Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hans Peter Duerr: Diesseits von Eden. Über den Ursprung der Religion

Bekannt wurde der Ethnologe Hans-Peter Duerr (geb. 1943) durch sein Buch „Traumzeit. Über die Grenzen zwischen Wildnis und Zivilisation“ (1978). Ich hatte damals dieses Buch verschlungen und war entsprechend gespannt auf sein Alterswerk. Es umfasst 751 Seiten, 472 Seiten Text, 129 Seiten Anmerkungen und 142 Seiten Literaturangaben und andere Nachweise bzw. Register.

Vorweg: Bemerkenswert ist an dem Buch, dass der Untertitel „Über den Ursprung der Religion“, was eine begriffliche Aufarbeitung betrifft, eigentlich bedeutungslos ist. Vielleicht habe ich einige Seiten übersehen, aber im Hinblick auf eine begriffliche Auseinandersetzung mit Religionstheorie(n) im weitesten Sinne habe ich insgesamt ungefähr 21 Seiten mit einschlägigen, oft nur wenige Sätze umfassenden Argumentationen gefunden...

Friedrich Schorlemmer: Die schöne Kraft des Glockenseils. Gespräche mit Hans-Dieter Schütt

Friedrich Schorlemmer, geboren 1944, ist evangelischer Theologe, Schriftsteller, vielfach engagierter Bürgerrechtler und gehörte zu den prominentesten Protagonisten der Opposition, die in der DDR die Wende von 1989 herbeigeführt haben. Der Erziehung in einem evangelischen Pfarrhaus verdankt er seine christliche Prägung, die ihn in Widerspruch zur atheistischen Staatsdoktrin der DDR brachte. Er studierte Theologie, war Studentenpfarrer in Wittenberg, lehrte als Dozent am Evangelischen Predigerseminar und war Prediger an der Schlosskirche in Wittenberg. Sein politisches Engagement zeigt er als Mitglied der Friedens-, Menschenrechts- und Umweltbewegung und wurde über die Grenzen der DDR hinaus bekannt durch seine Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“, bei der er anlässlich des Kirchentages 1983...

Uwe Birnstein „Hallelujah“, Leonard Cohen!

Zugegebenermaßen: Die ideenlose Umschlaggestaltung wie auch der Titel des Buchs lassen kritische Leser zurückweichen. Der Untertitel „Wie Leonard Cohen Gott lobte, Jesus suchte und unsere Herzen berührt“ klingt nach dem programmatischen Dreischritt jener christlichen Musikliteratur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit christlicher Brille Biografien und Werke von Künstlern zu analysieren und dann eine Nähe zum Christentum zu attestieren, um eine gewisse (Selbst-)Bestätigung der Cohen‘schen Hörerschaft im christlichen Milieu zu evozieren. Alle anderen Hörer mögen angesichts dieses Titels, der bereits die kitschige Vereinnahmung und Nivellierung des Musikers vorwegzuschicken meint, das Buch stirnrunzelnd beiseitelegen. Der Titel der 2014 erschienenen Biografie von Liel Leibovitz wirkt...

Mouhanad Khorchide: Gottes falsche Anwälte

„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben“. Wie die beiden Zeilen aus Herrmann Hesses Gedicht „Stufen“ zeigt, scheint es eine Konstante im Menschen zu geben, die dazu führt, Anfänge zu idealisieren, vor allem, wenn man die Anfänge nicht selbst erlebt hat und aus einer bestimmten historischen Ferne auf sie schaut. Dann ist immer von der „guten alten Zeit“ die Rede, in der alles besser und schöner war als in der Gegenwart. Letztendlich können Anfänge zu ungeheuer großen Projektionsflächen werden, in denen alles das hineinreflektiert wird, was man in der Gegenwart schmerzlich zu vermissen meint. Dieser Befund der Idealisierung des Anfangs trifft besonders auf Religionen und ihre sogenannten Stifter zu.

Die nachfolgende historische Entwicklung wird...

François Jullien: Ressourcen des Christentums

In Reaktion auf den publizistischen Erfolg, den Vertreter des sogenannten „Neuen Atheismus“ seit der Jahrtausendwende in der medialen Öffentlichkeit erzielt haben, melden sich in jüngerer Zeit Philosophen zu Wort, die, obwohl nach eigenem Bekunden selbst nicht gläubig, über die in der Regel wenig plausiblen, logisch fehlerhaften Argumente der modernen Vulgär-Atheisten hinausgelangen möchten. Als prominentes Beispiel für den Versuch, den gesellschaftlichen Diskurs (wieder) auf eine seriöse, nicht länger primitiv-reduktionistische Grundlage zu stellen, kann der britische Philosoph Tim Crane angeführt werden, der 2017 das Buch „The Meaning of Belief. Religion from an Atheist's Point of View“ (vgl. die Rezension in EULENFISCH Literatur 1_2020) vorgelegt hat und darin treffend bemerkt: „In...

Peter Sloterdijk: Den Himmel zum Sprechen bringen. Über Theosophie

Es gilt, „den Himmel zum Sprechen zu bringen“. Kenntnis- und variationsreich schweift Peter Sloterdijk durch die Religions-, Philosophie- und Theologiegeschichte: von den alten Ägyptern zur griechischen Antike, von der Antike zu den Patristikern, vom Aquinaten zu Friedrich Schleiermacher, Martin Heidegger und Kurt Flasch, kreuz und quer, hin und her. Das religiöse Phänomen lässt Sloterdijk nicht los. Immer wieder greift er es auf, ironisierend bis zur Parodie, aber auch geistreich reflektierend mit Argumenten, die, weil aus reicher Quellenkenntnis schöpfend, durchaus religionswissenschaftlich wie theologiegeschichtlich weiterführen. Entstanden ist das vorliegende Werk aus einem Freiburger Vortrag über „Religion nach ihrer Entzauberung“ und einem erweiterten Beitrag zu einer Festschrift für...

Michael Kühnlein (Hg.): konservativ?! Miniaturen aus Kultur, Politik und Wissenschaft

Im Jahre 1795 lobte Napoleon Bonaparte einen Preis aus für ein Verfahren, mit dem man verderbliche Lebensmittel haltbar machen und seine Soldaten ohne Plünderungen ernähren konnte. Die Lösung war: die Konservendose – eine rundweg praktikable, ja sogar äußerst menschenfreundliche Lösung für das anstehende Problem. In heutigen Zeiten gilt aus kulinarischen und ökologischen Gründen solches Konservieren als höchst umstritten und veraltet, bestenfalls als „old school“ belächelt. So geht es auch der weltanschaulichen Haltung des „Konservativen“ – gängige Zuschreibungen dazu sind: ewiggestrig, reaktionär, Reformverweigerer, Bremser des Fortschritts … Andererseits erfordern augenscheinlich gesellschaftlich sowie individuell mitreißende und strukturverändernde Wandlungsprozesse auch eine...

Meister Eckhart: Die Reden zur Orientierung im Denken

Anzuzeigen ist hier eine neue Ausgabe der bekannten Frühschrift des damaligen Erfurter Dominikanerpriors Eckhart von Hohenheim in der philosophischen Bibliothek Meiner. Meister Eckhart hat in seinem wissenschaftlichen Studium als Magister und als Lektor – zweimal lehrte der „Lesemeister“ als Magister an der Pariser Universität – sein Verständnis eines begrifflich ausweisbaren „denkenden“ Glaubens erarbeitet. Zeitlebens verteidigt er seine Einsicht, dass ein solches Rationalitätsmodell den für einen Christen einzig überzeugenden und maßgeblichen Lebensentwurf darstellt. Nur durch eine vernunftgeleitete Theologie kann für Eckhart der Glauben von interessegeleiteten Verzerrungen durch Machtpolitik in den Staaten wie in der Kirche frei gehalten werden. Im Sinne seines dominikanischen...