An anderer Stelle habe ich das Markusevangelium unlängst als „Evangelium für Erwachsene“ bezeichnet. Es beginnt weder mit einem Jesuskind noch werden die Leser vom Erzähler durch die Erzählung geführt, sondern es setzt nahezu unvermittelt ein. Der erwachsene Jesus ist kurz nach seiner Taufe mit einer traumatischen Erfahrung konfrontiert: Der Täufer wurde ausgeliefert (und hingerichtet). Die Situation am Anfang des Markusevangeliums gleicht in unheimlicher Weise der Frage, die dessen offenes Ende aufwirft: Ist mit dem Boten auch die Botschaft gestorben? Wie gehen die Jünger damit um, dass Jesus nicht mehr bei ihnen ist? Delegitimiert der Kreuzestod die Botschaft vom Gottesreich und von der Allmacht Gottes, wenn Jesus sich am Kreuz von Gott verlassen weiß? Doch: Fürchtet Euch nicht – „Markus...
„Christliche Identität – was ist das?“ Mit keiner geringeren Frage eröffnet Gerhard Gäde sein neues Buch zu den Ich-bin-Worten des Johannesevangeliums. Als ehemaliger Professor für Dogmatik in Rom mit Gastprofessuren in Palermo und Lugano ist der mittlerweile an der LMU München lehrende Priester, Seelsorger und Hochschullehrer ausgewiesener Experte für Fragen der christlichen Glaubenslehre.
Ausgewiesenes Ziel des Buches ist es, „anzuregen, tiefer zu verstehen, wer wir als Christinnen und Christen sind“ (7). Die ursprünglich als benediktinischer Exerzitienkurs konzipierten Meditationen nähern sich also den johanneischen Ego-Eimi-Worten aus einer dezidiert christlichen Innenperspektive, wenn Gäde vorab betont: „Wir sind Kinder Gottes. Das ist unsere Identität, unser Selbstverständnis, das...
Schon der erste Satz dieser umfangreichen Studie zeigt, dass es dem Autor nicht um theologische Glasperlenspiele geht: „In den vergangenen drei Jahrzehnten trafen mich mehrmals Augen von Überlebenden der Schoa.“ Die Verfolgungsgeschichte der Juden, die in der Schoa kulminierte, bleibt auf den folgenden 900 Seiten präsent, auch wenn Wolfgang Treitler, der in Wien Fundamentaltheologie betreibt, zuvörderst die christliche Spitzenaussage – Jesus ist der Christus, Messias und Sohn Gottes – zu bedenken sucht. Dieses Bekenntnis wurde zum unterscheidend Christlichen, zum Ausgrenzenden auch. Vor allem gegenüber den Juden, die post Christum keine messianische Wende zu erkennen vermochten, das Bekenntnis somit nicht teilten; die zudem recht bald als Antichristen, als „Gottesmörder“ gar, diffamiert...
Lange Zeit galten Lehrplanfragen im Religionsunterricht als vernachlässigenswert. In der Regel bestimmten Lehrkräfte weitgehend selbst, welche Inhalte mit Blick auf ihre Adressaten zu verhandeln waren. Erst im Gefolge von PISA wurde der regulierende Wert von Fachgruppen und schuleigenen Lehrplänen entdeckt. Allerdings blieb eine inhaltliche Neuorientierung des Faches aus, stand doch nun in erster Linie der Outcome im Fokus. In der Regel begnügten sich deshalb die Lehrplaner damit, den etablierten Mix aus christlichen Kerninhalten, aus lebensweltlichen und gesellschaftlichen Themen mit Operatoren zu versehen, was weder zu einer Konzentration des Fachlichen beitrug noch die Frage klärte, was in einer zunehmend sich entchristlichenden Gesellschaft eigentlich als religionsbezogene Bildung...
Darf ich mit Schülerinnen und Schülern in der Unterrichtseinheit „Rede von und mit Gott“ das Credo beten? Können im Religionsunterricht (RU) Psalmen rezitiert, Moscheen besucht und Klassengottesdienste gestaltet werden? Oder ist dies für einen zeitgemäßen und ansprechenden Religionsunterricht nicht sogar geboten, um Schülerinnen und Schülern einen authentischen Einblick sowohl in die eigene Konfession als auch in andere Religionen zu vermitteln?
Hans Mendl, Herausgeber dieser Beitragssammlung, nimmt in dieser Debatte einen ebenso eindeutigen wie differenzierten Standpunkt ein, den er im Vorwort und in der Einführung zu dem Sammelband plausibel entfaltet: Zum einen betont er ebenso wie bereits im ersten Band von „Religion erleben: Praxisband. Grundschule“ auch in seinem zweiten Band, der...
Wer die obigen Angaben nicht genau genug gelesen hat, sei noch einmal darauf vergeweisen – diese Rezension stellt kein Buch, sondern 49 Karten vor. Allerdings, dies darf vorab schon gesagt werden: Kartenlektüre kann lohnend sein. Die Autorengruppe hat nämlich ein spannendes Werk erstellt, dass sich sieben Bereichen des Religionsunterrichts widmet und dabei den Fokus insgesamt sehr deutlich auf die Unterrichtspraxis setzt.
Folgende sieben sogenannte Blickwinkel werden beleuchtet: 1) Konzeptionelles und Grundsätzliches, 2) Rechtsgrundlagen, 3) Unterrichtsvorbereitung, 4) Praxis, 5) Schülerinnen und Schüler, 6) Religionslehrkraft und 7) Herausforderungen. Zu jedem Bereich gibt es dann 7 Fragen, sodass sich der Titel „7 x 7“ entsprechend erklärt.
Die Fragen haben grundsätzlichen Charakter...
Dieser Band stellt eine Sammlung von Einzelbeiträgen dar, die je für sich lesbar sind. Gemeinsam ist ihnen die Auseinandersetzung mit dem, was Jürgen Werbick im Untertitel die „Kirchenerschöpfung“ nennt, und es spricht für ihn, dass er nicht in den Chor derer einstimmt, für die sich die Kirche auf das Thema „Missbrauch“ reduziert, sondern seine Diagnose tiefer ansetzt.
So ist dem Autor die Gegenwart durch ein „innerkirchliches Schisma“ geprägt, das die Kirche horizontal durchzieht. In ihrer institutionell verfassten Gestalt erscheint diese Kirche ihm als ein System der Macht, das mit dem Gestus des Wahrheitsbesitzes auftritt und die Glieder dessen zu disziplinieren beansprucht, was Paulus den organischen „Leib Christi“ nannte. Die Bestimmung des Menschen als Sünder breche dabei das...
„Kann der Glaube glücklich machen?“ Das ist nur eine von etlichen Fragen, die Eugen Drewermann in einem neuen Gesprächsband aus der im Patmos-Verlag erscheinenden Reihe „Eugen Drewermann antwortet jungen Menschen“ (bisher 2021: „Gott, wo bist Du?“ und 2023: „Das Geheimnis des Jesus von Nazareth“) gestellt bekommt. Die Frage ist keine Frage, von der bloß anzunehmen wäre, dass sie einen 17-Jährigen beschäftigen könnte. Sie stammt tatsächlich von einem jungen Menschen und wurde Eugen Drewermann am 16. März 2023 zum ersten Mal gestellt, als er zu Besuch im Aachener Kaiser-Karls-Gymnasium war, um unter dem Motto „Was kommt auf uns zu?“ mit Schülerinnen und Schülern aus Religions- und Philosophiekursen der Sekundarstufe II zu sprechen. Heribert Körlings, pensionierter Lehrer am...