Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gudula Frieling: Christliche Ethik oder Ethik für Christen?

Die Universalität christlicher Ethik auf dem Prüfstand

Gudula Frieling hat ein seltsames Buch geschrieben. Ausgangspunkt ist ihre Empörung über die zähen und wenig Fortschritte verheißenden internationalen Klimakonferenzen. Sie entrüstet sich nicht nur über die Unfähigkeit der Staatengemeinschaft, eine adäquate Strategie gegen die Klimaerwärmung zu verabreden. Es ist vor allem das Machtungleichgewicht zwischen den Industrie-, den Schwellen- und Entwicklungsländern, in dem sie – zu Recht – den wesentlichen Hemmschuh der Klimakonferenzen erblickt. Ihre moralische Kritik richtet sich auf die Weigerung der Industriestaaten, eine radikale Abkehr vom ressourcenverbrauchenden westlichen Lebensstil vorzunehmen, womit diese die Entwicklungsländer – und vor allem deren arme Bevölkerungsschichten –...

Bernhard Welte: Die Würde des Menschen und die Religion

Anfrage an die Kirche in unserer Gesellschaft 
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Holger Zaborowski

Der Freiburger Religionsphilosoph Bernhard Welte (1906-1983) veröffentlichte diese skizzenhafte Schrift 1976. Darin denkt er über die Aufgabe der Kirche in der Moderne nach, die, zusammen mit anderen Religionen und Menschen guten Willens, zur Förderung einer menschenwürdigen Gesellschaft beitragen solle. Das Mammutprojekt des modernen Menschen heißt für ihn: der technischen bzw. instrumentellen Vernunft das Singen beizubringen.

Was auf den ersten Blick seltsam anmutet, ergibt sich nach Welte aus folgender Überlegung: Jahrtausende lebte der Mensch in einer integrierten Ganzheit, d.h. alle Dimensionen seines Lebens waren eingebettet in einen übergeordneten Sinn. Erst mit dem...

Werner Zager (Hg.): Der neue Atheismus

Das Buch macht richtig etwas her. Edler Preis, knalliger Umschlag, interessantes Thema, große Ankündigung: „Ein neuer Atheismus übt Kritik an jeglichem Gottglauben und beansprucht die Position der Vernunft und Humanität für sich allein. Aber ist dieser Anspruch selbst vernünftig begründbar? Und treffen die Kritikpunkte der neuen Atheisten das aufgeklärte Christentum der Gegenwart überhaupt? Fundierte Antworten gibt der vorliegende Band.“ Dazu die Evangelische Sonntags-Zeitung: „Für Theologinnen und Theologen lohnt sich die Lektüre des Sammelbandes. ... Für alle, die theologisches Interesse und Vorkenntnisse mitbringen, werden einzelne Aufsätze zum Genuss.“

In einem einleitenden Aufsatz stellt Werner Zager die Weichen: Unter Theologie versteht er liberale protestantische Theologie als...

Michael Hochschild: Moralischer Anti-Terrorismus

Der Titel verblüfft in seiner Haupt- wie Unterzeile: Was mag mit dem moralischen Anti-Terrorismus gemeint sein? Doch nicht die x-te Auseinandersetzung mit der Plage des islamistischen und sonstigen Terrorismus? Und die „Postmoderne“ aus der Unterzeile: War das nicht jener „Es gibt keinen Logos, nur Perspektiven“-Hype aus den 1980-er Jahren, der heute eher abgestanden wirkt? Aber dann, im vierten der sieben kurzen Kapitel, erfährt der überraschte Leser, dass es Immanuel Kant war, der den Begriff des „moralischen Terrorismus“ ins Spiel brachte. Der Denker aus Königsberg bezeichnete damit in seiner Schrift „Streit der Fakultäten“ eine Haltung, die unsere Welt im kontinuierlichen Niedergang wähnt; ein Szenario, das zu den ältesten Stereotypen der Menschheitsgeschichte gehören dürfte. Nun also...

Otto Zsok: Anerkennung

Die unterschätzte Kraft für eine positive Lebensbewältigung 

In seinem neuesten Buch erschließt der Philosoph und Psychotherapeut Otto Zsok „die hohe Bedeutung der Anerkennung“ (27) – und zwar für alle von uns, seien wir nun arm oder reich, krank oder gesund, unauffällig oder berühmt, erfolglos oder erfolgreich, privat in uns verschlossen oder sozial und politisch engagiert. 

Ausgehend von der Beobachtung, dass es sich bei der Anerkennung um „die unterschätzte Kraft für eine positive Lebensbewältigung“ handelt, zeigt der langjährige Leiter des Süddeutschen Instituts für Logotherapie und Existenzanalyse in 9 Kapiteln auf, wie das ganz Große in jedem Leben gelingen kann. Denn das Anerkennungsgeschehen ist eminent sinnstiftend und heilsam, sowohl für den, der die Anerkennung empfängt, als...

Jan-Heiner Tück / Rudolf Langthaler (Hg.): „Es strebe von euch jeder um die Wette.“

Lessings Ringparabel – ein Paradigma für die Verständigung der Religionen heute?

Auf den ersten Blick scheint der vorliegende Sammelband nicht zu halten, was sein Untertitel verspricht. Denn nur ein Teil seiner Beiträge setzt sich mit der Aktualität der Ringparabel auseinander. Etliche Aufsätze leuchten ihre Vorgeschichte oder ihren geschichtlichen Kontext in Leben und Werk Lessings aus, und insbesondere zeigt in diesem Zusammenhang W.A. Euler, welche Ansätze zur Würdigung anderer Religionen schon die christliche Theologie des Mittelalters hervorgebracht hat. Auf diese Weise wird es freilich erst möglich, den spezifischen religionstheologischen Beitrag zu würdigen, den Lessing selber zur Konkurrenz religiöser Wahrheitsansprüche liefert. Dieser besteht zunächst einmal in der Forderung, in...

Gerhard Mayer / Michael Schetsche / Ina Schmied-Knittel / Dieter Vaitl (Hg.): An den Grenzen der Erkenntnis

Handbuch der wissenschaftlichen Anomalistik

Das Buch versucht eine Pionieraufgabe zu übernehmen – nämlich in einem Bereich, der von seinem Image her „esoterisch verseucht“ gilt, Klarheit über das zu schaffen, was im weitesten Sinne empirisch als gesichert gelten kann. Die Fülle der Artikel dieses Handbuches aufzuzählen würde den Umfang sprengen. Deshalb beschränke ich mich auf einige grundsätzliche Betrachtungen und nehme auf die verschiedenen Phänomenbereiche nur exemplarisch Bezug.

Wie schon das Wort Anomalistik sagt, handelt es sich hier um einen Bereich, in dem wiederholbare Experimente naturgemäß nur eine geringe Rolle spielen können (99). Es ist darauf hinzuweisen, dass Anomalien in den anerkannten Wissenschaften vorkommen, dort zunächst stören, aber andererseits einen...

Konrad Hilpert / Jochen Sautermeister (Hg.): Selbstbestimmung – auch im Sterben?

Streit um den assistierten Suizid

Sterben ist in den westlichen Industrienationen meist kein Naturereignis mehr. Die erstaunlichen Fortschritte moderner Medizin erfordern eine Vielzahl von Entscheidungen über ein Repertoire von Handlungsoptionen am menschlichen Lebensende. Außerdem vollzieht sich die enorme Erweiterung medizinisch-technischer Optionen vor dem Hintergrund eines fundamentalen moralischen Paradigmenwechsel in der Arzt-Patienten-Beziehung weg von einem ärztlichen Paternalismus hin zum Primat des Selbstbestimmungsrechts der Patienten. 

Die erweiterten medizinischen Interventionsmöglichkeiten und gewandelten moralischen Orientierungen hinterfragen in schwerwiegender Weise die Plausibilität tradierter moralischer Bewertungen von Handlungstypen. Dass diese veränderte Lage auch...