Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gianluca De Candia: Der Sprung in den Glauben. Von der existenziellen Relevanz des Christentums

Den christlichen Glauben in der Gegenwart zu plausibilisieren ist eine Herausforderung für alle theologischen Disziplinen. De facto arbeitet jedoch vorrangig die Religionsdidaktik einigermaßen breitenwirksam auf diesem Feld, während Katechetik und Predigtlehre nur noch einen kleinen Kreis von Interessierten zu erreichen vermögen. Die Zeiten, in denen Hans Küng und Eugen Drewermann in bürgerlichen Kreisen gelesen wurden, sind wohl endgültig vorbei. Theologie und Glaube sind ein Nischenphänomen geworden.

Nun versucht sich der Kölner systematische Theologe Gianluca De Candia mit einem kleinen Büchlein an der apologetischen Herausforderung. Im Schnittfeld von Philosophie, Kulturhermeneutik und Theologie soll auf der Linie von Paul Tillich die gegenseitige Erschließung von Existenz und Glaube...

Lorraine Daston: Regeln. Eine kurze Geschichte

Dass die Welt nicht nicht ist, galt lange Zeit als hinreichender Ausweis ihrer besonderen Würde, ja sogar als kosmologischer Gottesbeweis. Warum die Welt ist, wie sie ist, erklärte sich dabei quasi von selbst (durch die Schöpfung und den notwendigen Respekt vor ihr), so dass en passant allen Beteiligten Bedeutung zugeschrieben werden konnte – der Welt (als Werk), Gott (als Schöpfer) und dem Menschen (als respektables Geschöpf, nicht zuletzt im Sinne seines unerlässlichen Respekts für die Schöpfung und den Schöpfer).

Warum die Welt heute so ist, wie sie ist, will sagen: in so schlechter (ökologischer, politischer, wahrscheinlich darf man auch sagen: kirchlicher) Verfassung, führt konsequenterweise dazu, sich zu fragen, wer die Verantwortung dafür trägt. Bedeutsam genug wären dafür im...

Claudia Blöser: Immanuel Kant

Claudia Blöser ist Professorin für Philosophie mit Schwerpunkt Ethik an der Universität Augsburg und Schülerin des Frankfurter Philosophieprofessors und Kant-Spezialisten Marcus Willaschek. In der Reclam-Reihe „100 Seiten“ kann man in diesem Umfang etwas lernen über „Mücken“, „ABBA“, „Franz Kafka“ – und nun eben „Immanuel Kant“. Es gehört Mut dazu, sich dieser Aufgabe anzunehmen.

Claudia Blöser verfügt nicht nur über Mut, sondern auch über einen roten Faden. Nachdem sie den langen und entbehrungsreichen biografischen Weg Kants zu einer Professur und zur „Kritik der reinen Vernunft“, die er erst mit 57 schreibt, in knappen, aufschlussreichen Skizzen zeichnet, schlägt sie den Ton an, der im Gesamtwerk Kants widerhallt: die Neugründung der Metaphysik, zentriert auf die Frage der menschlichen...

Oliver Hallich: Angemessene Lügen. Ein sozialphilosophischer Essay

Oliver Hallich kündigt eine eigene Theorie an, die auf die Frage nach der moralischen Erlaubtheit des Lügens antworten soll. Dabei weist er die Auseinandersetzung mit moralphilosophischen Positionen (deontische, konsequentialistische) mit dem Argument zurück, diese würden im Grundsätzlichen verbleiben und deren Vertreter würden ihre Prämissen nur noch bekenntnishaft wiederholen. Stattdessen schlägt er eine „Entmoralisierung“ der Frage nach der „moralischen Erlaubtheit des Lügens“ vor. Der wesentliche Aspekt seines Ansatzes ist die Betrachtung der Bedeutung des Handelns allgemein und der Lüge im Besonderen für die Beziehung der Betroffenen in soziologischer Hinsicht.

Interpersonale Handlungen werden deshalb zunächst unter dem Aspekt betrachtet, dass sie etwas für die Art der Beziehung...

Bernhard Grümme: Öffentliche Politische Theologie. Ein Plädoyer

Als sich die Deutsche Bischofskonferenz im Rahmen ihrer Frühjahrsvollversammlung am 22. Februar 2024 mit ihrer Erklärung „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“ an die Öffentlichkeit wandte, waren die medialen und gesellschaftlichen Resonanzen sowie die Zustimmung zu dem Text hoch. Die Gruppe „Christen in der AfD“ fühlte sich von ihm dermaßen provoziert, dass sie am 29. Februar 2024 einen offenen Brief an die Deutsche Bischofskonferenz richtete. Im Gegensatz zu vielen anderen öffentlichen Verlautbarungen erzielte diesmal eine Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz, die sich als politische versteht, eine breite Wirkung.

Dass Kirche und Theologie politisch sein müssen und sollen, ist ein Diktum, das der Theologe Johann Baptist Metz immer wieder in das gläubige...

Daron Acemoglu / Simon Johnson: Macht und Fortschritt. Unser 1000-jähriges Ringen um Technologie und Wohlstand

Das Buch ist eine wirtschaftshistorische Untersuchung. Bei der gegenwärtigen digitalen Technologieorientierung stellen sich die alten Konflikte verschärft neu. Bei der Einführung neuer Technologien gibt es immer die Optionen Beteiligung am Fortschritt versus Ausbau der bestehenden Machtverhältnisse. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Vision und die Überzeugungsmacht derer, die eine neue Technik einsetzen. Paradigmatisch steht dafür Ferdinand de Lesseps (1805-1894): Der Erfolg beim Bau des Suezkanals half ihm, Geldgeber zu überzeugen, doch sein Beharren auf einem Kanal ohne Schleusen führte zu seinem Scheitern, weil er die Topographie in Panama und die Kritik anderer Ingenieure ignorierte.

Die Untersuchungen von Daron Acemoglu und Simon Johnson konzentrieren sich auf England und die...

Ben Wilson: Die Weltgeschichte der Menschheit in den Städten

„Anhand der Lichtspuren, die nachts die Erdoberfläche sprenkeln, lässt sich das Ausmaß unserer aktuellen Urbanisierung vom Weltraum aus erkennen“, schreibt Ben Wilson. Der Historiker folgt seiner Profession und geht der Frage nach, inwieweit die Städte im Wandel historischer Epochen und geographischer Räume selbst ein „Schaubild der Conditio humana“ darstellen. Warum leben heute – mit steigender Tendenz – mehr als 50% der Menschheit in Agglomerationen? „Wir werden gerade Zeugen der größten Migrationsbewegung der Geschichte“, schreibt der Verfasser der „Weltgeschichte der Menschheit in den Städten“ über den bisherigen „Höhepunkt eines seit sechstausend Jahren währenden Prozesses, der uns bis zum Ende dieses Jahrhunderts zu einer urbanisierten Spezies gemacht haben wird.“

Wilson wählt eine...

Peter Frankopan: Zwischen Erde und Himmel. Klima – eine Menschheitsgeschichte

Der Oxforder Historiker Peter Frankopan widmete sich über 9 Jahre hinweg der Herkulesaufgabe, eine Globalgeschichte des Zusammenhangs zwischen Klima und Menschheitsentwicklung zu verfassen. Da das Buch bereits im Einband auf die Verbindung von Umweltveränderungen und der Entstehung von Religionen hinweist, verspricht es auch für religionsgeschichtlich Interessierte eine bereichernde Lektüre. Diese Erwartungshaltung wird nicht enttäuscht. Das Werk fordert die Kirchen und Religionen dazu heraus, ihre eigenen historisch gewachsenen Einstellungen und Glaubensüberzeugungen zur belebten wie unbelebten Natur vor dem Hintergrund eines der drängendsten Probleme der Gegenwart, die menschengemachte Klimakatastrophe, neu zu reflektieren.

In 24 Kapiteln spannt Frankopan einen reichen und facettenreich...