Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

François Jullien: Ressourcen des Christentums

In Reaktion auf den publizistischen Erfolg, den Vertreter des sogenannten „Neuen Atheismus“ seit der Jahrtausendwende in der medialen Öffentlichkeit erzielt haben, melden sich in jüngerer Zeit Philosophen zu Wort, die, obwohl nach eigenem Bekunden selbst nicht gläubig, über die in der Regel wenig plausiblen, logisch fehlerhaften Argumente der modernen Vulgär-Atheisten hinausgelangen möchten. Als prominentes Beispiel für den Versuch, den gesellschaftlichen Diskurs (wieder) auf eine seriöse, nicht länger primitiv-reduktionistische Grundlage zu stellen, kann der britische Philosoph Tim Crane angeführt werden, der 2017 das Buch „The Meaning of Belief. Religion from an Atheist's Point of View“ (vgl. die Rezension in EULENFISCH Literatur 1_2020) vorgelegt hat und darin treffend bemerkt: „In...

Peter Sloterdijk: Den Himmel zum Sprechen bringen. Über Theosophie

Es gilt, „den Himmel zum Sprechen zu bringen“. Kenntnis- und variationsreich schweift Peter Sloterdijk durch die Religions-, Philosophie- und Theologiegeschichte: von den alten Ägyptern zur griechischen Antike, von der Antike zu den Patristikern, vom Aquinaten zu Friedrich Schleiermacher, Martin Heidegger und Kurt Flasch, kreuz und quer, hin und her. Das religiöse Phänomen lässt Sloterdijk nicht los. Immer wieder greift er es auf, ironisierend bis zur Parodie, aber auch geistreich reflektierend mit Argumenten, die, weil aus reicher Quellenkenntnis schöpfend, durchaus religionswissenschaftlich wie theologiegeschichtlich weiterführen. Entstanden ist das vorliegende Werk aus einem Freiburger Vortrag über „Religion nach ihrer Entzauberung“ und einem erweiterten Beitrag zu einer Festschrift für...

Michael Kühnlein (Hg.): konservativ?! Miniaturen aus Kultur, Politik und Wissenschaft

Im Jahre 1795 lobte Napoleon Bonaparte einen Preis aus für ein Verfahren, mit dem man verderbliche Lebensmittel haltbar machen und seine Soldaten ohne Plünderungen ernähren konnte. Die Lösung war: die Konservendose – eine rundweg praktikable, ja sogar äußerst menschenfreundliche Lösung für das anstehende Problem. In heutigen Zeiten gilt aus kulinarischen und ökologischen Gründen solches Konservieren als höchst umstritten und veraltet, bestenfalls als „old school“ belächelt. So geht es auch der weltanschaulichen Haltung des „Konservativen“ – gängige Zuschreibungen dazu sind: ewiggestrig, reaktionär, Reformverweigerer, Bremser des Fortschritts … Andererseits erfordern augenscheinlich gesellschaftlich sowie individuell mitreißende und strukturverändernde Wandlungsprozesse auch eine...

Meister Eckhart: Die Reden zur Orientierung im Denken

Anzuzeigen ist hier eine neue Ausgabe der bekannten Frühschrift des damaligen Erfurter Dominikanerpriors Eckhart von Hohenheim in der philosophischen Bibliothek Meiner. Meister Eckhart hat in seinem wissenschaftlichen Studium als Magister und als Lektor – zweimal lehrte der „Lesemeister“ als Magister an der Pariser Universität – sein Verständnis eines begrifflich ausweisbaren „denkenden“ Glaubens erarbeitet. Zeitlebens verteidigt er seine Einsicht, dass ein solches Rationalitätsmodell den für einen Christen einzig überzeugenden und maßgeblichen Lebensentwurf darstellt. Nur durch eine vernunftgeleitete Theologie kann für Eckhart der Glauben von interessegeleiteten Verzerrungen durch Machtpolitik in den Staaten wie in der Kirche frei gehalten werden. Im Sinne seines dominikanischen...

Nikil Mukerji / Adriano Mannino: Covid-19: Was in der Krise zählt

Dass Epidemiologen und Virologen gebraucht werden, um einer Pandemie zu begegnen, leuchtet ein, aber Philosophen? – Die beiden Autoren Mukerji und Mannino plädieren nachdrücklich dafür, denn man benötigt Entscheidungstheorie und Risikoethik, um zum Beispiel die Frage anzugehen, welche Fachdisziplinen relevant sind und was man tun soll, wenn sich die Experten nicht einigen. In der akuten Krise kann die Philosophie nicht warten, bis die empirischen Daten komplett sind und die Fachdiskussion abgeschlossen ist, sondern man benötigt Heuristiken, um mit Unsicherheit und Dissens umzugehen. Gefragt ist „philosophy with a deadline“ (Nick Bostrom),Echtzeitphilosophie, und dies vor, während und nach der Krise. Dabei ist die Covid-19-Epidemie in Deutschland ein Anlass, über diese Fragen nachzudenken,...

Michael Stausberg: Die Heilsbringer

Im Zusammenhang der Weltausstellung 1893 in Chicago fand das erste Weltparlament der Religionen statt. Es dauerte 16 Tage, insgesamt wurden 216 Vorträge gehalten. Der Religionswissenschaftler Michel Strausberg nimmt dieses Ereignis, dem er eine globale Bedeutung beimisst, zum Anlass und zeitlichen Ausgang seiner Globalgeschichte der Religionen im 20. Jahrhundert. Sein 20. Jahrhundert endet mit den Terroranschlägen in New York am 11. September 2001. Was beim Weltparlament der Religionen in Chicago zum ersten Mal in die Weltöffentlichkeit trat, war, Strausberg zufolge, Religion als Kategorie neben anderen Kategorien der Wirtschaft, Politik, Geschichte, Wissenschaft usw. Erstmals traten (nur sehr wenige) Vertreterinnen und (sehr viele) Vertreter unterschiedlichster Religionen zusammen und...

Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik

Mit „Meinungen und Richtungen im 20. und 21. Jahrhundert“ ist jetzt der fünfte und letzte Band von Karl Erich Grözinger „Jüdisches Denken. Theologie, Philosophie und Mystik“ erschienen. Das monumentale Standardwerk beginnt mit der Bibel (Band 1) und schließt mit der Jüdischen Philosophie im 21. Jahrhundert (Band 5). Unter „Jüdischem Denken“ versteht Grözinger allerdings nicht nur die Philosophie im engeren Sinn, sondern auch das theologische und mystische, das politische und das konfessionelle Denken, kurz jede Art von Denken, in der das Judentum seine Quellen, seine Aufgaben, seine Existenz durchdacht hat.

Der Verfasser geht in der Regel monographisch vor und präsentiert Denker (in Band 5 auch Denkerinnen) und Werke. Wobei er immer wieder die drei Gegenstände der metaphysica specialis...

Stefan Lorenz Sorgner: Übermensch

Stefan Lorenz Sorgner plädiert im vorliegenden Bändchen für die Herstellung des Übermenschen mit Mitteln der Genmanipulation und der Implantierung künstlicher Intelligenz in den menschlichen Körper und nennt diese Position „Transhumanismus“. Wozu das gut sein soll, darf jeder weitgehend selbst bestimmen. Der Verfasser spricht von einem „radikalen Pluralismus des Guten“. Wie weit das geht, erläutert er am Beispiel zweier lesbischer Professorinnen, die ihre Taubheit nicht als Behinderung begreifen und entsprechend einen tauben Samenspender zur Zeugung eines tauben Kindes suchen. Sorgner meint, dass es falsch wäre zu behaupten, damit würde dem Kind geschadet.

Natürlich braucht ein Gemeinwesen Regeln, und Sorger ist nicht mal grundsätzlich dagegen, dass diese durch ein System der...