Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Michael Braun: Probebohrungen im Himmel

Hannah Arendt entwarf in ihrem Umgang mit der abendländischen Ideengeschichte das von ihrem Freund Walter Benjamin inspirierte Bild des Perlentauchens. Arendt beschreibt damit einen Modus, sich die Perlen bisherigen fortschrittlichen Denkens für den eigenen Blick auf die Welt nutzbar zu machen und damit Denkmöglichkeiten und Sprachbilder zu entfalten, die ein neues Licht auf unsere heutigen Erfahrungen werfen können. Geleitet war Arendt dabei von dem Gedanken, nicht durch einen brachialen Bruch mit der Ideengeschichte, sehr wohl aber durch einen kritischen Umgang mit der überkommenen Autorität der Überlieferung im Tauchen nach Perlen gegenwärtige Entwicklungen aufmerksam wahrzunehmen, kundig einzuordnen und letztlich den Versuch zu wagen, diese zu verstehen.

Mit seinem umfangreichen Band...

Rainer Schwindt: Der Gesang der Engel

Der Koblenzer Bibelwissenschaftler Rainer Schwindt wehrt sich in seinem neuesten Werk wortgewaltig und mit großer Gedankenschärfe gegen ein weitgehend unbemerktes Artensterben. Genannt seien nur einige vom Aussterben betroffene „Populationen“, die Cherubim, die Seraphim, Throne, Mächte und Gewalten. Das Buch ist aus einem liturgischen Impuls heraus geschrieben worden. Wer es aufschlägt und liest, dem eröffnet sich ein wahrer Kosmos im ursprünglichen Sinn, eine Raum- und Zeitentiefe, wie sie selten in einem Buch dargeboten wird und erfüllt von irdischen und himmlischen Klängen ist. Liturgie hat in der menschlichen Kulturgeschichte als Gotteslob begonnen; die Menschen sind bloß Mitfeiernde, nicht die Adressaten der Feier, und Liturgie will durch die Zeiten und Kulturen hindurch auch so...

Isaac Kalimi: Untersuchungen zur Jüdischen Schriftauslegung und Theologie

Das 380-seitige Opus von Isaac Kalimi, Forschungsprofessor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, ist für den Unterricht in der gymnasialen Oberstufe (vgl. Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe: E2 „Gotteswort als Menschwort" und Q2 „Gott – verborgen und offenbar") und prinzipiell für den Verkündigungsauftrag der Kirchen im Hinblick auf das jüdische Schriftverständnis der Hebräischen Bibel im Rahmen des christlich-jüdischen Dialogs im Sinne der interkulturellen bzw. interreligiösen Begegnung sehr lesenswert.

Seit Ende des 2. Jahrhunderts bezeichnen wir Christen – die ersten Christen waren allesamt Juden – in Anlehnung an 2 Kor 3,14 den „TaNaK" fälschlicherweise als „Altes Testament". In den ersten sechs Kapiteln legt der Verfasser die Bindung bzw. Opferung Isaaks im Zusammenhang mit der...

Jens Balzer: Pop und Populismus

Der Titel des Buches des Journalisten Kolumnisten Jens Balzer verspricht mehr, als das Werk letztlich halten kann, nämlich eine Auseinandersetzung mit dem Modethema „Populismus“, worunter er die Polarisierung unserer gegenwärtigen Gesellschaft fasst (12). Stattdessen haben wir es mit einem Großessay zu tun, der gelegentlich so wirkt, als seien verschiedene Kolumnen zu einem Buch zusammengefügt worden. Ihr verbindendes Thema: Popmusik, hier nicht verstanden im Sinne eines Genres, sondern schlicht im Sinne populärer, aktueller Musik. Das heißt, es dreht sich einmal um deutschen Hip-Hop und die Echoverleihung, um Heimatrocker wie Andreas Gabalier oder Frei.Wild und auch um die britische Band Planningtorock, bei der man sich wird fragen dürfen, ob sie zum beschriebenen Genre gehört. Inhaltlich...

Wolfgang Huber: Dietrich Bonhoeffer

Dietrich Bonhoeffer hat vor allem in christlichen Kreisen globale Anerkennung und Bedeutung erlangt. Die Literatur zu Bonhoeffer – im akademischen wie auch im breiteren populären Bereich, von Studien einzelner Aspekte seiner Theologie über biografische Porträts bis hin zu christlicher Erbauungsliteratur – ist kaum noch überschaubar. Daher ist die Frage durchaus berechtigt, warum man sich für ein weiteres Bonhoeffer-Buch interessieren sollte. Im Fall von Wolfgang Hubers erschienenem Werk lautet die Antwort schlicht und ergreifend, weil es sich wirklich lohnt.

Wer sich zum ersten Mal mit Bonhoeffer beschäftigt, um ein vollständiges, akkurates und gegenwartsbezogenes Bild zu erarbeiten, kann getrost zu diesem Buch greifen. Auch der schon versierte Bonhoeffer-Kenner findet hier klärende...

Robert Zimmer: Basis-Bibliothek Philosophie

Eine „Basis-Bibliothek Philosophie“ wäre eine schöne Sache, denn insbesondere der philosophische Novize hätte damit einen Kanon unverzichtbarer Bücher von zeitloser Bedeutung, an dem er sich orientieren könnte. Robert Zimmers Zusammenstellung will das leisten. Beginnend mit den Fragmenten der Vorsokratiker stellt der Autor die von ihm ausgewählten 100 Bücher mit Artikeln vom Umfang eines Wikipedia-Eintrages vor. Diese Darstellungen sind gut verständlich und arbeiten Wesentliches heraus. Wird das Buch aber seinem Anspruch gerecht, eine „Basis-Bibliothek Philosophie“ zu sein? Ein solcher Kanon müsste ausgewogen und repräsentativ die philosophischen Denkrichtungen und Problemstellungen behandeln. Die darin aufgenommen Bücher müssten Klassiker sein, was Zimmer für sein Buch auch beansprucht.

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Michael Weinrich: Karl Barth

Die evangelischen Kirchen in Deutschland und der Schweiz haben das Jahr 2019 Karl Barth (1886-1968) gewidmet, dessen epochemachende Römerbriefauslegung in ihrer ersten Auflage Ende 1918 erschien, aber 1919 als Erscheinungsjahr angibt. Vielleicht ist es nicht so günstig, kurz nach dem großen Reformationsgedenken ein weiteres Jubiläum hinterherzuschicken. Läuft es doch Gefahr, ganz im Schatten der großen Reformationsfeierlichkeiten zu bleiben. Das hat Barth nicht verdient. Ist doch mit ihm einer Person zu gedenken, die nicht nur durch ihre Theologie, sondern auch durch ihr konkretes Wirken im Raum von Kirche und Politik zu den herausragenden Gestalten evangelischer Kirchengeschichte zählt. Vermutlich kann man ihm neben den Reformatoren nur noch Schleiermacher an die Seite stellen, aber...

Christoph Schmitt: Im Kirchenraum das Göttliche erschließen

Das vorliegende Buch ist eine Arbeitshilfe zur religionspädagogischen Erschließung von Kirchenräumen mit unterschiedlichen Zielgruppen. Der Autor Christoph Schmitt verwendet dafür den Begriff „Kirchenpädagogik“ (statt der ebenfalls gebräuchlichen „Kirchenraumpädagogik“). Schmitt versteht den Kirchenraum als gestaltgewordenen Ausdruck kirchlichen Glaubens und Handelns. So kann der Raum als Medium dienen, um Glauben und Handeln derKirche (verstanden als Gemeinschaft der Christen) erfahrbar zu machen.

Ganz im Sinne dieses Ausgangspunktes stellt Schmitt einen mystagogischen Ansatz von Kirchenpädagogik vor. Dieser ist (im Gegensatz etwa zum ganzheitlich-handlungsorientierten Ansatz) nicht voraussetzungsfrei, sondern geht von einer vorgegebenen Deutung des Gebäudes als Sakralbau aus. Der Bau...