Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Klaus Wengst: Wie das Christentum entstand

„Wie das Christentum entstand“, sollte uns nach 2.000-jähriger Geschichte und den Erkenntnissen, die wir mit Hilfe historisch-kritischer Analysen der biblischen und außerkanonischen Schriften erlangt haben, doch annähernd bekannt sein. Warum also lohnt es sich, darüber ein weiteres Buch zu verfassen oder zu lesen?

Der evangelische Neutestamentler Klaus Wengst nimmt jedenfalls an, dass selbst in kirchlichen Kreisen nicht immer klar sei, dass Jesus Jude und nicht „der erste Christ“ war und dass es mindestens mehrere Jahrzehnte gedauert hat, bis die an Jesus Glaubenden ein Bewusstsein und Selbstverständnis als eigene religiöse Gruppierung neben dem Judentum entwickelt haben. Dieser These geht er in seiner „Geschichte mit Brüchen im 1. und 2. Jahrhundert“ in einer dreistufigen Annäherung...

Die anarchische Kraft des Monotheismus. Eckhard Nordhofens „Corpora“ in der Diskussion

Versteht man den Monotheismus besser, wenn man seine Geschichte als Mediengeschichte erzählt? Eckhard Nordhofen hat diese Frage in seinem 2018 erschienenen, inzwischen in der 3. Auflage vorliegenden Bestseller „Corpora. Die anarchische Kraft des Monotheismus“ aufgeworfen – und bejaht. Seine souverän entfaltete Geschichte der wechselnden Gottesmedien Bild, Schrift und Körper hat in den betroffenen Wissenschaften und der interessierten Öffentlichkeit für Aufsehen gesorgt. Denn Nordhofen hat sich nichts Geringeres vorgenommen als den jüdisch-christlichen Monotheismus zu (re-)habilitieren. Dazu sucht er dessen anarchische Kraft nachzuweisen: Der zugleich an- und abwesende Gott entzieht sich sämtlichen Funktionalisierungen, so eine zentrale These des Buches; er bleibt bei aller Vertrautheit mit...

Wolf Biermann: Mensch Gott!

In seinem literarischen Werk kommt Wolf Biermann immer wieder auf Gott zu sprechen. Pünktlich zu seinem 85. Geburtstag sind in der renommierten Bibliothek Suhrkamp Lieder und Gedichte zur Gottesthematik von den 1960er Jahren bis in die jüngste Gegenwart erschienen, die, in acht Abschnitte aufgeteilt, von erhellenden biografischen Vorbemerkungen eingeleitet werden. Um einen Eindruck von der poetischen Verve dieses Sprachschöpfers zu bekommen, soll er ausführlich selbst zu Wort kommen. Vergegenwärtigen wir uns zunächst einige Stationen seines Lebens, um seine pointierten Aussagen zu Gott und Mensch biografisch kontextualisieren zu können.

Geboren wurde der Dichter in Hamburg am 15. November 1936 „in einer jüdischen Kommunistenfamilie“ (13). Die Mutter Emma war Maschinenstrickerin und...

Mouez Khalfaoui / Jean Ehret (Hg.): Islamische Theologie in Deutschland

Am 29. Januar 2010 veröffentlichte der Wissenschaftsrat der Bundesrepublik Deutschland die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen“. Darin wird ausdrücklich betont, dass ein großer Bedarf für die Ausbildung von Religionspädagoginnen und -pädagogen für den islamischen Religionsunterricht und von Religionsgelehrten für die Arbeit in den bestehenden Moscheegemeinden existiert. Im Zuge der „Empfehlungen“ des Wissenschaftsrates wurden sukzessive Zentren, Institute und Seminare für islamische Theologie an deutschen Hochschulen eingerichtet.

Nach über 10 Jahren ist es an der Zeit, einen Blick auf die Landschaft der islamischen Theologie in Deutschland zu werfen und Bilanz zu ziehen. Dieses Anliegen haben explizit die...

Jürgen Werbick: Gegen falsche Alternativen

Jürgen Werbicks neues Buch beinhaltet in acht etwa gleich langen, thematisch und systematisch miteinander verknüpften Kapiteln Ausführungen über zentrale Themen des christlichen Glaubens. Der Autor gibt zunächst (3-16) einen konzisen Überblick über die unterschiedlichen Aspekte einer teilnehmenden, teilenden Theologie, die in den folgenden Kapiteln (17-226) anschaulich entfaltet werden. Das Buch schließt mit einem sehr klaren Ausblick (227-230): Der Theologe plädiert dafür, im Vertrauen auf Gottes Lebensbegleitung, seine Gnade, das Verurteilen hinter sich zu lassen und so konkret wie möglich etwas miteinander anzufangen.

Das 1. Kapitel kennzeichnet die Perspektive der folgenden: Statt sich auf ein dualistisches Entweder-oder zu fixieren, geht es darum, über wichtige gemeinsame Erfahrungen...

Kurt Kardinal Koch: Wohin geht die Ökumene?

Um den heutigen Stand des ökumenischen Anliegens in der Welt zu beurteilen, bedarf es eines größeren Überblicks. Wer könnte ihn auf katholischer Seite qua Amt besser haben als der jetzige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen Kurt Kardinal Koch? Es war sicher zu erwarten, dass der Kardinal eine eher konservative Sicht und Einschätzung der Situation vorlegen würde. Das ist auf keinen Fall zu bemängeln. Die Ökumene steht immer in der Gefahr, Einheit zu verkündigen, wo in Wahrheit noch keine besteht. Das für den evangelischen Rezensenten tiefere Problem dieses Buches liegt darin, dass die konservative Sicht der Ökumene sich in der Weise kundtut, dass die katholische Wahrheit als den theologischen Einsichten der anderen Kirchen überlegen angesehen und bisweilen...

Kurt Erlemann: Wunder. Theorie – Auslegung – Didaktik

An Büchern über die Wunder der neutestamentlichen Überlieferung besteht in der Exegese – anders als in der systematischen Theologie – kein Mangel. Erwähnt seien nur die zahlreichen Beiträge von Bernd Kollmann und das von Ruben Zimmermann herausgegebene zweibändige „Kompendium der frühchristlichen Wundererzählungen“, in dem sich die Vielfalt bibelwissenschaftlich reflektierter Zugänge gut widerspiegelt. Auch Kurt Erlemann ist im vorliegenden, eng an sein Buch „Kaum zu glauben. Wunder im NT“ (2016) anschließenden Opus dieser Vielfalt verpflichtet. Entsprechend seiner Konzeption als Fach- und Lehrbuch enthält es exegetische, hermeneutische und besonders auch didaktische Fragestellungen, wobei sich Auswahl und Analyse einzelner Wundertexte an den Kerncurricula für den Evangelischen...

Thomas Fuchs: Verteidigung des Menschen

Wird der Mensch nur noch als eine Art informationsverarbeitendes System mit dem Gehirn als Schaltzentrale aufgefasst, ist damit das eigentlich Menschliche negiert, insbesondere die Freiheit, sich anhand von Werten zu entschließen, selbstlos gegen egoistische Antriebe zu handeln und sich selbstbestimmt über Naturzwecke zu erheben bis hin zum Selbstopfer. Genau das aber unternimmt ein breiter Strom naturalistischer Theorien der sogenannten Neurophilosophie, die mit Schlagzeilen wie „Niemand ist frei“ oder „Wie das Gehirn die Seele macht“ die Feuilletons dominieren. Was kann dann noch die unantastbare Würde dieses biologischen Systems Mensch sichern, wenn es sich lediglich dadurch von den sauberen Verdrahtungen in der Hardware eines Computers unterscheidet, dass seine Verschaltungen in einer...