Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Stanka Hrastelj: Batseba. Roman

Literarische Rezeptionen biblischer Stoffe geraten bisweilen ein wenig gewollt und zäh. Dies kann man von Stanka Hrasteljs kühnem Neuentwurf der Geschichte von Batseba und König David wahrlich nicht behaupten. Zwei Angaben gehen dem zweiten Roman der slowenischen Lyrikerin und Übersetzerin (geb. 1975) voraus, beide haben ihre Berechtigung. Die Widmung „Für die Leser von Poesie“ verweist auf die lyrisch verdichtete Art des Erzählens. In 193 durchnummerierten Miniaturkapiteln mit Überschriften, die ihrerseits interpretatorische Akzente setzen, wirft die Autorin sprachgewaltig Schlaglichter auf eine überzeitlich angelegte Frauengestalt zwischen Macht und Ohnmacht. Die zweite vorausgeschickte Angabe ist eine Triggerwarnung bezüglich selbstverletzender Handlungen und sexueller Gewalt. In der...

Jannie Regnerus: Das Lamm. Roman

Es beginnt damit, dass der fünfjährige Joris Blut pinkelt, „das Zinnoberrot der altniederländischen Maler“. Diagnose: Nierenkrebs. Krebs – das „Fünfbuchstabenwort“. Wie aus diesem Befund und aus dem Alltag mit seinen Selbstverständlichkeiten, der plötzlich seine Sicherheiten verliert und fragwürdig wird, Literatur wird, verdeutlicht Janne Regnerus in ihrem Roman „Das Lamm“.

Es schaut den Betrachter bereits auf dem Titelbild mit dem intensiven Blick eines seiner Augen an, ein Strahlenkranz umgibt seinen Kopf. Es ist ein Detail des mystischen Agnus Dei aus dem berühmten Genter Altar des Jan van Eyck und das Zentrum einer paradiesischen Landschaft. Das Blut aus der Seitenwunde fließt in hohem Bogen in einen Messkelch, einzelne Tropfen fallen auf das weiße Altartuch. „Das Bluten scheint dem...

Hartmut Rosa: When Monsters Roar and Angels sing. Eine kleine Soziologie des Heavy Metal

Muss man Hartmut Rosa vorstellen? Notwendig erscheint es nicht. Seit Jahren gehört er zu den gefragtesten Gesprächspartnern im deutschsprachigen Raum. Denn er gilt als jemand, der sich auch ohne das Sicherheitsnetz des Soziologenjargons souverän zu bewegen weiß, bei Bedarf aber auf akademische Sprachkonventionen zurückzugreifen vermag. Längst sind seine Bücher, auch und gerade die seitenstärksten, zu Impulsgebern für Politik und Wissenschaft geworden – nicht zuletzt für die Theologie. Einige ihrer Titel, zuletzt „Unverfügbarkeit“, haben geradezu den Rang geflügelter Worte gewonnen, mit denen man sich zu verstehen gibt, dass man den Geist unserer Zeit auf den Begriff zu bringen weiß. Und dennoch muss man Hartmut Rosa hier vorstellen. Bisher dürfte nämlich nur den wenigsten bekannt sein,...

Karl Rahner: Glaube und Kultur. Zu Literatur, Musik und Kunst

Karl Rahner (1904-1984) darf aus vielen Gründen als der bedeutendste und einflussreichste katholische Theologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Rahner, der von sich selbst sagte, sein Leben sei das normale und durchschnittliche Leben eines mitteleuropäischen Bürgers ohne besondere Bekehrungserlebnisse oder fromme Heldentaten, folgte dem Leitmotiv seines Jesuitenordens „Gott in allen Dingen finden.“ Als Konzilsberater trug er wesentlich zu einer dogmatischen Bestimmung des Wesens der Kirche bei, formulierte ein positives Verhältnis zu anderen Religionen und einer pluralistischen Gesellschaft; kurzum zu einer säkularen Wirklichkeit, wie sie sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer weiter ausgebildet hatte.

In einer Zeit, in der Theologie und Kirche besorgt darum waren, wie mit den...

Andreas Bieringer: Gottesdienst in der Literatur

Das spannungsreiche Dialogfeld von Theologie und Literatur wurde in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich intensiv ausgeleuchtet. Eine Dimension blieb dabei jedoch bislang fast durchgängig außen vor: die Frage, wie sich die liturgische Praxis der (katholischen) Kirche literarisch in der Gegenwartsliteratur niederschlägt.

Die vorliegende Habilitationsschrift des in St. Georgen lehrenden Liturgiewissenschaftlers Andreas Bieringer schließt diese Lücke in beeindruckender Form. Nicht nur, dass sie zentrale Werke im Blick auf „Gottesdienst in der Literatur“ (so der Titel der Untersuchung) sichtet und deutet, sie konzipiert darauf aufbauend zudem den „Entwurf einer kultursensiblen Liturgiewissenschaft“ (so der Untertitel). In diesem Spektrum soll sie „einen Beitrag zur theologischen bzw....

Raphaela Brüggenthies: „Heilige Schwelle“ Der frühe Heine – ein jüdisch-christliches Itinerarium

Wenn man lesend den Kosmos Heinrich Heines (1797-1856) betritt, nähert man sich gleich zwei Welten: einmal der eines der herausforderndsten deutschsprachigen Dichter seiner Epoche, darin ganz und gar individuell und einzigartig; gleichzeitig aber auch dem Leben einer repräsentativen Gestalt, hin- und hergerissen zwischen den Welten des ererbten Judentums und der durch Konversion erschlossenen Welt des (evangelisch geprägten) Christentums.

Dass Heines Konversion kaum einer wirklich religiösen Überzeugung entsprochen hatte, dass er sie umgehend bereuen und später herunterspielen würde, das war bekannt. Auch, dass diese Taufe ihm primär als billet d’entrée zur kulturellen Zugehörigkeit dienen sollte – eine Wunschvorstellung, die sich nicht erfüllen würde –, gehörte zum Allgemeinwissen über...

Martin Schäuble: Alle Farben Grau. Roman

Für Paul ist die Welt, als blicke er durch einen Nebelfilter, alles ist grau: „Alle Farben Grau“. Kurz nach seinem Aufenthalt in Japan wird er, nachdem er wiederholt Suizidgedanken geäußert hat, in eine Jugendpsychiatrie eingewiesen. Mit seiner Entlassung scheint es, als käme er wieder in sein normales Leben zurück. Doch Paul ist kein Mensch, der innerhalb gewöhnlicher Variablen denkt, fühlt und handelt. Er lernt Japanisch, hat einen für sein Alter ungewöhnlichen Musikgeschmack und seine eigenen Formen sozialer Interaktion. Dass er am Asperger Syndrom leidet, wird erst in der Jugendpsychiatrie diagnostiziert, als er sechzehn Jahre alt ist. Er hört eine bösartige Stimme in seinem Kopf, die ihm einredet, dass er nichts wert sei und er von keinem geliebt werde. Seine Depressionen nehmen zu,...

Norbert Feinendegen: C. S. Lewis: Überrascht von Gott

Die Gnade Gottes führte ihn „gnadenlos“ zum Christentum. Sein messerscharfes Denken ließ ihm keinen anderen Ausweg. Es erging ihm wie Augustinus (255, Fußnote 112). Er kapitulierte schließlich vor Gott und nannte sich später „de[n] niedergeschlagenste[n] und widerwilligste[n] Bekehrte[n] in ganz England“ (247, 253). Es war ihm wichtig zu betonen, „dass Gott selbst ein lebendiger Akteur in seiner Bekehrungsgeschichte war“ (13). Wie kam es dazu, dass ein ehemals freiheitsliebender Hardcore-Materialist, der sich gegen alle auch transzendenten Einmischungen in sein Leben verwahrte (131), zum demütigen Christen wurde und rückblickend sagt: „I was not born to be free – I was born to adore and obey.“ (Ich wurde nicht geboren, um frei zu sein – ich wurde geboren, um anzubeten und zu gehorchen.)...