Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Michael Quante: Der unversöhnte Marx

Bei der Fülle der Marx-Publikationen, die anlässlich des 200. Geburtstages des Trierer Philosophen auf den Markt kamen, konnte man diesen schmalen, aber inhaltlich gehaltvollen Essay-Band leicht übersehen. Umso verdienstvoller ist es, dass sich der Verlag nun zu dieser gründlich überarbeiteten Auflage entschloss. Der Münsteraner Philosoph Michael Quante setzt bei seinen Lesern allerdings einiges an Kenntnis voraus. Für diese Zielgruppe der „Kenner“ aber bietet er eine Lesart an, die Marx‘ bleibende Aktualität weit über die oberflächlichen Aktualisierungen hinaus begründet. Im einleitenden langen Essay „Die Philosophie des Karl Marx“ entfaltet der Autor seine beiden Hauptthesen. Die übrigen Kapitel des Bandes beleuchten diese nochmal von einer besonderen Perspektive her.

Der Kern des...

Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz: Spielräume. Zwischen Natur, Kultur und Religion: der Mensch

Um das unterschiedliche Ausgreifen der menschlichen Freiheit im Spannungsfeld der Einflüsse von Natur, Kultur und Religion geht es der Autorin dieses Bandes, um den „Spielraum des Menschlichen“. Geschult in Romano Guardinis Gegensatzdenken zeigt sie diesen Spielraum an Pendelausschlägen des Lebens. Wer das Einpendeln im Spielraum der möglichen Gegensatzpole verfehlt, ist in Gefahr, aus der rechten, der guten und gesunden Mitte herauszufallen.

Gelingt aber das Einpendeln, muss etwa Altern nicht nur Mühsal sein, sondern kann auch zu einer „Zeit der Befreiung und des Freiräumens“ werden. Lässt sich Verhärtung und Bitterkeit vermeiden, wird der Neubeginn nach einem Scheitern gelingen. Im Durchgang durch die existenzielle Angst ist Tröstung in „christlicher Angstfreiheit“ zu finden. Askese ist...

Alexander Kluge: Das Buch der Kommentare

Einem geflügelten Wort eines der bedeutenden Philosophen des 20. Jahrhunderts (A.N. Whitehead) zufolge gleicht die Geschichte der abendländischen Philosophie einer Sammlung von Fußnoten zu Platon, sie sei ein einziger Kommentar zu diesem. Das heißt, sie erläutert die platonische Ideenlehre und macht sie verständlich, immer wieder neu und stets auf dem neuesten Stand der Forschung. Was so positiv klingt, hat aber auch fragwürdige Konsequenzen: In der Philosophie besteht demnach erstens ein geschlossener akademischer Bücherkreislauf von Kollege zu Kollege. Und zweitens herrscht in ihr eine Praxis des Textrecyclings vor, die das Interesse nach außen, an neuen Entwicklungen in der Welt, bremst, so dass die entstehenden Beiträge mehr als pure Literatur (l’art pour l’art) wirken denn eine...

Reinhard G. Kratz: Die Propheten der Bibel

„Die Propheten der Bibel. Geschichte und Wirkung“ von Reinhard G. Kratz kann zu Recht als prägnante, allgemeinverständliche und sehr gut lesbare Einführung in die Welt der biblischen Prophetie verstanden werden. Bei dem 2022 erschienenen Band handelt es sich um die Neubearbeitung des Vorläufers „Die Propheten Israels“ aus dem Jahr 2003. Auch wenn es für den Buchhandel möglicherweise unter der Rubrik populärwissenschaftlich kursieren mag, so ist diese Hinführung zur Welt der Prophetie weit davon entfernt, oberflächlich zu sein! Das Buch darf als Fachliteratur gesehen und gelesen werden, die sowohl für Studierende als auch für im Bereich von Schule und Seelsorge Tätige sehr hilfreich ist. Innerhalb der Fachwelt würde mit Sicherheit an der einen oder anderen Information, die gegeben wird, ein...

Irmtraud Fischer: Liebe, Laster, Lust und Leiden. Sexualität im Alten Testament

Mit dieser gründlichen Studie zur Rolle der Sexualität im AT wird eine wichtige Lücke geschlossen. Es erübrigt sich auszuführen, warum ein solches Buch für den Religionsunterricht ein wichtiges Hilfsmittel sein kann bei Schülerinnen und Schülern mit entsprechenden Fragestellungen.

Die Autorin hat mit einer nicht einfachen Schwierigkeit zu ringen. Da Sexualität für das AT kein eigenständiges Thema darstellt, sondern immer nur im Zusammenhang mit anderen Themen auftritt, könnte die Gefahr bestehen, die Frage nach der Rolle der Sexualität von außen an die Texte auf Kosten der ursprünglichen Aussageabsicht heranzutragen. So weiß die Autorin aus ihrer exegetischen Allgemeinbildung, dass viele Erzählungen welterzeugende Mythen darstellen, so dass damit „herausragende Ereignisse erzählt werden,...

Bernhard Körner: Gott ist der Rede wert

Der ansprechende, zur Lektüre motivierende Titel beinhaltet die zentrale theologische Frage, warum und inwiefern Gott wirklich der Rede wert ist. Diese Frage nimmt der Autor in seiner differenzierten, kenntnisreichen Darstellung in acht etwa gleich langen Kapiteln in den Blick: Nach einem kurzen Vorwort gibt Bernhard Körner einleitend einen klaren Überblick über die Aspekte, die er in der folgenden Darstellung (Kapitel I – VIII) entfaltet.

Schlaglichtartig (Kapitel I) veranschaulicht Körner, wie Gott in der Biografie und im Denken verschiedener Autoren des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart zur Wirklichkeit wird. Die Infragestellung Gottes (Kapitel II) wird aus unterschiedlichen Perspektiven thematisiert: kosmologisch, evolutionsbiologisch, sprachphilosophisch, hinsichtlich des Leids in...

Vittorio Hösle: Gott als Vernunft

Der vorliegende Sammelband enthält sehr unterschiedliche Beiträge zum Verhältnis von Glaube und Vernunft. Ihnen ist die Überzeugung gemeinsam, dass der Glaube an Gott nicht einen fideistischen Sprung voraussetzt, sondern in einem tiefen Sinne vernünftig ist. Denn jeder Vernunftgebrauch bezieht sich auf grundlegende Annahmen, die ihm ermöglichend vorausliegen, über die er sich aber in der Regel keine Rechenschaft ablegt. Dies gilt in mehrfacher Hinsicht.

Dass wir eine Hochschule traditionell nicht als „Multiversität“, sondern als Universität bezeichnen, macht schon sprachlich deutlich, wie sehr der Wissenschaftsprozess von der Idee geleitet ist, dass über all seine inneren Spezialisierungs- und Differenzierungsgrade hinweg die Fülle menschlichen Wissens sich zu einer letzten Einheit fügt....

Heinz Schilling: Das Christentum und die Entstehung des modernen Europa

 

Sieben Männer „von gutem Ruf und voll Geist und Weisheit“ wählte man, um die tägliche Versorgung der Witwen zu gewährleisten (Apg. 6, 1-7). Diese Szene dürfte eine der ersten sein, die von der Verflochtenheit der christlichen Gemeinschaft mit der „Welt“ Zeugnis ablegt. Eine Religion, die den Menschgewordenen ins Zentrum rückt, kann nicht vom Wort allein leben. Jesu wunderbare Maxime „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist (Mt. 22, 21), gibt dabei die Richtung vor, die Mühen der Ebene ersetzt sie nicht. So bietet die Kirchengeschichte in puncto „Nähe und Ferne“ zu Gesellschaft und Macht reichhaltigstes Anschauungsmaterial. Heinz Schilling, emeritierter Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit und renommierter Luther-Biograph, blickt in seiner Studie auf den Beitrag...