Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hans-Dieter Mutschler: Halbierte Wirklichkeit

Warum der Materialismus die Welt nicht erklärt

Die Naturwissenschaft allein bietet verlässliche Wahrheit und ist so zum Maß aller Dinge geworden. Jede Aussage über die Welt, über uns und selbst über Gott muss vor ihren Richtstuhl treten (oder gezerrt werden). Was nicht im Einklang mit ihr ist, wird verworfen. Aber immer weniger kann bestehen: Ihr nüchtern objektiver Blick zeigt die Welt als eine kausal durchgängig geordnete, letztlich rein materielle Wirklichkeit, in der es keinen Raum für Phänomene anderer Art gibt. Der Geist und die Seele des Menschen, unsere Freiheit, aber natürlich auch Gott sind bloße Traumgespinste, die christlichen Glaubensüberzeugungen können keinen berechtigten Wahrheitsanspruch erheben. 

So kann man eine weit verbreitete Überzeugung in der heutigen Kultur...

Volker Gerhardt: Der Sinn des Sinns

Versuch über das Göttliche

Dieses Buch des renommierten Berliner Philosophen Volker Gerhardt (geboren 1944) hat mir von seinen ersten Zeilen an Unbehagen bereitet. Nicht in erster Linie wegen seiner ermüdend mäandernden Geschwätzigkeit. Vielmehr wegen etwas anderem: Es beschwört in Zeiten des Fragmentarischen und des Perspektivischen das eine große Ganze.

In dem Gefühl, das Freud kritisch als das „Ozeanische“ beschrieben hat (Das Unbehagen in der Kultur), findet es seinen Trost. Es versteht darunter etwas, das es in die Begriffe „Entsprechung“, „Korrelation“, „Korrespondenz“, „Ineinander“ oder „Verschränkung“ fasst. In der Verschränkung von Glauben und Wissen, von Selbst und Welt, von Gefühl und Verstand, von Leben und Tod, von Individualität und Universalität vernimmt es den „Sinn des...

Martha C. Nussbaum: Politische Emotionen

Eigentlich wollte ich eine Rezension zu Martha Nussbaums neuem Buch schreiben. Eine ganz normale. Ich hatte vor, sie gegen ihre Kritikerin Eva Illouz zu verteidigen (vgl. Die Zeit Nr. 42/2014, 55), weil Letztere Ersterer kurz nach Erscheinen des Buchs 2014 im Prinzip vorwarf, bei dem Projekt, die soziale Gerechtigkeit durch Liebe zu fördern, Emotionen nicht wie sie selbst als institutionelle, sondern als psychologische Größe zu benutzen. Warum sollte man nicht anders denken dürfen – dachte ich und dabei lag eine Vorentscheidung zu Nussbaums Gunsten in der Luft. Mir kam vor, es sei durchaus legitim, eine gute Gesellschaftsordnung mit guten Gefühlen verbinden zu wollen – genauso, wie sich die Krise der aktuellen Gesellschaft mit Unbehagen breitmacht. 

Und dann kam mir das Leben dazwischen....