Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Martin Werlen: Zu spät

Von dem im Jahr 2017 verstorbenen Prager Erzbischof und Kardinal Vlk ist der Satz überliefert, er sei der glücklichste Bischof der Welt, weil er nichts mehr kaputtmachen könne. Für Martin Werlen, den ehemaligen Abt des Klosters Einsiedeln, spiegeln sich in diesem Bonmot die eigentliche Situation und die alt-neue Aufgabe der Kirche, nämlich sich neu auf die Suche nach den Menschen zu begeben, statt die institutionellen Restbestände und die dogmatischen Formelsammlungen des katholischen Glaubens in Verwaltungsbeamtenmanier korrekt zu archivieren.

Werlens Schrift besteht bei genauerer Betrachtung aus zwei Manuskripten. Die Ende 2012 veröffentlichte Broschüre „Miteinander die Glut unter der Asche entdecken“ hat der Autor noch als Abt und Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz verfasst. In...

Michael Heymel: Die Johannesoffenbarung heute lesen

 

Das Buch von Michael Heymel lädt ein, es zur Hand zu nehmen und mit ihm die Offenbarung des Johannes kennenzulernen: Es hat eine gefällige Größe, ist nicht so umfänglich, dass man es sich als Einstiegslektüre für das Kennenlernen der Offenbarung des Johannes nicht selbst zutrauen würde. Und – was man schon bei einem ersten Querlesen feststellt: Es ist gut lesbar.

Die Reihe «bibel heute lesen», zu der dieses Buch gehört, hat das erklärte Ziel, fundiert einzuführen, welche Spuren ein biblisches Buch in Theologie, Musik, Literatur und Kunst hinterlassen hat, ohne dass dabei dezidiertes theologisches Fachwissen vorausgesetzt würde. Dem entsprechend zäumt Michael Heymel das Pferd gewissermaßen von hinten her auf und skizziert Stationen der Wirkungsgeschichte der Offenbarung des Johannes und...

Walter Faerber: Visionen gegen die Monster

Die Offenbarung des Johannes fristet innerhalb der Liturgie und noch vielmehr innerhalb des Religionsunterrichtes und der pastoralen Praxis ein Schattendasein. Und wenn, dann wird dieses Beispiel neutestamentlicher apokalyptischer Literatur meist als ein Endzeit-Text gelesen. Völlig zu Unrecht, aber auch völlig nachvollziehbar. Denn der Reichtum ihrer Bilderwelt, ihrer Symbolik und ihrer innerbiblischen Bezüge hat nicht nur eine äußerst breit gefächerte Wirkungsgeschichte gezeitigt, sondern kann verstörend, ja abschreckend wirken. Daher verdient Walter Faerber Respekt, dass er als Pastor einer evangelischen Gemeinde bei Hannover und engagierter Unterstützer von Fresh X die Herausforderung nicht gescheut und die Texte der Johannes-Offenbarung in die Liturgie eingebunden und in Predigten...

Bernhard Maier: Die Ordnung des Himmels

 

Es ist leicht, ein Buch zu kritisieren, das sich erkühnt, auf nur 481 Seiten (ohne Anhang) die Geschichte der Religionen von der Steinzeit bis zur Gegenwart darzustellen. Immer wird sich etwas finden lassen, das fehlt oder nur im Lexikonstil abgehandelt worden ist. Aber: Dieser defizitorientieren Kritik kann schnell der Blick dafür verloren gehen, was in einem solchen Buch auf nur 481 Seiten alles vorhanden ist. Bernhard Maier, Professor für Allgemeine Religionswissenschaft und Europäische Religionsgeschichte an der Universität Tübingen, ist sich der Problematik seines Unternehmens bewusst, gerade in Zeiten einer ausufernden und sich zugleich spezialisierenden Forschung. Am Ende seines Buches begründet er, warum er sich trotz allem an eine Gesamtdarstellung herangewagt habe. Er begreift...

Bruno Kern: „Es rettet uns kein höh’res Wesen“

Karl Marx wurde vor 200 Jahren in Trier geboren. Wie kaum ein zweiter prägte er die Entwicklungen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Auch Leninismus, Stalinismus, Maoismus und andere totalitäre Systeme haben sich auf ihn berufen, obwohl sie seine Denkansätze ideologisch überhöht, insgesamt sogar verraten haben. Selbst Katholische Soziallehre und Befreiungstheologie hätten sich ohne die Impulse von Marx nicht so entwickelt. In diesem Sinne gilt, was Oswald von Nell-Breuning einmal sagte: „Wir stehen alle auf den Schultern von Karl Marx.“ Umso bedauernswerter ist es, dass sich Christen und Theologen heute immer weniger mit Marx beschäftigen und die Kenntnis seiner Gedanken enorm zurückgegangen ist.

Einer unbefangenen und produktiven Rezeption von Marx in katholischer Kirche und...

Tiemo Rainer Peters: Entleerte Geheimnisse

„Was nicht festgehalten wird, ist nichts. Was festgehalten wird, ist tot.“(17) Dieses Wort von Paul Valéry zeigt das Spannungsfeld, in dem sich Tiemo Rainer Peters‘ Buch „Entleerte Geheimnisse – Die Kostbarkeit des christlichen Glaubens“ bewegt. Motiviert, etwas von dem Reichtum des Christseins dem Leser unserer Zeit zugänglich zu machen, etwas, von dem heutzutage oft kaum mehr als eine Worthülse oder ein den aktuellen Bedürfnissen angepasster Inhalt übriggeblieben scheint, lenkt Peters in jedem Kapitel den Blick auf einen Grundbegriff des Glaubens. Seine Absicht ist es, das verständlich zu machen, was die Tradition, insbesondere die Botschaft der Evangelien birgt, und damit zu vermeiden, den Glaubensinhalt dem Zeitgeschmack anzupassen.

So wird in jedem Kapitel nach einer einleitenden...

Moshe Navon / Thomas Söding: Gemeinsam zu Gott beten

 

Dieses Buch präsentiert eine interreligiöse Zusammenarbeit zwischen einem Rabbiner und einem Neutestamentler, nämlich von Moshe Navon, Landesrabbiner der liberalen Juden in Hamburg und Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, und Thomas Söding, Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum und Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Nordrhein-Westfalen. Es ist der Versuch einer Auslegung der jüdischen wie christlichen Lesart des Vaterunsers. Beide Autoren sind darum bemüht, auch für Juden einen Zugang zum Vaterunser zu schaffen, und stellen die Frage, ob Juden gemeinsam mit Christen dieses Gebet sprechen können.

Diese Fragestellung ist berechtigt, denn das Vaterunser wurde von dem Juden Jesu gesprochen, der es an seine jüdischen Mitstreiter weitergab. Manche gehen...

Gerd Lindner (Hg.): Sakulowski. Weltbild

 

Ein irritierendes Titelbild voller emotionaler Wucht – besser gleich wegsehen oder doch hinschauen? Wer genauer hinsieht, wird mit dem Antlitz eines bärtigen Mannes konfrontiert, der ihn mit weit aufgerissenem Mund anzubrüllen scheint und mit beiden Augen, das rechte halb, das linke weit geöffnet, fixiert. Warum fletscht er seine Zähne? Ist er wütend – warum? Ist er empört – worüber? Quälen ihn Schmerzen – welche? Will er sein Gegenüber vertreiben – oder im Gegenteil seine Hilfe einfordern? Solche Uneindeutigkeiten fordern den Betrachter heraus – und lenken den Blick auf die außerordentliche Qualität der Zeichnung. Über dem Schreienden stehen die Worte „Sakulowski. Weltbild“: Wer ist „Sakulowski“ – und was meint „Weltbild“?

Horst Sakulowski ist Thüringer. 1943 in Saalfeld geboren,...