Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Yvonne Sherwood: Blasphemie

Wie ein Relikt vergangener Zeiten ragt es aus der Geschichte in unsere Gegenwart hinein: das Vergehen der Blasphemie. Die Schmähung des Göttlichen, des Heiligen, die Lästerung der Götter, ja, Gottes selbst. Und doch scheint dieser „Frevel“ aktuell wieder an Relevanz zu gewinnen. Allen Prognosen zunehmender Säkularisierung im Allgemeinen und des Niedergangs der Bedeutung des Religiösen im Besonderen zum Trotz. Yvonne Sherwood, Professorin für Biblische Kulturen und Politik an der University of Kent, hat sich dieses Phänomen des Ungleichzeitigen näher angesehen und sich auf eine kulturgeschichtliche Spurensuche begeben. Herausgekommen ist eine erkenntnisreiche, wenngleich etwas mäandrierende Tour d’Horizon durch die Geschichte der Blasphemie. Sie nimmt ihren Ausgang im Buch der Könige des...

Christoph Thoma: Gott im Schatten der Religionspädagogik

Die Organisation des Religionsunterrichts ist in allen westdeutschen Bundesländern in Bewegung begriffen. Der Umstieg vom konfessionellen auf den konfessionell-kooperativen RU ist mittlerweile flächendeckend auf den Weg gebracht worden. Niedersachsen geht mit der Einführung eines von den Kirchen gemeinsam verantworteten christlichen RU noch einen Schritt weiter und Hamburg stellt sogar auf RUFA 2.0 um, da Multireligiosität und Multikulturalität in einer Millionenstadt religionspädagogisch-organisatorisch anders offensichtlich nicht mehr zu bewältigen sind. Die Frage, welche Konsequenzen aus der Wahl der RU-Organisationsform für die Begründung des Faches sowie dessen inhaltliche Ausgestaltung gezogen werden müssten, wird erst in jüngster Zeit systematisch reflektiert. Mit Interesse greift...

Christian Krijnen: Das Absolute. Ein Essay über die Einheit

Das Absolute, so Christian Krijnen in seinem Essay, ist ein fundamentaler Begriff der Philosophie, auch wenn er in der Gegenwartsphilosophie kaum thematisiert wird. Diesen Begriff in seiner Bedeutung für die Philosophie zu entfalten, ist das Vorhaben des Autors. Er bezieht sich hierbei vor allem auf den spekulativen Idealismus Hegels. Dem Absoluten als „das Eine“, so der Ausgangspunkt, kann nicht ein „Anderes“ entgegengesetzt werden, das nicht in dem Absoluten selbst noch einmal vermittelt wäre. Dies führt zur Zurückweisung eines universal formulierten Relativismus. Dieser wird nämlich ohne die Voraussetzung des Absoluten widersprüchlich, da zu dem Begriff des Denkbaren ein diesen relativierender, undenkbarer Begriff gedacht werden müsste.

Der gedankliche Weg, den Krijnen hier geht, nimmt...

Engelbert Recktenwald: Wirklichkeitserschließendes Sollen

„Philosophieren aus Not“ habe ihn, so bekennt der Philosoph und Theologe Engelbert Recktenwald, zu dem zentralen Gedanken dieses Buches geführt. Krisenhaft hat der Kant-Kenner die Bekanntschaft mit der Transzendentalphilosophie erlebt, wie schon Hölderlin und Kleist, für die Kants Erkenntniskritik die vertraute Welt in einen unwirklichen subjektivistischen Schein zu verwandeln schien. Doch zugleich habe Kants „Kritik der praktischen Vernunft“ zusammen mit der existenziellen Erfahrung des Gewissens bei ihm die Erkenntnis reifen lassen, dass im Sittengesetz und dem damit verbundenen „du sollst“ eine untrügliche Gewissheit zu finden ist. Sie ist unmittelbar und intuitiv, erfordert aber die freie Zustimmung der Person, die ihr Handeln danach ausrichten muss. Im Werk Anselms von Canterbury, dem...

Hartmut Rosa: When Monsters Roar and Angels sing. Eine kleine Soziologie des Heavy Metal

Muss man Hartmut Rosa vorstellen? Notwendig erscheint es nicht. Seit Jahren gehört er zu den gefragtesten Gesprächspartnern im deutschsprachigen Raum. Denn er gilt als jemand, der sich auch ohne das Sicherheitsnetz des Soziologenjargons souverän zu bewegen weiß, bei Bedarf aber auf akademische Sprachkonventionen zurückzugreifen vermag. Längst sind seine Bücher, auch und gerade die seitenstärksten, zu Impulsgebern für Politik und Wissenschaft geworden – nicht zuletzt für die Theologie. Einige ihrer Titel, zuletzt „Unverfügbarkeit“, haben geradezu den Rang geflügelter Worte gewonnen, mit denen man sich zu verstehen gibt, dass man den Geist unserer Zeit auf den Begriff zu bringen weiß. Und dennoch muss man Hartmut Rosa hier vorstellen. Bisher dürfte nämlich nur den wenigsten bekannt sein,...

Karl Rahner: Glaube und Kultur. Zu Literatur, Musik und Kunst

Karl Rahner (1904-1984) darf aus vielen Gründen als der bedeutendste und einflussreichste katholische Theologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Rahner, der von sich selbst sagte, sein Leben sei das normale und durchschnittliche Leben eines mitteleuropäischen Bürgers ohne besondere Bekehrungserlebnisse oder fromme Heldentaten, folgte dem Leitmotiv seines Jesuitenordens „Gott in allen Dingen finden.“ Als Konzilsberater trug er wesentlich zu einer dogmatischen Bestimmung des Wesens der Kirche bei, formulierte ein positives Verhältnis zu anderen Religionen und einer pluralistischen Gesellschaft; kurzum zu einer säkularen Wirklichkeit, wie sie sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer weiter ausgebildet hatte.

In einer Zeit, in der Theologie und Kirche besorgt darum waren, wie mit den...

Andreas Bieringer: Gottesdienst in der Literatur

Das spannungsreiche Dialogfeld von Theologie und Literatur wurde in den letzten Jahrzehnten wissenschaftlich intensiv ausgeleuchtet. Eine Dimension blieb dabei jedoch bislang fast durchgängig außen vor: die Frage, wie sich die liturgische Praxis der (katholischen) Kirche literarisch in der Gegenwartsliteratur niederschlägt.

Die vorliegende Habilitationsschrift des in St. Georgen lehrenden Liturgiewissenschaftlers Andreas Bieringer schließt diese Lücke in beeindruckender Form. Nicht nur, dass sie zentrale Werke im Blick auf „Gottesdienst in der Literatur“ (so der Titel der Untersuchung) sichtet und deutet, sie konzipiert darauf aufbauend zudem den „Entwurf einer kultursensiblen Liturgiewissenschaft“ (so der Untertitel). In diesem Spektrum soll sie „einen Beitrag zur theologischen bzw....

Raphaela Brüggenthies: „Heilige Schwelle“ Der frühe Heine – ein jüdisch-christliches Itinerarium

Wenn man lesend den Kosmos Heinrich Heines (1797-1856) betritt, nähert man sich gleich zwei Welten: einmal der eines der herausforderndsten deutschsprachigen Dichter seiner Epoche, darin ganz und gar individuell und einzigartig; gleichzeitig aber auch dem Leben einer repräsentativen Gestalt, hin- und hergerissen zwischen den Welten des ererbten Judentums und der durch Konversion erschlossenen Welt des (evangelisch geprägten) Christentums.

Dass Heines Konversion kaum einer wirklich religiösen Überzeugung entsprochen hatte, dass er sie umgehend bereuen und später herunterspielen würde, das war bekannt. Auch, dass diese Taufe ihm primär als billet d’entrée zur kulturellen Zugehörigkeit dienen sollte – eine Wunschvorstellung, die sich nicht erfüllen würde –, gehörte zum Allgemeinwissen über...