Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christiane Florin: Trotzdem! Wie ich versuche, katholisch zu bleiben

Christiane Florin, Jahrgang 1968, arbeitet beim Deutschlandfunk in der Redaktion Religion und Gesellschaft. Die kritische Beobachterin der katholischen Kirche hat 2019 den Maria-Grönefeld-Preis bekommen.

Als Schlüsselszene schildert sie die Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche am 25. September 2018. Sie darf die letzte Frage stellen und will wissen, ob einer der Bischöfe wegen der Schuld, die er auf sich geladen hat, auf den Gedanken gekommen sei, die Verantwortung des Amtes nicht mehr tragen zu können. Nach einem Blickwechsel mit Bischof Ackermann antwortet Kardinal Marx knapp: „Nein.“ „Tagesthemen“ und „Frontal“ hängen ihre Reportage an dieser Szene auf, Oliver Welke wird sie in der „heute-Show“ mit einer Anspielung auf...

Paul Deselaers / Robert Verholt: Tod und Auferstehung

Mit „Tod und Auferstehung. Perspektiven des Alten und Neuen Testaments“ nehmen sich Paul Deselaers, Alttestamentler, Priester und Spiritual, sowie Robert Verholt, Neutestamentler an der Universität Luzern, ein fundamentales und zentrales Themenfeld des christlichen Glaubens an. Der Aufbau des Buches ist – wie bei dieser Reihe üblich und gewohnt – dreigeteilt: Zuerst werden wesentliche Texte und Perspektiven aus dem Alten Testament und anschließend aus dem Neuen Testament vorgestellt und besprochen. In einem abschließenden „Dialog“ werden sodann alt- und neutestamentliche Perspektiven des Themenfeldes Tod und Auferstehung zusammengeführt und Brücken zwischen den beiden Teilen der christlichen Bibel herausgearbeitet. Es steht außer Frage, dass bei einem Umfang des Buches von gut 160 Seiten...

Mattȃ Al-Maskȋn: Die Erfahrung Gottes im Leben des Gebets

Das vorliegende Buch verdankt sich einer ganzen Reihe „göttlicher Zufälle“. Bevor der Verfasser Mattȃ Al-Maskȋn (1919-2006) – damals noch mit Namen Yusuf Iskander – 1948 seine Apotheke verkaufte, das Geld den Armen schenkte und Kairo verließ, um in einem entlegenen Wüstenkloster koptisch-orthodoxer Mönch zu werden, nahm er noch Abschied von einem guten Freund. Dieser gab ihm ein maschinengeschriebenes Manuskript von 122 Seiten mit auf den Weg, welches er von einem englischen Jerusalem-Pilger erhalten hatte. Yusuf nahm es zusammen mit der Heiligen Schrift zunächst ungeöffnet mit in seine Einsamkeit und entdeckte dort bald den Reichtum der Notizen, die vor allem aus Väterzitaten der orthodoxen Tradition Russlands bestanden. Das „einzige Erbe aus der Welt“ (366) wird für Mattȃ Al-Maskȋn zur...

Michel de Certeau: Täglich aufbrechen zu den anderen …

Wer in Gott eintaucht, taucht beim Nächsten auf – und wer sich wirklich auf den Anderen und Fremden als Nächsten einlässt, ist schon von Gott ergriffen. Diese mystisch-politische Grunddynamik des biblischen Hauptgebotes spiegelt sich vielfarbig in Glaubensbiografien, bisweilen gar abbildlich in deren Lebenshälften. Dass z.B. der jetzige Papst sich derart politisch und ökologisch äußert, dass es die verbürgerlichten Kirchen Deutschlands eher verschreckt als ermutigt, hat tiefe Quellen in seiner ignatianischen Prägung und jesuitischen Geschichte: Die stets höhere Ehrung Gottes und das Wohl der Erde gehören zusammen. Auch im Leben und Wirken seines Ordensbruders Michel de Certeau (1925-1986), einem der Lieblingstheologen von Papst Franziskus, zeigt sich diese Spannung von Gottes- und...

Notger Slenczka: Theologie der reformatorischen Bekenntnisschriften

Evangelische Theologie reserviert das Wort „Dogma“ in der Regel für die großen altkirchlichen Lehrentscheidungen und fasst die normativen und konfessionsgründenden Texte des 16. und ggf. späterer Jahrhunderte als „Bekenntnisse“. Lutheraner folgen dabei dem Ideal des einheitlichen Bekenntnisstandes („una doctrina“), die reformierte Bekenntnisbildung betont, dass Bekenntnis situativ erfolgt und unter Änderungsvorbehalt steht („ecclesia semper reformanda“). Eine Theologie der Bekenntnisschriften gehört in beiden Traditionen zu den Großwerken konfessioneller Selbstverortung und -vergewisserung, weil sie nie nur Historisches zu den Bekenntnistexten liefert, sondern Angebote zu ihrem Verständnis und zu ihrem Stellenwert in der jeweils gegenwärtigen Debatte unterbreitet.

Von diesem Buch gilt das...

Hermann Stinglhammer / Bernhard Kirchgessner (Hg.): Einführung in das Christentum – für heute

Die beiden Herausgeber legen mit „Der Glaube an Gott“ den ersten eines auf drei Bände konzipierten Glaubenskurses vor. Am Apostolischen Glaubensbekenntnis orientiert, sind sie Joseph Ratzingers Buch „Einführung in das Christentum“ verpflichtet, wollen heutigen Adressaten die grundlegenden Inhalte des Glaubens aus unterschiedlichen Perspektiven vermitteln. Sie werden in sechs interessanten Kapiteln als Beiträge verschiedener Autoren klar und übersichtlich dargestellt.

Noch vor ihren Ausführungen steht das Gespräch der beiden Herausgeber mit dem Passauer Bischof Stefan Oster: „Ich glaube, wir glauben“ (13-33): Glaube ist als ein personales Verhältnis zu Jesus Christus zu verstehen, in dessen Heiligem Geist der Einzelne gemeinsam mit anderen in der Beziehung zu Gott, dem Vater, leben kann.

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Annettte Hilt / René Torkler / Anna Waczek (Hg.): Erzählend philosophieren – ein Lehr- und Lesebuch

Mit Nachdruck forderte der britische Philosoph Alfred North Whitehead in seiner grundlegenden Abhandlung „Wissenschaft und moderne Welt“ (1925), Philosophen sollten doch beständig und aufmerksam auf die Literatur als eigene Kunstform blicken, um „die innersten Gedanken einer Generation zu erkennen“. Whitehead sprach der Literatur dabei das Potenzial zu, im Modus des Erzählens Erfahrungen zu reflektieren, die nicht einfach als verwässerte philosophische Konzepte zu deklassieren wären. Vielmehr eröffnete die Literatur als Kunst für Whitehead einen weiten Resonanzraum, in dem sich Philosophie, verstanden als die vernunftbegründete Reflexion menschlichen Tuns, verdichtet ereignen würde.

In einem solchen Sinn beleuchten Annette Hilt (Professorin für Philosophie an der Cusanus-Hochschule...

Philip Gorski: Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump

In wenigen Monaten wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Noch – im Spätsommer 2020 – ist völlig unklar, ob Donald Trump wiedergewählt werden oder ob Joe Biden seine Nachfolge antreten wird. Die USA, so kann man aber auf jeden Fall sagen, sind ein Land, das aus vielen Gründen – vom latenten und offenen Rassismus über wirtschaftliche Faktoren bis hin zur Corona-Krise – gespalten ist und sich in einer der größten Krisen seiner Geschichte befindet. Diese Wahl ist überaus bedeutsam – auch für den Rest der Welt.

Der Ausgang der Wahl hängt von vielen religiösen Aspekten ab, die aus europäischer Perspektive oft erstaunlich wirken oder kaum bekannt sind. Die Trennung von Kirche und Staat gehört zwar zu den Grundprinzipien der USA. Doch spielen religiöse Fragen in der amerikanischen Politik...