Der erste Blick auf die opulente Anthologie mag irritieren. Der Einband ist pechschwarz, und an das „G“ des Titelwortes schmiegt sich ein kleines Wesen, das gewiss eher teuflisch denn himmlisch ausschaut. Die Innenseiten des Einbandes wiederum bilden auf jeweils zwei Seiten beide Sphären ab: höchst bewegliche, kleine Engelsgestalten und dunkle, gehörnte „Flecken“, die auf Teuflisches verweisen. Wer den Band studiert, merkt rasch, dass der Autor die ganze, ambivalente Engel-Tradition in den Blick nimmt: die alterslosen Bewohner der Ewigkeit („Engel sind ewige Jugendlichkeit, verbunden mit der Weisheit des Alters“) wie die „gefallenen“ Engel, die man weniger mit „Sphärenmusik“ denn mit Dämonen oder dem Blocksberg verbindet. Diese Anthologie, von A bis Z geordnet, lässt sich als eine Summa...
Der Zeichner, Grafiker, Maler, Stahlbildhauer und einstige Aktionskünstler Michael Morgner kann auf ein reiches und vielfältiges Werk zurückblicken. Er bekam mehrfach wichtige Preise wie den Kunstpreis zu Ehren von Karl Schmidt-Rottluff. Anlässlich seines 80. Geburtstags wurde er 2022 u.a. mit einer fulminanten Retrospektive der Kunstsammlungen Chemnitz und einem opulenten Werkverzeichnis seiner Bilder und Plastiken gewürdigt (s. https://www.eulenfisch.de/literatur/literaturmagazin/literaturmagazin-01-2023/#tab-3 ). In diesen Kontext gehört auch das von der „Anita und Günter Lichtenstein Stiftung“ (Göpfersdorf) herausgegebene Buch.
Das Ehepaar Lichtenstein hat die bedeutendste private Sammlung moderner mitteldeutscher Kunst zusammengetragen; sie umfasst etwa 10.000 Zeichnungen, Grafiken...
Wenn ein Autor sich an seiner eigenen Rhetorik befeuert und Spaß an seinen Formulierungen hat, ist das für uns Leser ein Glücksfall. Bei Georg Habenicht kommt hinzu, dass er offenbar mit Vergnügen in Archiven wühlt, um dann ein breites Panorama der Frömmigkeitsgeschichte um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert zu entwerfen. Das Buch – besser gesagt das Büchlein – inszeniert ein Drama in fünf Akten, bei dem es dann aber um einen gegenwärtigen Skandal geht.
Der Autor hatte sich schon beim historisch skandalträchtigen Thema Ablass ausgewiesen, das für Luther und seine Reformation so wichtig gewesen ist. Das moderne Bankwesen, eine Florentiner Erfindung der frühen Neuzeit, hatte seinerzeit auch das theologische Denken infiziert. So war es zu einer Art Bewirtschaftung des Fegefeuers gekommen,...
Wer als Westdeutscher an „ostdeutsche Bildermacher“ denkt, dem werden zuerst die Vertreter der „Leipziger Schule“ wie Neo Rauch und Michael Triegel in den Sinn kommen. Aber um diese Zelebritäten geht es in den „Ateliergespräche(n)“, die der Verfasser mit 6 Künstlerinnen und 22 Künstlern geführt hat, nicht. Aus welchem Anlass sind diese Porträts entstanden?
Erschienen sind alle im „Palmbaum“, dem, so der Untertitel, „Literarischen Journal aus Thüringen“. Diese 1993 begründete Literaturzeitschrift erscheint zweimal im Jahr unter einem Hauptthema und verbindet neuere Prosa, Lyrik und Essays mit der reichen Geschichte Thüringens; hinzu kommt ein umfangreicher Rezensionsteil. Mit der Übernahme der Chefredaktion durch Jens-Fietje Dwars 2005 kam die bildende Kunst hinzu, denn nun wurden die...
Literarische Rezeptionen biblischer Stoffe geraten bisweilen ein wenig gewollt und zäh. Dies kann man von Stanka Hrasteljs kühnem Neuentwurf der Geschichte von Batseba und König David wahrlich nicht behaupten. Zwei Angaben gehen dem zweiten Roman der slowenischen Lyrikerin und Übersetzerin (geb. 1975) voraus, beide haben ihre Berechtigung. Die Widmung „Für die Leser von Poesie“ verweist auf die lyrisch verdichtete Art des Erzählens. In 193 durchnummerierten Miniaturkapiteln mit Überschriften, die ihrerseits interpretatorische Akzente setzen, wirft die Autorin sprachgewaltig Schlaglichter auf eine überzeitlich angelegte Frauengestalt zwischen Macht und Ohnmacht. Die zweite vorausgeschickte Angabe ist eine Triggerwarnung bezüglich selbstverletzender Handlungen und sexueller Gewalt. In der...
Es beginnt damit, dass der fünfjährige Joris Blut pinkelt, „das Zinnoberrot der altniederländischen Maler“. Diagnose: Nierenkrebs. Krebs – das „Fünfbuchstabenwort“. Wie aus diesem Befund und aus dem Alltag mit seinen Selbstverständlichkeiten, der plötzlich seine Sicherheiten verliert und fragwürdig wird, Literatur wird, verdeutlicht Janne Regnerus in ihrem Roman „Das Lamm“.
Es schaut den Betrachter bereits auf dem Titelbild mit dem intensiven Blick eines seiner Augen an, ein Strahlenkranz umgibt seinen Kopf. Es ist ein Detail des mystischen Agnus Dei aus dem berühmten Genter Altar des Jan van Eyck und das Zentrum einer paradiesischen Landschaft. Das Blut aus der Seitenwunde fließt in hohem Bogen in einen Messkelch, einzelne Tropfen fallen auf das weiße Altartuch. „Das Bluten scheint dem...
Muss man Hartmut Rosa vorstellen? Notwendig erscheint es nicht. Seit Jahren gehört er zu den gefragtesten Gesprächspartnern im deutschsprachigen Raum. Denn er gilt als jemand, der sich auch ohne das Sicherheitsnetz des Soziologenjargons souverän zu bewegen weiß, bei Bedarf aber auf akademische Sprachkonventionen zurückzugreifen vermag. Längst sind seine Bücher, auch und gerade die seitenstärksten, zu Impulsgebern für Politik und Wissenschaft geworden – nicht zuletzt für die Theologie. Einige ihrer Titel, zuletzt „Unverfügbarkeit“, haben geradezu den Rang geflügelter Worte gewonnen, mit denen man sich zu verstehen gibt, dass man den Geist unserer Zeit auf den Begriff zu bringen weiß. Und dennoch muss man Hartmut Rosa hier vorstellen. Bisher dürfte nämlich nur den wenigsten bekannt sein,...
Karl Rahner (1904-1984) darf aus vielen Gründen als der bedeutendste und einflussreichste katholische Theologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden. Rahner, der von sich selbst sagte, sein Leben sei das normale und durchschnittliche Leben eines mitteleuropäischen Bürgers ohne besondere Bekehrungserlebnisse oder fromme Heldentaten, folgte dem Leitmotiv seines Jesuitenordens „Gott in allen Dingen finden.“ Als Konzilsberater trug er wesentlich zu einer dogmatischen Bestimmung des Wesens der Kirche bei, formulierte ein positives Verhältnis zu anderen Religionen und einer pluralistischen Gesellschaft; kurzum zu einer säkularen Wirklichkeit, wie sie sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts immer weiter ausgebildet hatte.
In einer Zeit, in der Theologie und Kirche besorgt darum waren, wie mit den...