Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Eberhard Schockenhoff: Kein Ende der Gewalt? Friedensethik für eine globalisierte Welt

Ein Schwergewicht von einem Buch hat der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff mit seinem aktuellen Kompendium zur Friedensethik vorgelegt – und dies im wahrsten Sinne des Wortes: Auf gut 5 ½ Pfund Papier kommt sein neuestes Werk daher; etwa 6 cm Breite werden dafür im Bücherregal benötigt. Klotzen, nicht kleckern – so lautet die Devise des Autors, und das in jeder Hinsicht. Auf 759 Seiten fasst er – den Bogen von der Antike bis in die Gegenwart spannend – den Forschungsstand einer Disziplin zusammen, die erst seit geraumer Zeit wieder Fahrt aufnimmt, nachdem sich unter den Vorzeichen einer neuen Machtpolitik die Weltfriedenshoffnungen der 1990er Jahre endgültig zerschlagen haben. Dabei kommen weder historische, exegetische, theologiegeschichtliche, ethische noch...

Lukas Brand: Künstliche Tugend

Lukas Brand sieht die Entwicklung von Robotern kommen, denen man beibringen müsste, selbstständig ethische Urteile auf einem menschenähnlichen Niveau zu fällen. Das ist die Aufgabe einer Maschinenethik, die man jetzt entwickeln müsse, um nicht Gestaltungsprozesse zu versäumen. Maschinenethik ist in der Sicht Brands etwas anderes als Ingenieursethik, durch welche der Entwickler von Automaten eine ethische Sensibilität ins Programm der ablaufenden Aktionen hineinschreibt; so erkennt beispielsweise ein automatischer Rasenmäher durch seine Sensoren spielende Kinder und weicht ihnen aus, um sie nicht zu verletzen. Wieder etwas anderes ist die Technikethik, die Entscheidungen des Menschen betrifft, dessen Handlungsspielraum durch Technik erweitert ist; das trifft beispielsweise zu, wenn jemand,...

Michael Kühnlein (Hg.): Religionsphilosophie und Religionskritik

 

Die aufklärerischen Vormärz-Aktivisten des 19. Jahrhunderts Feuerbach (1841) und Marx (1844) hatten Religion entweder als atavistisches Wunschdenken oder heimtückisches Unterdrückungssystem gegenüber ökonomisch Ausgebeuteten entlarvt bzw. für tot erklärt. Das 20. Jahrhundert war dann weniger vom Materialismus als von der Psychologie begeistert und pathologisierte mit Freud (1927) religiöses Bewusstsein als illusionäre unbewältigte Kindheitsneurose; unser gegenwärtiges naturalistisches Säkulum schließlich sieht in biologistischer Prävalenz Religion als evolutiv überflüssig, ja als peinlich-wahnhafte Beleidigung der Menschenwürde (Dawkins, 2006) an.

Doch Totgesagte leben länger! Dies zumindest zeigt Michael Kühnleins überwältigend material- und gedankenreiches „Handbuch“ (ein extrem...

Denis Diderot: Die Unterhaltung eines Philosophen mit der Marschallin de Broglie wider und für die Religion

Die gemeinsam mit Jean Baptist le Rond d’Alembert herausgegebene und mitverfasste „Enzyklopädie der Wissenschaften, Künste und Gewerbe“ (1751-1766) hat Denis Diderot (1713-1784) berühmt gemacht und maßgeblich zum Durchbruch der französischen Aufklärung beigetragen. Der Philosoph und Schriftsteller lebte in einer Zeit, in der die Kritik an der katholischen Kirche ein gefährliches Unterfangen war. Die Zensur und ein demütigender Gefängnisaufenthalts haben Diderot zur Camouflage veranlasst; seine radikalen Schriften bekamen nur Freunde und aufgeklärte Kreise im In- und Ausland zu lesen. Auf diesem Hintergrund erklärt sich die verwickelte Veröffentlichungsgeschichte des „Dialogs“, die der Übersetzter Hans Magnus Enzensberger in seinen „Addenda“ nachzeichnet: Bereits 1774 verfasst, erscheint...

Catrin Misselhorn: Grundfragen der Maschinenethik

Es vergeht kein Tag, ohne dass in der Presse Siegesmeldungen abgedruckt werden, in welcher Hinsicht die Computer bzw. Roboter den Menschen übertreffen. Als der IBM-Computer „deep blue“ Kasparow im Schachspiel besiegte, war das eine Sensa­tion. Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, dass die Computer im Go-Spiel oder im Poker gewinnen. Computer komponieren, malen Bilder, fällen Urteile und stellen Diagnosen. Nichts scheint ihnen unmöglich.

Wir müssen uns also, so scheint es, darauf einstellen, dass die Welt demnächst voll ist von Robotern, die autonom handeln können und die ihrerseits moralische Agenten sind. Was das wohl heisst, wird in der neuen Disziplin der „Maschinenethik“ diskutiert. Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, dass es für uns moralrelevant ist, wie wir mit solchen Maschinen...

Hans Joas / Robert Spaemann: Beten bei Nebel

Welche Gründe hat die zunehmende Verflüchtigung des Glaubens? Wie kann die Kirche darauf reagieren? Welche Rolle spielen Werte? Um diese und weitere Fragen dreht sich ein Gespräch, zu dem die „Herder Korrespondenz“ im Januar 2015 die beiden katholischen Intellektuellen Robert Spaemann und Hans Joas einlud und das nun, ergänzt mit einer Einleitung von Volker Resing, als Buch erschienen ist.

Robert Spaemann (*1927) als Philosoph und Hans Joas (*1948) als Soziologe und Sozialphilosoph agier(t)en beruflich im säkularen Umfeld von Hochschule und Wissenschaft. Beide fühlen sich der katholischen Kirche eng verbunden, sehen im Papst den Garanten kirchlicher Einheit und betonen gegen einen verbreiteten Relativismus, dass „die Wahrheit … nichts von Menschen Gemachtes“ ist (72). Dass ihre Antworten...

Emmeram Kränkl: Glaube & Vernunft

Wer die neutestamentlichen Schriften im Hinblick auf „Glaube und Vernunft“ liest, stößt auf Verwirrendes. So preist Jesus den Vater, weil er das Wesentliche „den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart“ habe (Mt. 11,25). Ähnlich kann Paulus nur davor warnen, sich auf die Weisheit der „Welt“ zu verlassen, denn im Kreuzesgeschehen habe Gott diese Weisheit „als Torheit entlarvt“ (vgl. 1. Kor. 1,18-31). Zugleich kann der Völkermissionar durchaus auf Gedanken der – vorzüglich stoischen – Philosophie zurückgreifen, so, wenn er in den ersten beiden Kapiteln des Römerbriefes auf die alle Menschen verbindende Kraft der (Gottes-) Erkenntnis und des Gewissens verweist. Und Johannes eröffnet sein Evangelium mit einer Meditation über das philosophische Grundwort Logos, um sogleich...

Wilhelm Schmidt-Biggemann: Gott, versuchsweise

Seit geraumer Zeit tauchen aus der Philosophie wieder Publikationen mit „Gott“ oder mit dem „Göttlichen“ im Titel auf dem Buchmarkt auf: Volker Gerhard (Der Sinn des Sinns. Ein Versuch über das Göttliche, 2014) oder Holm Tetens (Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie, 2015), um nur die beiden prominentesten im deutschsprachigen Raum zu nennen (beide in Eulenfisch Literatur besprochen). Nun liegt seit Anfang 2018 mit Wilhelm Schmidt-Biggemann „Gott, versuchsweise. Eine philosophische Theo-Logie“ ein weiterer Titel vor – erneut von einem Berliner Philosophen.

Im Vergleich zu Gerhards Werk tritt dieses Büchlein – wie das von Tetens – deutlich bescheidener auf, nicht nur im Umfang, sondern auch im Anspruch. Es fällt auf, dass alle drei – man möchte sagen: wie es sich...