Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Manfred Gerwing: Gott – mehr als ein Wort. Grundlagen der Gotteslehre

Der profilierte und inzwischen emeritierte Eichstätter Dogmatiker und Dogmengeschichtler Manfred Gerwing (Jg. 1954) krönt seine Gelehrtenlaufbahn mit dem großen Werk „Gott – mehr als ein Wort“, in dem er systematisch, historisch (nicht historisierend!) und an Porträts orientiert die Grundfrage nach Gott erörtert. Die Darstellung fordert intensives Mitdenken, ist trotz eines hohen und auch oft abstrakten Niveaus verständlich und durch Bezüge zu Quellentexten und konkrete Prüfungsfragen „kompetenzorientiert“, wie es schon im Klappentext heißt.

Der Theologe ist Schüler des bekannten sudetendeutschen Historikers Ferdinand Seibt (1927-2003) und des Bochumer Dogmatikers Ludwig Hödl (1924-2016). Er qualifizierte sich mit gewichtigen mediävistisch-theologischen Arbeiten, die ihm 2002 den Ruf nach...

Giovanni Maio: Ethik der Verletzlichkeit

Mit der Selbstermächtigung des Menschen als eines Freien und Gleichen in der Neuzeit, zumal seit der Potenzierung individueller Möglichkeiten in der westlichen Moderne, geriet die Begrenztheit der Person und ihre Kreatürlichkeit mehr und mehr aus dem Blickfeld. Nicht nur das: Im Ideal des „Übermenschen“ (Friedrich Nietzsche) erschien eine mitleidvolle Perspektive und ihr sozialer Impuls als komplexbehaftete Behinderung der Potentiale des von Transzendenz befreiten Menschen. Seither sind sozialdarwinistisch-rassistische und utopistische Ideologien zwar gescheitert, hinterlassen hat die Entkoppelung des anthropologischen Selbstverständnisses von Bedingtheit und Begrenztheit, Hilfsbedürftigkeit und Hinfälligkeit dennoch ein spürbares Vakuum. Diese praxisrelevante Leerstelle sucht der Arzt und...

Klaus Mertes: Herzensbildung. Für eine Kultur der Menschlichkeit

Ein Buch mit „Herzensbildung“ zu betiteln, ist gewagt. Man könnte etwas „Softes“ vermuten, gar Esoterisches. Der Autorenname Klaus Mertes freilich lässt aufhorchen. Der Jesuitenpater und langjährige Rektor des Berliner Canisius-Kollegs sowie des internationalen Jesuitenkollegs in St. Blasien hat sich einen hervorragenden Ruf als Pädagoge erworben, er war zudem ein Vorreiter im schonungslosen Offenlegen des Versagens kirchlicher Institutionen im Umgang mit sexueller Gewalt. So lohnt ein genauerer Blick, und in der Tat ist die Lektüre eine bereichernde.

Am Anfang der barmherzige Samariter. Eine scheinbar bekannte Geschichte, die doch immer wieder Energien freisetzt und zum Denken anregt. Im Blick auf den Samariter spricht Klaus Mertes vom „ansprechbaren“ Herz, das nicht sogleich...

Marcus Willaschek: Kant. Die Revolution des Denkens

Marcus Willaschek, Professor für Philosophie an der Frankfurter Goethe-Universität, ist ein renommierter und international anerkannter Experte für Immanuel Kant. Mit seinem Buch „Kant. Die Revolution des Denkens“ stellt er sich der Herausforderung, die zentralen Themen und Grundideen von Kant einem breiteren Publikum auf eine verständliche Weise zugänglich zu machen, ohne die Komplexität und das argumentative Niveau seiner Philosophie zu unterlaufen. Diesen stilistischen Spagat zu meistern, gelingt Willaschek auf eine beeindruckende Weise. Die verdiente Anerkennung für diese Leistung zeigt sich in der Nominierung dieses Werkes für den Deutschen Sachbuchpreis 2024.

Auf knapp 400 Seiten bietet dieses Buch einen sehr guten Überblick und eine pointierte Einführung in die wesentlichen Aspekte...

Rudolf Langthaler / Magnus Striet: Vernunftreligion statt Kirchenglauben?

Das kleine, streitbare Büchlein, das hier anzuzeigen ist, fordert eine „philosophisch-theologische Besinnung“ auf „Kants unerledigte Anfragen an die Theologie“ – somit ein durchaus treffliches Geschenk für den philosophischen Jubilar des Jahres. Hier entlädt sich schon mit den ersten Seiten ein erfrischendes Gedankengewitter. Es lohnt sich für alle an Themen der Theologie Interessierten (Studierende, Lehrende, Kirchliche Amtsträger), sich seinen Anfragen auszusetzen, ihnen standzuhalten und sie zum Anlass zu nehmen, mit diesem „Leitfaden“ weiterzudenken, wie es sich die beiden Autoren auch wünschen.

Ein Wetterleuchten in diesem Sinne war schon zu vernehmen, als im Mai dieses Jahres der Wiener Philosophieprofessor Rudolf Langthaler auf einen in der Tagespost erschienenen Artikel des...

Alfred J. Noll: Ewiger Friede oder ewiger Krieg?

Alfred Noll (*1960) ist Professor für öffentliches Recht und Rechtslehre in Wien. Er war von 1987 bis 1989 Mitglied des Nationalrates für die Partei „Jetzt“, die sich für Umverteilung von oben nach unten, eine andere Flüchtlingspolitik, Liberalisierung des Cannabiskonsums und der Sterbehilfe einsetzte, bevor sie sich 2020 auflöste.

Als Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit Kants Friedensschrift führt Noll im ersten Kapitel in Kants Konzept der „Transzendentalphilosophie“ ein. Dabei bettet er Kants „Trennung von Natur und Geist“ in die Trends des ausgehenden 18. Jahrhunderts ein und vergleicht vor allem mit Lessing und Herder.

Das Hauptanliegen des Buches ist die Auseinandersetzung mit Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“, die Noll gerade heute wichtig findet, da „Irrationalität...

Omri Boehm / Daniel Kehlmann: Der bestirnte Himmel über mir. Ein Gespräch über Kant

Kant als ein öder und langweiliger Pedant – dieses Kantbild dürfte auch im Jahr seines 300. Geburtstages noch viele Vorstellungen prägen und dadurch auf das Verständnis seiner Philosophie als Gesetzesdenken zurückwirken. Dabei steht die Gesetzmäßigkeit, welche Kant an der Basis des Erkennens und der Freiheit herausarbeitet, für sein Programm, den „Humanismus durch die Freiheit zu verteidigen [...], nicht nur die Natur“ (21). Die Gesetze der Freiheit treten also an die Stelle von Natur und Autorität, und nur hierin liegt ein zulässiger, weil kritischer Begriff von Gesetz, was dann auch für die zivilen gilt. Und in seinem Privatleben war die Regelmäßigkeit (der berühmte Spaziergang immer um die gleiche Urzeit) eine Weise, seine Freiheit durch „Selbstbeherrschung“ zu pflegen (24): Vor der...

Peter Strasser: Ewigkeitsdrang

Ein österreichischer Philosoph i.R veröffentlicht wieder einmal und mit Verve etwas Neues. Doch welch seltsames Buch! Es will beruhigen: „Sei ruhig, unruhiges Herz“ – freilich regt es sich und den Leser auf, ja will so gegen den Zeitgeist kämpfen. Es behauptet religiöse Standards als bedeutsam – und gleichzeitig als unverstehbar; und der Text will bilderstark deren Realität als Erfahrung evozieren und grundlegen, will dem Leser die Augen öffnen. Strasser kombiniert Quietismus und Kritik falscher Verständnismuster. Es ist verwirrend.

Der Autor legt los mit einer Einübung in bescheidenste Verhältnisse: Die seien „immer ziemlich anders und genau gleich“. Dabei kann es nicht bleiben. Jetzt wird ein dialektisches Fliegengitter aufgebaut. Die sokratische kritische Einstellung, bestenfalls um...