Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Michael Theobald: Der Prozess Jesu

 

Die Frage nach dem historischen Jesus und den Anfängen der Christologie stehen nach wie vor im Zentrum der neutestamentlichen Exegese. Dennoch sind diachrone, überlieferungskritische Analysen heute eher selten. Besonders in der Johannesforschung überwiegt heute eine synchrone, narratologische Perspektive. Michael Theobald aber begreift die synchrone und diachrone Lesart als sich nicht ausschließende, sondern ergänzende Methoden. So verfolgt er mit vorliegendem monumentalen Band das doppelte Ziel, zum einen die vier kanonischen Passionserzählungen (PE) in synchronischer Lektüre literarisch und theologisch zu profilieren und zum anderen ihre Genese soweit wie möglich überlieferungskritisch zu rekonstruieren, um der Notwendigkeit eines historischen Diskurses und der Pluralität der...

Daniel Marguerat: Jesus von Nazaret

Braucht es ernsthaft ein neues Buch über den historischen Jesus? Sind nicht alle Steine schon so oft umgedreht worden, dass sich kaum erwarten lässt, überhaupt noch etwas Neues über Jesus aus Nazaret herauszufinden? Genau diese Frage stellt Daniel Marguerat, emeritierter Professor für Neues Testament an der Universität Lausanne, seinem 2019 erschienenen und nun ins Deutsche übersetzten Jesusbuch voran.

Marguerat nennt zwei Gründe, warum ein neues Jesusbuch sinnvoll ist: Zum einen wurde neues Quellenmaterial erschlossen, zum anderen ist es überfällig, das vorhandene Material mit einer veränderten Hermeneutik zu erschließen, sprich: den historischen Jesus durch eine andere Brille zu betrachten, um frühere Kurzsichtigkeiten zu vermeiden und durch einen differenzierteren Blick mehr...

Jakob Johannes Koch (Hg.): Inklusive Kulturpolitik

Inklusion ist in aller Munde. Sie umfasst als emanzipatorische Leitidee alle Lebensbereiche: vom Kindergarten und Schule über den Beruf bis hin zum ganz persönlichen Umgang mit Menschen mit einer körperlichen und/oder geistigen Einschränkung. Im Kern geht es bei der Inklusion um gesellschaftliche Teilhabe auf Augenhöhe – und damit um ein elementares Menschenrecht. Auch Menschen mit einer Behinderung, von denen es in Deutschland 18 Millionen gibt, sollen am ganz normalen Leben teilhaben. Das klingt eigentlich ganz selbstverständlich, aber das ist es noch lange nicht. Sobald die Debatte um die Inklusion vom Kopf auf die Füße gestellt wird, also konkret wird, beginnt der Streit. Gerade im Bereich von Erziehung und Schule wird zurzeit heftig um die Ausgestaltung von Inklusion gestritten. Die...

Tobias Frese: Bilder der Christophanie

Ambiguität gilt als ein Signum moderner Kunst – und die Behauptung, dass sie in spätantiken und frühmittelalterlichen Bildwerken keine Rolle gespielt hat, ist naheliegend. Überzeugende Gegenargumente liefert Tobias Frese in seiner überarbeiteten Habilitationsschrift. Darin analysiert er fünf zwischen 400 und 1.000 n.Chr. entstandene, besonders qualitätsvolle Bildwerke – drei Elfenbeinreliefs und zwei Buchmalereien – und arbeitet deren bewusst inszenierte Mehrdeutigkeit heraus. „Ambiguität“ definiert er als „antagonistisch-gleichzeitige Zweiwertigkeit“ (XVII).

Thematisch beschränkt sich der Kunsthistoriker – wie bereits der Titel anzeigt – auf „Bilder der Christophanie“; unter „Christophanie“ versteht er die Erscheinung des auferstandenen Jesus Christus; sie sei, so der Verfasser, eine...

Gerhard Mevissen: IM WEITER ZUHAUS 2

Unter den bildenden Künstlern der Gegenwart ist der in Monschau/Nord-Eifel lebende Gerhard Mevissen nicht zufällig einer der stillen, denn er wendet sich der mystischen „Stille hinter der Stille“ bewusst zu. Sie ist Thema seiner kontemplativen Werke und Movens seines Schaffens, das er als ein „Loslassen von Herangereiftem“ zum rechten Zeitpunkt schildert und vom gezielten Produzieren unterscheidet.

Der 1956 in Heinsberg geborene Künstler und fünffache Vater fand erst nach Theologiestudium und sozialpädagogischen sowie kunsttherapeutischen Ausbildungen 1999 zur freischaffenden Kunst. Bereits zwei Jahre später erhielt er den Kunstpreis des Deutschen Blindenhilfswerks: Mevissen entwickelte spezielle Druckverfahren, die den Druckstock als ein ertastbares Relief jeweils zu einem Teil des...

Maura Zátonyi OSB (Hg.): Das große Hildegard von Bingen Lesebuch

 

Das von Maura Zátonyi OSB vorgelegte Buch anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Erhebung der Hildegard von Bingen zur Heiligen und Kirchenlehrerin im Jahr 2012 ist eine Frucht von ganz unterschiedlichen Bemühungen um die Heilige, die Abtei in Eibingen und die dortige St. Hildegard-Akademie e. V. hinaus. Als Vorsitzende dieser Akademie, Benediktinerin der Abtei und Übersetzerin der Werke der hl. Hildegard legt die Herausgeberin ein Werk vor, das in seiner Konzeption in dieser Art kein Vorbild kennt: Vor der Darbietung und Kommentierung der Texte durch die Herausgeberin steht eine Einführung mit Wissenswertem zur hl. Hildegard. Die folgenden zwölf Kapitel bieten unter unterschiedlichen thematischen Überschriften einen Einblick in die Werke der hl. Hildegard mit Kommentar. Ein...

Hartmut Sommer: François Fénelon

Es ist die Zeit des Sonnenkönigs, der von Frankreich aus Maßstäbe setzt nicht nur für absolutistische Herrschaft, sondern für Weltdeutung und Lebensstil ganz noch im Zeichen selbstverständlichen Christseins: Versailles als Wahrzeichen und Vorbild für ganz Europa. Aber wer weiß noch, dass damals dort im Nordflügel einige Jahre lang ein faszinierender und vorbildlicher Glaubenslehrer als Prinzenerzieher tätig war und einen Zirkel frommer Frauen begleitete?

Mit dem Namen François Fénelon verbindet sich glaubensgeschichtlich ein höchst bedeutsamer Kirchenstreit, in dem es um die Mitte christlichen Glaubens und das Profil seiner Mystik ging – das letzte Mal übrigens, dass ein Glaubensthema unter den führenden Intellektuellen der Zeit wie z.B. dem Allrounder Leibniz in der europäischen...

Jan-Heiner Tück / Tobias Mayer (Hg.): Das vermisste Antlitz

Wenn ein Veranstalter heute Schriftsteller zu Vorlesungen über Literatur und Religion einlädt, erntet er ein Meinungsspektrum, das sich kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen lässt. Die beiden Herausgeber der vorliegenden Sammlung von Vorträgen, die 2019 und 2020 an der Universität Wien gehalten wurden, entnehmen ihren Titel dem gleichnamigen Beitrag von Uwe Kolb. Dieser 1957 in Ost-Berlin geborene Lyriker stellt seine Fragen an das zeitgenössische deutschsprachige Gedicht unter den Titel „Das vermisste Antlitz" und beklagt darin die „artifizielle Sprachakrobatik" vieler heutiger Gedichte, vermisst die Ansprache an ein persönliches Gegenüber und die Thematisierung grundlegender anthropologischer Fragen. Dabei weist er beiläufig auf eigene Erfahrungen der Marginalisierung hin, als er...