Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Michel de Certeau: Täglich aufbrechen zu den anderen …

Wer in Gott eintaucht, taucht beim Nächsten auf – und wer sich wirklich auf den Anderen und Fremden als Nächsten einlässt, ist schon von Gott ergriffen. Diese mystisch-politische Grunddynamik des biblischen Hauptgebotes spiegelt sich vielfarbig in Glaubensbiografien, bisweilen gar abbildlich in deren Lebenshälften. Dass z.B. der jetzige Papst sich derart politisch und ökologisch äußert, dass es die verbürgerlichten Kirchen Deutschlands eher verschreckt als ermutigt, hat tiefe Quellen in seiner ignatianischen Prägung und jesuitischen Geschichte: Die stets höhere Ehrung Gottes und das Wohl der Erde gehören zusammen. Auch im Leben und Wirken seines Ordensbruders Michel de Certeau (1925-1986), einem der Lieblingstheologen von Papst Franziskus, zeigt sich diese Spannung von Gottes- und...

Notger Slenczka: Theologie der reformatorischen Bekenntnisschriften

Evangelische Theologie reserviert das Wort „Dogma“ in der Regel für die großen altkirchlichen Lehrentscheidungen und fasst die normativen und konfessionsgründenden Texte des 16. und ggf. späterer Jahrhunderte als „Bekenntnisse“. Lutheraner folgen dabei dem Ideal des einheitlichen Bekenntnisstandes („una doctrina“), die reformierte Bekenntnisbildung betont, dass Bekenntnis situativ erfolgt und unter Änderungsvorbehalt steht („ecclesia semper reformanda“). Eine Theologie der Bekenntnisschriften gehört in beiden Traditionen zu den Großwerken konfessioneller Selbstverortung und -vergewisserung, weil sie nie nur Historisches zu den Bekenntnistexten liefert, sondern Angebote zu ihrem Verständnis und zu ihrem Stellenwert in der jeweils gegenwärtigen Debatte unterbreitet.

Von diesem Buch gilt das...

Hermann Stinglhammer / Bernhard Kirchgessner (Hg.): Einführung in das Christentum – für heute

Die beiden Herausgeber legen mit „Der Glaube an Gott“ den ersten eines auf drei Bände konzipierten Glaubenskurses vor. Am Apostolischen Glaubensbekenntnis orientiert, sind sie Joseph Ratzingers Buch „Einführung in das Christentum“ verpflichtet, wollen heutigen Adressaten die grundlegenden Inhalte des Glaubens aus unterschiedlichen Perspektiven vermitteln. Sie werden in sechs interessanten Kapiteln als Beiträge verschiedener Autoren klar und übersichtlich dargestellt.

Noch vor ihren Ausführungen steht das Gespräch der beiden Herausgeber mit dem Passauer Bischof Stefan Oster: „Ich glaube, wir glauben“ (13-33): Glaube ist als ein personales Verhältnis zu Jesus Christus zu verstehen, in dessen Heiligem Geist der Einzelne gemeinsam mit anderen in der Beziehung zu Gott, dem Vater, leben kann.

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Annettte Hilt / René Torkler / Anna Waczek (Hg.): Erzählend philosophieren – ein Lehr- und Lesebuch

Mit Nachdruck forderte der britische Philosoph Alfred North Whitehead in seiner grundlegenden Abhandlung „Wissenschaft und moderne Welt“ (1925), Philosophen sollten doch beständig und aufmerksam auf die Literatur als eigene Kunstform blicken, um „die innersten Gedanken einer Generation zu erkennen“. Whitehead sprach der Literatur dabei das Potenzial zu, im Modus des Erzählens Erfahrungen zu reflektieren, die nicht einfach als verwässerte philosophische Konzepte zu deklassieren wären. Vielmehr eröffnete die Literatur als Kunst für Whitehead einen weiten Resonanzraum, in dem sich Philosophie, verstanden als die vernunftbegründete Reflexion menschlichen Tuns, verdichtet ereignen würde.

In einem solchen Sinn beleuchten Annette Hilt (Professorin für Philosophie an der Cusanus-Hochschule...

Philip Gorski: Am Scheideweg. Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump

In wenigen Monaten wird in den USA ein neuer Präsident gewählt. Noch – im Spätsommer 2020 – ist völlig unklar, ob Donald Trump wiedergewählt werden oder ob Joe Biden seine Nachfolge antreten wird. Die USA, so kann man aber auf jeden Fall sagen, sind ein Land, das aus vielen Gründen – vom latenten und offenen Rassismus über wirtschaftliche Faktoren bis hin zur Corona-Krise – gespalten ist und sich in einer der größten Krisen seiner Geschichte befindet. Diese Wahl ist überaus bedeutsam – auch für den Rest der Welt.

Der Ausgang der Wahl hängt von vielen religiösen Aspekten ab, die aus europäischer Perspektive oft erstaunlich wirken oder kaum bekannt sind. Die Trennung von Kirche und Staat gehört zwar zu den Grundprinzipien der USA. Doch spielen religiöse Fragen in der amerikanischen Politik...

Mirjam Schambeck / Henrik Simojoki / Athanasios Stogiannidis (Hg.): Auf dem Weg zu einer ökumenischen Religionsdidaktik

Der vorliegende, auf zwei Tagungen in Griechenland zurückgehende Sammelband versteht sich als ein weiterführender Beitrag zu einer ökumenischen Religionsdidaktik mit zwei innovativen Perspektiven: zum einen die ökumenische Erweiterung um die Orthodoxie – der kleinen, aber dennoch drittgrößten christlichen Konfession in Deutschland –, zum anderen die Einbindung zweier europäischer Länder – Österreich und Griechenland – mit ihrer je eigenen, mehrheitlich katholischen bzw. fast vollständig orthodoxen Prägung.

Demzufolge steht im ersten Kapitel daher die Kontextualisierung einer ökumenischen Religionsdidaktik mit Blick auf die Majoritäts-Minoritätsfrage im Vordergrund. Bereits hier gelingt der trikonfessionelle und europäische Austausch. So zeigt etwa der österreichische Beitrag anhand einer...

Andreas Renz: Gott und die Religionen

In der theologischen Diskussion der letzten 30 Jahre hat sich für die verschiedenen religionstheologischen Modelle ein Dreierschema herausgebildet: Während der Exklusivismus außerhalb der eigenen Religion keine Wahrheit anerkennt und der Inklusivismus in anderen Religionen immerhin Elemente der eigenen Wahrheit wahrzunehmen bereit ist, scheint allein der Pluralismus einen ernsthaften Dialog mit anderen Religionen zu ermöglichen. Bekannt und in manchen Religionsbüchern präsent ist als Beispiel für Letzteren das aus dem Buddhismus stammende Bild von den Blinden, die bei dem Versuch, die Umrisse eines Elefanten zu ertasten, immer nur dessen Teile erfassen. Demgegenüber zeigt der Verfasser des vorliegenden Buches, dass dieses Bild, das uns im Unterschied zu den Blinden den ganzen Elefanten...

Martin Goodman: Die Geschichte des Judentums

Alle reden von 1.700 Jahren jüdischerPräsenz auf dem Gebiet Deutschlands, doch was es tatsächlich heißt, sich en detail mit der Geschichte des Judentums in seiner Breite und Tiefe auseinanderzusetzen, ahnt, wer den voluminösen, von Susanne Held exzellent und gut lesbar aus dem Englischen ins Deutsche übersetzten Band des namhaften Professors für Jüdische Studien in Oxford Martin Goodman aufschlägt.

In fünf sinnvollen, nicht im strengen Sinn chronologisch gegliederten Teilen („Ursprünge“, „Die Interpretation der Tora“, „Die Herausbildung des rabbinischen Judentums“, „Autorität und Reaktion“ und „Die Herausforderungen der Moderne“) werden tatsächlich 4.000 Jahre jüdischer Geschichte unter klarer Reflexion auf die wichtigsten Quellen und ihre Zuverlässigkeit sowie die Wahrnehmung der seit...