, sondern eher einfach loslaufen. Es
gibt ja unterschiedliche Zugänge zu unterschiedlichen Dingen.
Es gibt die Möglichkeit, sich z.B. in Frankfurt beim Stammtisch
der Hessischen Jakobusgesellschaft mit erfahreneren Pilgerinnen
und Pilgern zu vernetzen und auszutauschen. Hier kann
man sich auch Tipps zu Wegen holen oder Erfahrungen teilen,
wenn es mal nicht »läuft«. Am Ende muss aber jede und jeder
selbst den ersten Schritt machen.
Und darin, es selbst zu erleben, liegt dann auch das Geheimnis des
Pilgerns?
Ja, genau. Das Geheimnis des Pilgerns erschließt sich für
mich erst im Unterwegssein. Man kann viele Bücher zum Pilgern
lesen, sich körperlich vorbereiten auf die Bewegung, alle
offenen Fragen für sich beantwortet haben. Aber es ist nicht
das Gleiche, wie die Haustür abzuschließen, den Rucksack aufzusetzen,
die Schuhe zu schnüren und sich auf den Weg zu machen.
Egal welchen Weg. Sich bewusst in Langsamkeit und in
dem immer wiederkehrenden Rhythmus mit den großen Fragen
des Lebens zu beschäftigen enthüllt Stück für Stück etwas vom
Geheimnis des eigenen Lebens.
»Leistung hat
beim Pilgern nichts
zu suchen«
Diese Beschäftigung mit dem eigenen Leben und mit Gott – dabei kann man begleitet sein von
biblischen Erzählungen oder Psalmen. Gibt es für Sie eine besondere Bibelstelle, die Sie beim Unterwegssein
besonders begleitet?
Die erste Bibelstelle, mit der ich mich unterwegs besonders auseinandergesetzt habe, das
war die Geschichte von Jakob am Jabbok (Gen 32, 23-33). Die hat mich inspiriert: Jakob
hat so richtig Scheiße gebaut und seinen Bruder betrogen. Nun zieht er mit seiner ganzen
Sippschaft wieder in Richtung seines Bruders und muss sich mit seiner Schuld auseinandersetzen.
Am Jabbok, einem Fluss, bringt er seine ganze Familie und sein Hab und Gut auf
die andere Flussseite und bleibt allein zurück. In der Nacht muss er mit einem Unbekannten
kämpfen. Es bleibt offen, wer als Sieger aus dem Kampf hervorgeht. Jakob kommt mit einer
Verwundung aus dem Kampf. Er hinkt. Der Gegner bittet darum, losgelassen zu werden.
Jakob stellt die Bedingung »Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn« (Gen 32,27) und
bekommt von dem Unbekannten den Namen Israel (er kämpft wider Gott), weil er mit Gott
selbst gerungen hat.
Sie waren schon auf vielen Wegen unterwegs. Haben Sie aktuell Pläne? Wo möchten Sie gerne noch
hin?
Ich würde gerne irgendwann mal von meiner Haustür aus nach Santiago laufen. Mit viel
Zeit und ohne große Vorplanung. Dafür fehlen mir aber aktuell ausreichend freie Monate am
Stück. Die nächste Pilgerreise plane ich aber in Frankreich. Dort bin ich noch nie gepilgert
und könnte nebenbei mein Französisch wieder etwas aufbessern.
Zur Person
Miriam Penkhues
hat lange die Pilgerstelle des Bistums Limburg geleitet
und zahlreiche Pilgerreisen begleitet – sei es nach Lourdes,
Fatima oder Rom – sie ist auch selbst passionierte Pilgerin.