Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Markus Hofer: Das Heilige und das Nackte

Nacktheit und Scham sind als kulturelle Phänomene gleich ursprünglich. Im Vergleich zu ihrer Umwelt sind die biblischen Texte des Alten und Neuen Testamentes eher desinteressiert am Sexuellen. Im Spiegel der abendländischen Kunst weisen marginale künstlerische Darstellungen von Nacktheit auf einen selbstverständlichen Umgang mit ihr in der Öffentlichkeit hin, während eine Dominanz des Nackten in der Kunst als Indiz für ihre gesellschaftliche Marginalisierung gelten kann.

Unter diesen drei Thesen lotet Markus Hofer das Verhältnis von Nacktem und Heiligem aus, wie es sich ihm in der Kunst zeigt, und liefert damit einen wichtigen Beitrag in der aktuellen Diskussion über die kirchliche Sexuallehre und -moral im Zuge des Synodalen Weges. Mit Humor und Leichtigkeit geschrieben, ist dieses Buch...

Thomas Hürlimann: Der Rote Diamant. Roman

In seinem Roman „Der Rote Diamant“ gelingt dem Autor Thomas Hürlimann ein großes Kunststück. Die fein geschliffenen Facetten fügen sich zu einem hochkarätigen Diamanten der Erzählkunst zusammen. Hürlimann lässt es nur so funkeln: Internatsgeschichte, Klosterhistorie, Kriminalkomödie, Pubertätsstudie und Schelmenroman bilden jeweils eine Fläche des Diamanten. Die Fassung, die den Diamanten einrahmt, ist der vorkonziliare Katholizismus sowohl in Doktrin als auch in religiöser Praxis. Hürlimann zeigt, wie mit dem Untergang des fiktiven Stiftsinternats „Maria Schnee“ und mit dem Tod der uralten österreichischen Kaiserin Zita auch die alte Kirche in den Abwärtsstrudel hineingezogen wird. Das ist die Parabel. Die Fassung verlieren, aber mit Heiterkeit und Melancholie – eine typische Besonderheit...

Raphaela Brüggenthies: „Heilige Schwelle" Der frühe Heine – ein jüdisch-christliches Itinerarium

Wenn man lesend den Kosmos Heinrich Heines (1797-1856) betritt, nähert man sich gleich zwei Welten: einmal der eines der herausforderndsten deutschsprachigen Dichters seiner Epoche, darin ganz und gar individuell und einzigartig; gleichzeitig aber auch dem Leben einer repräsentativen Gestalt, hin- und hergerissen zwischen den Welten des ererbten Judentums und der durch Konversion erschlossenen Welt des (evangelisch geprägten) Christentums. Dass Heines Konversion kaum einer wirklich religiösen Überzeugung entsprochen hatte, dass er sie umgehend bereuen und später herunterspielen würde, das war bekannt. Auch, dass diese Taufe ihm primär als billet d’entrée zur kulturellen Zugehörigkeit dienen sollte – eine Wunschvorstellung, die sich nicht erfüllen würde – gehörte zum Allgemeinwissen über...

Jakob Johannes Koch (Hg.): Inklusive Kulturpolitik

Inklusion ist in aller Munde. Sie umfasst als emanzipatorische Leitidee alle Lebensbereiche: vom Kindergarten und Schule über den Beruf bis hin zum ganz persönlichen Umgang mit Menschen mit einer körperlichen und/oder geistigen Einschränkung. Im Kern geht es bei der Inklusion um gesellschaftliche Teilhabe auf Augenhöhe – und damit um ein elementares Menschenrecht. Auch Menschen mit einer Behinderung, von denen es in Deutschland 18 Millionen gibt, sollen am ganz normalen Leben teilhaben. Das klingt eigentlich ganz selbstverständlich, aber das ist es noch lange nicht. Sobald die Debatte um die Inklusion vom Kopf auf die Füße gestellt wird, also konkret wird, beginnt der Streit. Gerade im Bereich von Erziehung und Schule wird zurzeit heftig um die Ausgestaltung von Inklusion gestritten. Die...

Tobias Frese: Bilder der Christophanie

Ambiguität gilt als ein Signum moderner Kunst – und die Behauptung, dass sie in spätantiken und frühmittelalterlichen Bildwerken keine Rolle gespielt hat, ist naheliegend. Überzeugende Gegenargumente liefert Tobias Frese in seiner überarbeiteten Habilitationsschrift. Darin analysiert er fünf zwischen 400 und 1.000 n.Chr. entstandene, besonders qualitätsvolle Bildwerke – drei Elfenbeinreliefs und zwei Buchmalereien – und arbeitet deren bewusst inszenierte Mehrdeutigkeit heraus. „Ambiguität“ definiert er als „antagonistisch-gleichzeitige Zweiwertigkeit“ (XVII).

Thematisch beschränkt sich der Kunsthistoriker – wie bereits der Titel anzeigt – auf „Bilder der Christophanie“; unter „Christophanie“ versteht er die Erscheinung des auferstandenen Jesus Christus; sie sei, so der Verfasser, eine...

Gerhard Mevissen: IM WEITER ZUHAUS 2

Unter den bildenden Künstlern der Gegenwart ist der in Monschau/Nord-Eifel lebende Gerhard Mevissen nicht zufällig einer der stillen, denn er wendet sich der mystischen „Stille hinter der Stille“ bewusst zu. Sie ist Thema seiner kontemplativen Werke und Movens seines Schaffens, das er als ein „Loslassen von Herangereiftem“ zum rechten Zeitpunkt schildert und vom gezielten Produzieren unterscheidet.

Der 1956 in Heinsberg geborene Künstler und fünffache Vater fand erst nach Theologiestudium und sozialpädagogischen sowie kunsttherapeutischen Ausbildungen 1999 zur freischaffenden Kunst. Bereits zwei Jahre später erhielt er den Kunstpreis des Deutschen Blindenhilfswerks: Mevissen entwickelte spezielle Druckverfahren, die den Druckstock als ein ertastbares Relief jeweils zu einem Teil des...

Jan-Heiner Tück / Tobias Mayer (Hg.): Das vermisste Antlitz

Wenn ein Veranstalter heute Schriftsteller zu Vorlesungen über Literatur und Religion einlädt, erntet er ein Meinungsspektrum, das sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen lässt. Die beiden Herausgeber der vorliegenden Sammlung von Vorträgen, die 2019 und 2020 an der Universität Wien gehalten wurden, entnehmen ihren Titel dem gleichnamigen Beitrag von Uwe Kolb. Dieser 1957 in Ost-Berlin geborene Lyriker stellt seine Fragen an das zeitgenössische deutschsprachige Gedicht unter den Titel „Das vermisste Antlitz" und beklagt darin die „artifizielle Sprachakrobatik" vieler heutiger Gedichte, vermisst die Ansprache an ein persönliches Gegenüber und die Thematisierung grundlegender anthropologischer Fragen. Dabei weist er beiläufig auf eigene Erfahrungen der Marginalisierung hin, als er...

Katja Petrowskaja: Das Foto schaute mich an

Bilder lösen etwas aus. Sie treffen den Betrachter, ziehen ihn in ihren Bann und lassen ihn nicht mehr los. Auch die 1970 in Kiew geborene ukrainisch-deutsche Schriftstellerin Katja Petrowskaja, die 2013 mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und 2022 mit dem Menschenrechtspreis der Gerhart und Renate Baum-Stiftung ausgezeichnet wurde, ist in diesen Sog geraten – immer wieder. Seit 2015 schreibt sie für die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) alle drei Wochen die Kolumne „Bild der Woche“. Sie betrachtet Unscheinbares, Rätselhaftes, aber auch Alltägliches, Fotos von bekannten Künstlerpersönlichkeiten oder private Aufnahmen aus dem Familienalbum, und hebt in ihren Texten ungeahnte Tiefenschichten ans Licht. Mal fokussiert sie sich auf ein einfaches Detail, aus dem sie dann eine ganze Welt...